EuGH, Urt. 22.6.2023 - C-427/21

Personalgestellung ist keine Leiharbeit im Sinn des EU-Rechts

Autor: RA FAArbR Axel Braun, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 08/2023
Wird ein Arbeitnehmer im Wege der Personalgestellung im öffentlichen Dienst für ein Drittunternehmen tätig, liegt darin mangels eines vorübergehenden Charakters der Tätigkeit keine Arbeitnehmerüberlassung im Sinn der Leiharbeitsrichtlinie (RL 2008/104/EG).

TVöD § 4 Abs. 3; RL 2008/104/EG

Das Problem

Der im Ausgangsrechtsstreit klagende Arbeitnehmer ist bei einer Klinik beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD Anwendung.

Im Juni 2018 gliedert die beklagte Arbeitgeberin mehrere Abteilungen auf eine Tochtergesellschaft aus; dabei soll auch das Arbeitsverhältnis des Klägers übergehen. Dieser macht von seinem Widerspruchsrecht aus § 613a Abs. 6 BGB Gebrauch, wird jedoch im Wege der Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD verpflichtet, seine Arbeitsleistung fortan für die Tochtergesellschaft zu erbringen. Er begehrt daraufhin die Feststellung, dass er hierzu nicht verpflichtet ist.

Arbeitsgericht und LAG weisen die Klage ab. Das BAG legt dem EuGH die Frage vor, ob die Personalgestellung im öffentlichen Dienst in den Anwendungsbereich der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG fällt. Falls ja, will das BAG zudem wissen, ob § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG mit der Richtlinie vereinbar ist, da durch die Vorschrift die Personalgestellung als Bereichsausnahme vom AÜG ausgenommen wird.

Die Entscheidung des Gerichts

Der EuGH erklärt, dass für die Anwendbarkeit der Leiharbeitsrichtlinie bereits aus deren Art. 1 Abs. 1 folgt, dass ein Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis zu dem Zweck eingegangen werden muss, den Arbeitnehmer – wiederholtentleihenden Unternehmen zur Verfügung zu stellen.

Ferner müsse das Arbeitsverhältnis mit einem entleihenden Unternehmen seiner Natur nach vorübergehend sein. In der Folge müsse sowohl bei Abschluss des Arbeitsvertrags als auch bei jeder tatsächlichen Überlassung die Absicht bestehen, den Arbeitnehmer dem Entleiher vorübergehend zur Verfügung zu stellen.

Im vorliegenden Fall erbringe der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zwar für ein Drittunternehmen und unterliege dabei dessen Aufsicht und Leitung i.S.d. Art. 1 Abs. 1 RL 2008/104/EG. Allerdings sei zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt gewesen, ihn einem entleihenden Unternehmen vorübergehend zur Verfügung zu stellen. Das Arbeitsverhältnis zu seiner bisherigen Arbeitgeberin bestehe nur fort, weil er von seinem Widerspruchsrecht im Zuge des Betriebsübergangs Gebrauch gemacht habe.

Etwas anderes folge auch nicht aus den Zielen der Richtlinie, die einen Ausgleich zwischen unternehmerischer Flexibilität und Arbeitnehmerschutz bezwecke was im Ausgangsfall aber jeweils unbedeutend sei. Die zweite Vorlagefrage bedurfte somit keiner Antwort mehr.


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