Entschädigungsanspruch eines schwerbehinderten Bewerbers bei nicht bestandenem Eignungstest

Autor: RAin FAinArbR Daniela Range-Ditz,Dr. Ditz und Partner, Rastatt
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 01/2016
Ein schwerbehinderter Bewerber hat regelmäßig auch dann gegen den öffentlichen Arbeitgeber einen Entschädigungsanspruch, wenn er im Auswahlverfahren einen Test nicht bestanden hat und deshalb nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Auch in diesem Fall indiziert die fehlende Einladung zum Vorstellungsgespräch nach § 82 Satz 2 SGB IX eine Diskriminierung.

LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 9.9.2015 - 3 Sa 36/15

Vorinstanz: ArbG Flensburg - 2 Ca 624/14

SGB IX §§ 81 Abs. 2, 82 Satz 2 u. 3; AGG §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 2, 22

Das Problem

Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund einer Behinderung. In der Ausschreibung des öffentlichen Arbeitgebers war auf ein bestimmtes Auswahlverfahren hingewiesen worden. Dieses beginne mit einem Eignungstest, dessen Bestehen Voraussetzung für jeden weiteren Teil des Auswahlverfahrens sei. Dem Testverfahren sollte dann ein Vorstellungsgespräch vor einem Auswahlausschuss folgen. Der Kläger hat trotz gesonderter Raumzuweisung und längerer Bearbeitungszeit den Test nicht bestanden und deswegen eine Absage erhalten. Er begehrt eine Entschädigung i.H.v. drei Monatsvergütungen. Mangels Einladung zum Vorstellungsgespräch gem. § 82 Satz 2 SGB IX bestehe die Vermutung einer Diskriminierung wegen Behinderung.

Die Entscheidung des Gerichts

Beide Instanzen sprachen dem Kläger zwei Monatsvergütungen als Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zu. Der Kläger sei nicht schon wegen des Nichtbestehens des Tests offensichtlich ungeeignet, so dass eine Einladung zum Vorstellungsgespräch nicht entbehrlich gewesen sei. Die Beklagte habe das Bestehen des Tests nicht zur Voraussetzung für die Einladung zum Vorstellungsgespräch machen dürfen.

Dem Kläger fehle es nicht offensichtlich an der fachlichen Eignung. Dies sei anhand des Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil der Stelle und dem Leistungsprofil des Bewerbers zu ermitteln (vgl. BAG, Urt. v. 16.2.2012 – 8 AZR 697/10, ArbRB 2012, 200 [Suberg], ArbRB online). Das Anforderungsprofil sei ausschließlich nach objektiven Kriterien anzufertigen. Ein schwerbehinderter Mensch sei nur dann nicht zu einem Vorstellungsgespräch beim öffentlichen Arbeitgeber einzuladen, wenn er schon nach den schriftlichen Bewerbungsunterlagen die diskriminierungsfrei bestimmte fachliche Eignungsvoraussetzung nicht erfülle.

Ausweislich der Ausschreibung der Beklagten sei das Bestehen des Eignungstests hier nicht Gegenstand des Anforderungsprofils gewesen, sondern schon Bestandteil des Auswahlverfahrens. Das fehlende Vorstellungsgespräch reiche als Indiz für die Diskriminierung aus.


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