AG Hamburg lehnt eigene Zuständigkeit für Filesharing-Klage ab

07.11.2013, Autor: Herr Tschu-Tschon Kim / Lesedauer ca. 2 Min. (620 mal gelesen)
Das Amtsgericht Hamburg verneint eigene örtliche Zuständigkeit für Klage wegen Filesharing, da es die Anwendung des “fliegenden Gerichtsstandes” ablehnt.

Das Amtsgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 19.09.2013 (Az. 23a C 254/13) auf unsere Rüge hin, die eigene örtliche Unzuständigkeit für eine anhängige Filesharingklage erklärt.

Das Gericht führt in seinem Beschluss aus, dass es die Bedenken der von uns vertretenen Beklagten gegen die örtliche Zuständigkeit teilt.

Der Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


So weist das Gericht insbesondere darauf hin, dass es die in der Rechtsprechung wohl noch überwiegend vertretene Auffassung der Anwendbarkeit eines sogenannten "fliegenden Gerichtsstandes" -nicht teilt.

Weiterhin habe das Gericht keinen hinreichend konkreten Bezug zu dem ausgewählten Gerichtsbezirk erkennen können. Die Tatsache einer bloßen Abrufbarkeit einer Internetseite (bzw. rechtsverletzender Inhalte über Tauschbörsen) kann nach Ansicht des Gerichts nicht dazu führen, dass jedesdeutsche Gericht zuständig sein solle, da dies “zu einer uferlosen Ausweitung der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten“ führen würde.

Zudem ist wäre über die bloße Abrufbarkeit der rechtsverletzenden Inhalte "ein hinausgehender Bezug erforderlich".
Dies sah das Gericht im vorliegenden Fall jedoch gerade nicht. Berührungspunkte zu dem Ort des angerufenen Gerichts - Hamburg (Mitte)- wurden von der Klägerseite nicht dargelegt.

Das Gericht sah vielmehr das Gegenteil gegeben: “Eine allgemeine Lebenserfahrung aber, dass in Hamburg fortdauernd und zu jeder Zeit illegale Downloads stattfinden und auch im konkreten Fall von Hamburg aus die von dem Bekalgten womöglich angbotene Datei heruntergeladen worden ist, ist dem Gericht jedenfalls nicht bekannt. Indiziell gegen eine solche dürfte sprechen, dass beim Amtsgericht Hamburg im vergangenen Jahr mehrere tausend File-Sharing Fälle rechtshängig geworden sind, jedoch nur in ganz wenigen Ausnahmefällen Personen Beklagte waren, die ihren Wohnsitz in Hamburg oder Umgebung hatten.

Bemerkenswert ist im vorliegenden Fall, dass sich das Gericht auch zu der Sach- und Beweisnähe äußert: Sinn und Zweck des § 32 ZPO ist die Vereinfachung der Sachaufklärung und der Beweiserhebung und damit der Prozesswirtschaftlichkeit.
Dies sah das Gerichtvorliegend gerade nicht gegeben, da keinerlei Sach- und Beweisnähe zum Standort des angerufenen Gerichts erkennbar sei.

Außergewöhnlich ist die abschließende Stellungnahme des Gerichts, dass durch eine Anwendung des fliegenden Gerichtsstandes das Grundrecht des Institutes des gesetzlichen Richters nach Artikel 101 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz verletzt wird.

Hierzu führt das Gericht aus, “dass Zuständigkeitsnormen so auszulegen sind, dass die Möglichkeit der Manipulation bei der Bestimmung des Gerichtes unterbleibt. Bereits aus diesem allgemeinen Sinn- und Zweck von Zuständigkeitsnormen verbietet sich eine Auslegung von Gerichtsstandsregelungen, die dazu führen, dass ein spezifisches Gericht und damit ein spezifischer gesetzlicher Richter nicht mehr festgelegt wird, sondern seine Zuständigkeit voll und ganz der Wahlfreiheit des Klägers überlassen wird. Das Prozessrecht wird im Hinblick auf die Festlegung des gesetzlichen Richters seiner grundsätzlichen Aufgabe nicht mehr gerecht, wenn es in der Weise ausgelegt wird, dass Amtsgerichte in allen Bundesländern der Republik örtlich zuständig sind.

Eine solche Auslegung unterbindet nicht Manipulationen bei der Bestimmung des zuständigen Gerichtes, sondern — im Gegenteil — eröffnet sie.