Die erfolgreiche Strafrechtsrevision, oder: Revision kann nicht "jeder"

10.03.2011, Autor: Herr Christian Mertens / Lesedauer ca. 3 Min. (6073 mal gelesen)
Entgegen der Auskunft vieler Anwälte sind die Erfolgsaussichten einer strafrechtlichen Revision gering: weit unter 10% führen zum Erfolg. Verbessern kann sie nur derjenige, der seine Revision - regelmäßig die "letzte Chance" - einem absoluten Experten auf diesem Gebiet anvertraut.

Das Revisionsrecht ist ein Rechtsgebiet für absolute Spezialisten. Selbst erfahrene Kollegen scheitern immer wieder an den hohen formalen Anforderungen - insbesondere wenn sie nicht täglich mit Strafrecht zu tun haben. Die Erfolgsaussichten einer Revision liegen bei weit unter 10%. Jede Revision ist damit zugleich die letzte und eine sehr kleine Chance, das eigene Verfahren noch zu retten. Verbessern kann seine Chance nur derjenige, der seine Revision einem Experten auf diesem Gebiet anvertraut.

A. Das Wesen der Revision

I. Unterschied zwischen Revision und Berufung
Anders als viele juristische Laien meinen ist die Revision keine Tatsacheninstanz. Eine erneute Verhandlung mit Zeugen und einer Beweisaufnahme gibt es regelmäßig nicht.
Die Revision ist also keine "zweite Chance". Oft wird insoweit die Revision mit der Berufung verwechselt. In dieser Berufung wird die gesamte Verhandlung noch einmal wiederholt; hier gilt wenig anderes als in erster Instanz.
In der Revision legt jedoch das Revisionsgericht (ein Oberlandesgericht oder der Bundesgerichtshof) den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat - unabhängig davon, ob dieser Sachverhalt tatsächlich wahr ist: Ob z.B. ein Zeuge anders ausgesagt als im Urteil festgestellt, ist dem Revisionsgericht egal; es legt die Tatsachen zu Grunde, die das letzte Gericht festgestellt hat.

II. Die Rechtsprechung der Revisionsgerichte
Unabhängig vom Wortlaut des Gesetzes beobachten Kollegen und ich bei Revisionen seit einigen Jahren eine besondere Rechtspraxis: Die Revisionsgerichte gehen mehr und mehr dazu über, Urteile zu "halten", wenn diese zwar aufgehoben werden sollten, von den Revisionsgerichten aber für "richtig" gehalten werden. Hat sich z.B. ein Verfahrensfehler ereignet, ist das Urteil aber ansonsten aus Sicht des Revisionsgerichts "richtig" ("stimmt" also beispielsweise das Strafmaß), so wird das Revisionsgericht in der Regel nicht aufheben. Dies erreichen die Revisionsgerichte, indem sie immer höhere formale Anforderungen stellen, die nur noch von tagesaktuell informierten Revisionsspezialisten erfüllt werden können. Diese Entwicklung ist sicher unbefriedigend; sie ist jedoch Rechtswirklichkeit.

B. Der Umgang mit der Revision

Die Frage ist: Wie geht ein guter Verteidiger damit um?

III. Verteidigung im Hinblick auf die Revision
Im Rahmen der Hauptverhandlung ist zuerst eine "Verteidigung im Hinblick auf die Revision" notwendig.
Ich verstehe darunter zweierlei:
Erstens muss versucht werden, das Gericht möglichst häufig in Situationen zu bringen, in denen es Fehler machen kann. Denn nur Fehler des Gerichts können in der Revision überhaupt zum Erfolg führen. Jede gerichtliche Entscheidung in der Hauptverhandlung ist eine mögliche Fehlerquelle. Muss das Gericht in der Hauptverhandlung nichts entscheiden, minimieren sich die Fehlerquellen, und somit auch die Möglichkeiten der Revision. Die Aufgabe des Verteidigers ist es also, das Gericht möglichst häufig zu Entscheidungen zu zwingen: durch Anträge. Für Anwälte, die selten mit Strafgerichten zu tun haben, ist dies bereits eine Herausforderung.
Zweitens: Es ist unerlässlich, in der Hauptverhandlung die Tatsachen sorgfältig und aufmerksam aufzuklären. Hierfür sind eine Vorbereitung, Aktenkenntnis, das Wissen um strafprozessuale Möglichkeiten und eine gute Fragetechnik unerlässlich. Was in der Hauptverhandlung nicht passiert ist, kann vor dem Revisionsgericht nicht nachgeholt werden (ein Fehler, der Angeklagten immer wieder zum Verhängnis wird).
Daher ist bereits in der ersten Verhandlung, spätestens aber vor dem Berufungsgericht die Beauftragung eines kompetenten, engagierten Verteidigers zwingend.

IV. Die Durchführung der Revision selbst
Ein guter Revisionsverteidiger erhöht die Chancen einer Revision gleich mehrfach
Erstens: Ist die Hauptverhandlung im Hinblick auf eine Revision durchgeführt worden, kann ein guter Revisionsverteidiger idealerweise mehrere Fehler in der Verhandlung und der rechtlichen Würdigung des Instanzgerichts ausfindig machen. Weniger spezialisierten Kollegen gelingt dies mit weniger Erfolg.
Diese Fehler gilt es nun in der Revision mit Erfolg geltend zu machen.
Hier sind gute Argumentation, hervorragende Rechtskenntnis und vor allem harte Arbeit gefragt, um die hohen formalen Anforderungen der sog. "Verfahrensrügen" zu erfüllen und sich mit den rechtlichen Begründungen des Instanzgerichts auseinander zu setzen. Mit Einzelheiten hierzu möchte ich Sie nicht langweilen: Die Revision muss ohnehin von einem Rechtsanwalt verfasst werden.
Im Idealfall wird das Urteil aufgehoben.

Für Sie ist entscheidend: Ihr Revisionsverteidiger sollte auf seinem Gebiet ein Experte sein. Nur dann bestehen berechtigte Aussichten auf einen Erfolg. Die Revision (das ist der größte Fehler überhaupt) kann eben nicht "jeder".

Zusammenfassend ist für Sie wichtig:
Die Erfolgsaussichten der Revision sind überaus gering. Denn bei der Revision werden - anders als bei der Berufung - keine Tatsachen mehr ermittelt. Die Beweise stehen fest (s.o. unter I.). Die Situation wird durch die strenge Rechtsprechung der Revisionsgerichte noch erschwert (s.o., unter II.).
Die Erfolgsaussichten können allerdings von einem guten Verteidiger verbessert werden: Notwendig ist hierfür eine engagierte und hochklassige Verteidigung bereits in der Hauptverhandlung (s.o., unter III.). Außerdem muss die Revision von einem ausgewiesenen Experten durchgeführt werden (s.o., unter IV.)


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