Personenbedingte Kündigung wegen Alkoholsucht

Autor: RA FAArbR Dr. Joachim Trebeck, LL.M., Schlütter Bornheim Seitz, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 05/2013
Eine außerordentliche Kündigung im Zusammenhang mit einer Alkoholsucht ist nur in Ausnahmefällen möglich, etwa wenn die ordentliche Kündigung tarifvertraglich oder einzelvertraglich ausgeschlossen ist. Eine ordentliche Kündigung kommt hingegen in Betracht, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt ist, der Arbeitnehmer biete aufgrund seiner Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen, und mildere Mittel – wie etwa eine Versetzung – nicht möglich sind. Eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen kann nicht nur durch die Dauer der zu erwartenden krankheitsbedingten Fehlzeiten eintreten.

BAG, Urt. v. 20.12.2012 - 2 AZR 32/11

Vorinstanz: LAG Düsseldorf - 17 Sa 540/10

BGB §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1, 291, 293 ff., 615 Satz 1, 626 Abs. 1; EFZG § 3 Abs. 1 Satz 1; KSchG §§ 1 Abs. 2, 11 Nr. 3; MVG-EKD § 36 Abs. 3; MVG-EKiR §§ 38, 41, 42 Buchst. b

Das Problem:

Der Kläger war als Ergotherapeut in einer Suchtklinik des beklagten Vereins angestellt, in der u.a. alkoholabhängige Patienten behandelt wurden. Der Beklagte wusste bei der Einstellung, dass der Kläger „trockener” Alkoholiker war. Nach mehreren Jahren wurde er rückfällig. Der Beklagte sprach aus diesem Grund Abmahnungen, eine außerordentliche und vorsorglich eine ordentliche Kündigung aus, die später zurückgenommen wurden. Nach einem weiteren Alkoholvorfall kündigt der Beklagte dem Kläger erneut außerordentlich sowie vorsorglich ordentlich.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das BAG hält die außerordentliche Kündigung für unverhältnismäßig, die ordentliche Kündigung hingegen für wirksam. Eine außerordentliche Kündigung komme nur in Ausnahmefällen in Betracht, etwa wenn die ordentliche Kündigung ausgeschlossen sei. Zudem habe der Arbeitgeber durch den Ausspruch von Abmahnungen dokumentiert, dass auch im Fall eines Rückfalls eine Beschäftigung bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist grds. zumutbar sei. Darüber hinaus habe der Arbeitgeber Kenntnis von der früheren Alkoholsucht des Klägers gehabt.

Die ordentliche Kündigung sei hingegen wirksam. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung sei die Prognose gerechtfertigt gewesen, dass der Kläger aufgrund seiner Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr biete, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Der Kläger komme als Ergotherapeut auch physisch nah in Kontakt zu den Patienten der Suchtklinik und würde durch eine merkbare Alkoholisierung den Therapieerfolg gefährden. Dabei sei es unerheblich, ob der Kläger Alkohol oder – wie von ihm behauptet – alkoholische Medikamente zu sich genommen habe.

Auch eine betriebliche Beeinträchtigung liege vor, selbst wenn nicht mit erheblichen Ausfallzeiten des Klägers zu rechnen sei. Die Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen liege hier in der Gefährdung der sachgerechten Behandlung der Patienten. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX sei nicht erforderlich, da der Kläger nicht innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig gewesen sei. Die Kündigung sei daher gerechtfertigt, da auch mildere Mittel wie z.B. eine Versetzung nicht möglich gewesen seien.


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