BAG, Urt. 20.12.2022 - 9 AZR 266/20

Verjährung von Urlaubsansprüchen – Unterrichtung durch den Arbeitgeber als Voraussetzung

Autor: RA FAArbR Dr. Detlef Grimm, Loschelder Rechtsanwälte, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 07/2023
Der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub unterliegt gem. § 194 Abs. 1 BGB der gesetzlichen Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt aber erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch eine Belehrung über den konkreten Urlaubsanspruch und einen Hinweis über die Verfallfristen in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen, und wenn der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

BUrlG § 7 Abs. 3 Satz 1 u. 3; BGB § 194 Abs. 1, § 195, § 199 Abs. 1; GRCh Art. 31 Abs. 2

Das Problem

Die Klägerin arbeitete vom 1.11.1996 bis zum 31.7.2017 als Steuerfachangestellte für den Beklagten. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte der Beklagte eine Abgeltung für 14 Urlaubstage. Die Klägerin forderte eine Abgeltung weiterer 101 Arbeitstage aus den Vorjahren. Der Beklagte meinte, die geltend gemachten Urlaubsansprüche seien verjährt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat der Klägerin eine Abgeltung von 76 Arbeitstagen zugesprochen.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Revision der Beklagten weist der Neunte Senat zurück. Zwar fänden die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung von § 199 Abs. 1 BGB beginne die Verjährung aber nicht zwangsläufig mit dem Ende des Jahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden sei und der Arbeitnehmer hiervon Kenntnis davon erlangt habe, sondern erst am Ende des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in die Lage versetzt habe, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen. Das setze voraus, das der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen unterrichtet habe.

Es seien die unionsrechtlichen Vorgaben (s. EuGH, Urt. v. 22.9.2022 – C-120/21, ArbRB 2022, 322 [Steffan]) umzusetzen. Der Zweck der Verjährungsvorschriften, Rechtssicherheit zu gewährleisten, dürfe danach das Ziel von Art. 31 Abs. 2 GRC, die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen, nicht behindern. Die Verjährung dürfe zudem nicht dazu führen, dass dem Arbeitgeber aus dem Versäumnis hinsichtlich seiner Mitwirkungsobliegenheit ein Vorteil erwachse und die Erfüllung des Urlaubsanspruchs in sein Belieben gestellt sei. Dies gelte sowohl für die Befristung des Urlaubsanspruchs in § 7 Abs. 3 Satz 1, 3 BUrlG als auch für die Verjährungsfristen gem. § 194 Abs. 1, § 195, § 199 Abs. 1 BGB.

Der Beklagte habe die Klägerin weder aufgefordert, Urlaub zu nehmen, noch diese darauf hingewiesen, dass der Urlaub drei Jahre nach dem Ende des Urlaubsjahres verjähre und auch nicht die Zahl des noch zu beanspruchenden Urlaubs in Tagen mitgeteilt. Die Ansprüche seien daher weder nach § 7 Abs. 3 Satz 1, 3 BUrlG noch aufgrund von Verjährung erloschen.


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