BAG, Beschl. 29.9.2020 - 9 AZR 266/20 (A)

EuGH-Vorlage zur Verjährung von Urlaub

Autor: RA FAArbR Dr. Artur Kühnel,Vahle Kühnel Becker FAeArbR, Hamburg
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 07/2021
Das BAG ersucht den EuGH um Vorabentscheidung über die Frage, ob das Unionsrecht einer Regelung entgegensteht, nach der der Urlaubsanspruch einer regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegt (vgl. § 194 Abs. 1 i.V.m. § 195 BGB), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht durch entsprechende Aufforderung und Hinweise tatsächlich in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch auszuüben.

GRCh Art. 31 Abs. 2; RL 2003/88/EG Art. 7; BUrlG § 1, § 3, § 7 Abs. 3 u. 4; BGB § 194 Abs. 1, § 195, § 199 Abs. 1, § 214 Abs. 1

Das Problem

Die Parteien streiten über die Abgeltung von Urlaub.

Die Klägerin war von 1996 bis 2017 beim Beklagten beschäftigt. Sie hatte Anspruch auf 24 Arbeitstage Urlaub jährlich. In den Jahren 2012 bis 2017 gewährte der Beklagte ihr zwar Urlaub. Sie nahm aber nicht einmal den gesetzlichen Mindesturlaub vollständig in Anspruch. Der Beklagte hat sie weder aufgefordert, weiteren Urlaub zu nehmen, noch darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfallen kann.

2018 hat die Klägerin Klage auf Abgeltung von Urlaub aus 2017 und den Vorjahren erhoben. Der Beklagte hat sich u.a. auf Verjährung berufen. Das Arbeitsgericht hat den Beklagten (rechtskräftig) zur Abgeltung von Urlaub aus 2017 verurteilt und die Klage i.Ü. abgewiesen. Das LAG hat der Klägerin auch Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2013 bis 2016 zugesprochen. Hiergegen wendet sich die Revision des Beklagten.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG setzt das Revisionsverfahren aus und legt dem EuGH die aus dem Leitsatz ersichtliche Frage zur Vorabentscheidung vor.

Von der Beantwortung der Vorlagefrage hänge der Erfolg der Revision ab, soweit sich diese auf den Urlaub aus 2013 und 2014 beziehe. Die Urlaubsabgeltungsansprüche wären ggf. wegen Verjährung der Urlaubsansprüche nicht durchsetzbar, denn der Beklagte wäre im fortbestehenden Arbeitsverhältnis nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB i.V.m. § 199 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BGB) dauerhaft berechtigt gewesen, die Erfüllung der Urlaubsansprüche zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB).

Der EuGH habe – soweit ersichtlich – über die Vorlagefrage bisher nicht entschieden. Das BAG führt sodann näher aus, dass sich aus der Rechtsprechung des EuGH Anhaltspunkte sowohl dafür als auch dagegen ergeben, dass die Anwendung der Verjährungsvorschriften des BGB auf den Urlaubsanspruch ein Verstoß gegen Art. 31 Abs. 2 GRCh und Art. 7 RL 2003/88/EG sein könnte.

Bis zur Entscheidung über den Urlaub aus den Jahren 2013 und 2014 könne auch nicht über den Urlaub der Jahre 2015 und 2016 entschieden werden. Es handele sich zwar um eine Mehrheit selbstständiger prozessualer Ansprüche. Zwischen ihnen bestehe jedoch im Hinblick auf die Frage, welche Ansprüche durch Gewährung von Urlaub erfüllt worden seien, eine materiell-rechtliche Verzahnung.


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