BAG, Urt. 8.9.2021 - 5 AZR 149/21

Beweiswert einer AU-Bescheinigung für die Dauer der Kündigungsfrist

Autor: RA FAArbR Dr. Sascha Schewiola, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 01/2022
Deckt eine am Tag der Eigenkündigung des Arbeitnehmers ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung passgenau die nach der Kündigung noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses ab, können ernsthafte Zweifel am Vorliegen einer Erkrankung bestehen.

EFZG §§ 3, 5; SGB V § 275 Abs. 1a; ZPO § 286

Das Problem

Die Klägerin ist als kaufmännische Angestellte bei der Beklagten, einer Personalvermittlung, beschäftigt gewesen. Am 8.2.2019 kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis zum 22.2.2019 und reichte gleichzeitig eine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist ein. Bei der Diagnose wies die AU-Bescheinigung „Sonstige und nicht näher bezeichnete Bauchschmerzen“ aus. Die Beklagte zahlte der Klägerin kein Gehalt für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Nachzahlung des Gehalts. Im Prozess trug sie ergänzend vor, es habe ein „psychosomatischer Hintergrund“ bestanden. Sie sei im Einsatzbetrieb einem massiven Mobbing ausgesetzt gewesen. Dies habe zu Schlafstörungen und weiteren psychisch-körperlichen Beeinträchtigungen geführt. Wahrscheinlich wäre dies in absehbarer Zeit in ein Burn-out eingemündet.

Die Entscheidung des Gerichts

Der 5. Senat des BAG weist die Klage – entgegen den Vorinstanzen – ab. Zwar sei die von der Klägerin vorgelegte AU-Bescheinigung das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Sie begründe jedoch keine gesetzliche Vermutung einer tatsächlich bestehenden Arbeitsunfähigkeit mit der Folge, dass nur der Beweis des Gegenteils zulässig wäre.

Im Streitfall bestünden ernsthafte Zweifel am Vorliegen einer Erkrankung der Klägerin, weil die am Tag der Eigenkündigung ausgestellte AU-Bescheinigung passgenau die nach der Kündigung noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses abdecke. Nach allgemeinen Grundsätzen sei es daher wieder an der Klägerin gewesen, ihre Arbeitsunfähigkeit durch substantiellen Vortrag darzulegen und zu beweisen. Dem sei die Klägerin nicht nachgekommen. Sie habe insbesondere keine näheren Angaben zur Intensität der von ihr geschilderten Schlafstörungen oder zur Art und vor allem Schwere der weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen gemacht. Weiterhin habe die Klägerin nicht vorgetragen, die Beschwerden hätten im gesamten Klagezeitraum angehalten.


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