Eigenbedarf: Aufklärung vor Abschluss des Mietvertrages?

Autor: RiBayObLG a.D. Dr. Michael J. Schmid, München
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 04/2015
Der Vermieter muss vor einer Vermietung zwar keine vorausschauende Prognose über einen möglichen künftigen Eigenbedarf anstellen. Er muss aber Fragen des Mieters wahrheitsgemäß beantworten und über eine bereits erwogene Eigenbedarfskündigung auch ungefragt aufklären.

BGH, Urt. v. 4.2.2015 - VIII ZR 154/14

Vorinstanz: LG Mannheim - 4 S 93/13

BGB §§ 242, 573 Abs. 2 Nr. 2

Das Problem

Die Beklagte bewohnt aufgrund eines mit dem Kläger am 14.4.2011 abgeschlossenen Mietvertrags eine Zweizimmerwohnung. Das zum 1.5.2011 begründete Mietverhältnis läuft auf unbestimmte Zeit. Mit Schreiben v. 28.2.2013 kündigte der Kläger das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum 31.5.2013. Als Grund für die Kündigung führte er an, seine 20 Jahre alte Tochter, die nach ihrem Abitur einen Auslandsaufenthalt angestrebt habe und sich derzeit in Australien befinde, werde am 18.7.2013 nach Deutschland zurückkehren. Sie sei deswegen an den Kläger mit dem Wunsch herangetreten, eine eigene abgeschlossene Wohnung zu beziehen. Vor ihrem Auslandsaufenthalt habe sie ein Zimmer bei ihren Eltern bewohnt. Die Beklagte widersprach der Kündigung. Sie hat u.a. geltend gemacht, die ausgesprochene Kündigung sei deswegen rechtsmissbräuchlich, weil der Eigenbedarf für den Kläger bei Abschluss des Mietvertrags vorhersehbar gewesen sei. Das AG hat der Klage stattgegeben. Das LG hat sie abgewiesen.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Der BGH nutzte die Gelegenheit, um die Grundsätze einer Aufklärungspflicht über einen bereits bei Vertragsschluss (möglicherweise) erkennbaren Eigenbedarf zusammenzufassen. Der Vermieter, der eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, sie alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen, setzt sich mit einer später hierauf gestützten Eigenbedarfskündigung zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch, wenn er den Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, bei Vertragsschluss nicht über die Aussicht einer begrenzten Mietdauer aufklärt. Die ausgesprochene Eigenbedarfskündigung ist in diesen Fällen wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam Der Vermieter ist jedoch weder verpflichtet, von sich aus vor Abschluss eines unbefristeten Mietvertrags unaufgefordert Ermittlungen über einen möglichen künftigen Eigenbedarf anzustellen (sog. „Bedarfsvorschau”) noch den Mieter ungefragt über mögliche oder konkret vorhersehbare Eigenbedarfssituationen zu unterrichten. Daher liegt kein Rechtsmissbrauch vor, wenn der Vermieter einen unbefristeten Mietvertrag wegen eines nach Vertragsschluss entstandenen Eigenbedarfs kündigt und das Entstehen dieses Eigenbedarfs für ihn zwar im Rahmen einer „Bedarfsvorschau” erkennbar gewesen wäre, er jedoch bei Vertragsabschluss eine solche Kündigung nicht zumindest erwogen hat. Etwas anderes hat allerdings dann zu gelten, wenn der Vermieter anlässlich des Vertragsabschlusses von sich aus oder auf Fragen des Mieters vorsätzlich unrichtige Angaben über den derzeitigen Stand ihm bekannter, für die Beurteilung einer Eigenbedarfssituation maßgebender Tatsachen gemacht hat. Im vorliegenden Fall wurde eine Rechtsmissbräuchlichkeit verneint. Da das Berufungsgericht zum Vorliegen des Eigenbedarfs und zu Härtegründen i.S.d. § 574 BGB keine tatsächlichen Feststellung getroffen hat, wurde die Sache zurückverwiesen.


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