Sittenwidrige Vergütung eines angestellten Rechtsanwalts

Autor: RAin FAinArbR Annegret Müller-Mundt, Norton Rose Fulbright LLP, München
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 06/2015
Ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Vergütungshöhe liegt vor, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel der üblichen Vergütung erreicht. Es besteht kein Anlass, bei angestellten Rechtsanwälten von dieser Richtgröße im Sinn einer Heraufsetzung der Zwei-Drittel-Grenze abzuweichen – weder wegen der Besonderheiten in der Beschäftigung angestellter Rechtsanwälte noch wegen der in § 26 BORA enthaltenen Vorgabe, Rechtsanwälte nur zu angemessenen Bedingungen zu beschäftigen.

BAG, Urt. v. 17.12.2014 - 5 AZR 663/13

Vorinstanz: LAG Hamm - 16 Sa 1775/11

BGB §§ 138 Abs. 1 u. 2, 421, 612 Abs. 2; ZPO §§ 287 Abs. 1 Satz 1 u. 2, Abs. 2, 403; BORA § 26

Das Problem

Die Parteien streiten über weitere Vergütung für die Vergangenheit. Der 1973 geborene Kläger war im Streitzeitraum bei einer als Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführten Anwaltssozietät in Münster als Rechtsanwalt angestellt. Es war eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden vereinbart, wobei Überstunden durch Freizeit ausgeglichen werden sollten. Das monatliche Bruttogehalt betrug 1.200 €. Der Kläger sieht die im Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung als unangemessen niedrig und deshalb als sittenwidrig an.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf weitere Vergütung, insbesondere nicht auf eine übliche Vergütung in einer die geleisteten Beträge übersteigenden Höhe. Die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede ist nicht wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig.

Ein wucherähnliches Geschäft i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB setzt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus, das hier nicht dargelegt wurde. Das Missverhältnis ist nur auffällig, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel der in dem betreffenden Wirtschaftszweig üblicherweise gezahlten Vergütung erreicht. Die Besonderheiten in der Beschäftigung angestellter Rechtsanwälte, insbesondere die Regelung des § 26 BORA, rechtfertigen insoweit keine Abweichung. § 26 BORA stellt selbst keine Anspruchsgrundlage dar und gebietet auch nicht die Heraufsetzung der Zwei-Drittel-Grenze.

Für die Ermittlung des Wertes der Arbeitsleistung ist nicht nur von Bedeutung, welchem Wirtschaftszweig das Unternehmen des Arbeitgebers zuzuordnen ist, sondern auch, in welcher Wirtschaftsregion die Tätigkeit ausgeübt wird. Als Vergleichsentgelt bei angestellten Anwälten ist somit die übliche Vergütung von Rechtsanwälten in vergleichbaren Anstellungsverhältnissen am Beschäftigungsort oder an einem Ort vergleichbarer wirtschaftlicher Prägung des OLG-Bezirks heranzuziehen. Daher waren die vom Kläger angebotenen Erhebungen zur Vergütungsstruktur in anderen OLG-Bezirken ungeeignet, seine Ansprüche zu begründen.


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