Altersgrenze für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Betriebsvereinbarung – Auslegung

Autor: RA FAArbR Dr. Artur Kühnel,Vahle Kühnel Becker, FAeArbR, Hamburg
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 02/2016
Auf das 65. Lebensjahr bezogene Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen sind regelmäßig dahingehend auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis erst zu einem Zeitpunkt enden soll, ab dem der Arbeitnehmer eine Regelaltersrente beanspruchen kann.

BAG, Urt. v. 13.10.2015 - 1 AZR 853/13

Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg - 7 Sa 83/13

BetrVG §§ 75, 77 Abs. 3; TzBfG § 14 Abs. 1 Satz 1; AGG §§ 1, 3 Abs. 1, 7 Abs. 1, 10 Satz 1, 2 u. 3 Nr. 5; RL 2000/78/EG Art. 6 Abs. 1

Das Problem

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer durch Betriebsvereinbarung geregelten Altersgrenze. Im Arbeitsvertrag des am 1.6.1947 geborenen und seit 1984 bei der Beklagten beschäftigten Klägers war vereinbart, dass Betriebsvereinbarungen in der jeweils geltenden Fassung Bestandteil des Arbeitsvertrags sind. In einer Betriebsvereinbarung war geregelt, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Kalendermonats endet, in dem der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet. Der Kläger erhält seit Juli 2012 eine gesetzliche Altersrente. Er macht die Unwirksamkeit der Altergrenzenregelung und das Fortbestehen seines Arbeitsverhältnisses über den 30.6.2012 hinaus geltend.

Die Entscheidung des Gerichts

Wie bereits die Vorinstanzen hat auch das BAG entschieden, dass die Altergrenzenregelung wirksam ist und das Arbeitsverhältnis zum 30.6.2012 geendet hat. Entsprechende freiwillige Betriebsvereinbarungen seien von der Regelungskompetenz der Betriebsparteien umfasst. Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG greife vorliegend mangels einschlägigen Tarifvertrags nicht ein.

Eine Altergrenzenregelung sei zwar nur bei Anbindung an die Regelaltersrente gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich gerechtfertigt. Sei dies der Fall, liege hierin aber auch kein Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung aus § 75 Abs. 1 BetrVG, §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 AGG.

Die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung der Befristung seien vorliegend erfüllt: Die Auslegung der Betriebsvereinbarung ergebe, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst mit Ablauf des Kalendermonats eintrete, in dem der Arbeitnehmer das für den Bezug einer Regelaltersrente erforderliche Lebensjahr vollendet habe und eine solche beanspruchen könne (vgl. §§ 35, 235 SGB VI). Bereits vom Wortlaut her hätten die Betriebsparteien trotz der Angabe des 65. Lebensjahrs erkennbar nur auf die seinerzeitige Regelaltersgrenze abstellen wollen. Dies bestätige auch das Gebot der gesetzeskonformen Auslegung: Die Betriebsparteien würden im Zweifel nur solche Vereinbarungen treffen wollen, die nicht im Widerspruch zu höherrangigem Recht stünden. Für ein gegenteiliges Verständnis müssten eindeutige Anhaltspunkte bestehen, an denen es vorliegend fehle.

Die Altersgrenzenregelung werde auch nicht durch eine für den Kläger günstigere Abrede verdrängt, denn im Arbeitsvertrag sei ausdrücklich ein Vorrang der Betriebsvereinbarungen vereinbart worden.


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