Altes und Neues zu disquotalen Gesellschafts- und Gesellschafterleistungen

22.01.2008, Autor: Herr Heinrich Hübner / Lesedauer ca. 21 Min. (4830 mal gelesen)
Mitte der 90er Jahre wurde das Thema der disquotalen Gesellschafterleistungen engagiert diskutiert1. Angestoßen wurde diese Diskussion durch eine Serie von Entscheidungen des BFH2, auf die die Steuerverwaltung mit gleichlautenden Ländererlassen vom 15. 3. 19973 reagierte, die zwischenzeitlich in R 18 ErbStR aufgegangen sind. In der Folge der Verwaltungsanweisungen wurde es um das Thema ruhig - ein deutliches Zeichen dafür, dass sowohl Steuerverwaltung als auch Beratungspraxis mit dieser Anweisung gut arbeiten konnten. Eine neue Entscheidung des II. Senats des BFH lässt nun befürchten, dass es mit dieser Beschaulichkeit ein Ende haben könnte. In seiner Entscheidung vom 15. 3. 20074, die pünktlich zum 10-jährigen Jubiläum der gleichlautenden Ländererlasse erging, hat der BFH anklingen lassen, dass er die Verwaltungsauffassung nach wie vor für unzutreffend hält. Es erscheint deshalb erneut an der Zeit, für Augenmaß und Zurückhaltung bei der Entwicklung neuer Rechtsgrundsätze zu plädieren.

1. Einleitung

Der Finanzverwaltung wurde seinerzeit der Vorwurf gemacht, dass es sich bei den gleichlautenden Ländererlassen vom 15. 3. 1997 um verkappte Nichtanwendungserlasse handle. Gleichwohl - ungeachtet z. T. unterschiedlicher Auffassungen - hat ihr niemand vorgeworfen, dass es sich in der Sache um eine unangemessene Reaktion gehandelt habe, die zu unzuträglichen Ergebnissen geführt hätte. In zeitlichem Zusammenhang mit der Veröffentlichung der neuen Entscheidung vom 15. 3. 2007 hat nun Viskorf, der neue Vorsitzende des II. Senats, im Rahmen der 58. Steuerrechtlichen Jahresarbeitstagung der Fachanwälte für Steuerrecht in Wiesbaden am 9. 5. 2007 seine Thesen für die Lösung einschlägiger Fallgestaltungen vorgetragen5. Die Diskussion in den 90er-Jahren erweckte vielfach den Eindruck, dass es allein um die Frage gehe, ob bei den einschlägigen Gestaltungen6 überhaupt ein steuerbarer Erwerb vorliege. Dies war und ist, wie die durch die Entscheidung vom 15. 3. 2007 erneut angestoßene Diskussion zeigt, offensichtlich falsch. Denn im Raum steht alternativ die Frage, ob nicht eine schenkungsteuerbare Zuwendung an die Gesellschaft anzunehmen ist, was letztlich in einer Vielzahl von Fallgestaltungen, die bislang unter schenkungsteuerlichen Aspekten gar nicht als steuerbar qualifiziert wurden, zu gravierenden Problemen führen müsste.

2. Die Thesen Viskorfs

2.1 Zuwendung eines Nichtgesellschafters an eine GmbH

Viskorf erörtert folgenden Sachverhalt7:
Fall 1:
Die Neffen N1 und N2 betreiben gemeinsam einen Handwerksbetrieb in der Rechtsform einer GmbH. Am Stammkapital der GmbH sind N1 und N2 zu je 50 % beteiligt. Als die GmbH in Liquiditätsschwierigkeiten gerät, zahlt Onkel O 2 Mio. EUR auf das Konto der GmbH und erklärt gegenüber N1 und N2, das Geld schenken zu wollen.

Grundsätzlich ist es natürlich möglich, dass eine Kapitalgesellschaft Erwerber i. S. des ErbStG ist: Sie kann Erbin, Vermächtnisnehmerin und Beschenkte sein. Leistungen eines Nichtgesellschafters an eine Gesellschaft sind nach R 18 Abs. 4 ErbStR danach zu unterscheiden, ob eine Zuwendung an die Gesellschaft oder an die Gesellschafter gewollt ist. Maßgeblich ist die Willensrichtung des Zuwendenden. Viskorf betont, dass es insoweit keine tatsächliche Vermutung gebe, während die ErbStR (R 18 Abs. 4 Satz 4) im Regelfall annehmen, dass eine Zuwendung an die Gesellschafter angestrebt wird, denn die Bereicherung eines abstrakten Rechtsgebildes dürfte wohl nur in Ausnahmenfällen gewollt sein. Problematisch ist indessen die Frage nach dem Zuwendungsgegenstand. Soll die GmbH beschenkt werden, handelt es sich um eine Geldschenkung. Sollen die Neffen bereichert werden, ist wie folgt zu unterscheiden:

(1) Ertragsteuerlich wird man eine mittelbar verdeckte Einlage annehmen, also eine Geldzuwendung an die Neffen, eine Einlage durch die Neffen in ihre GmbH und eine Zahlung durch O im abgekürzten Leistungsweg (für Rechnung der Neffen) an die GmbH. Durch diese Qualifikation wird erreicht, dass nachträgliche Anschaffungskosten der Neffen auf die GmbH-Anteile anzuerkennen sind und - sofern der Leistende Gesellschafter ist (s. u. Fall 2) - diese Anschaffungskosten auf der Gesellschafterebene quotenkongruent zugeordnet werden. Viskorf will diese Betrachtung auf die Schenkungsteuer übertragen mit der Folge, dass eine Geldzuwendung oder eine Befreiung von einer Einlageverpflichtung im Verhältnis von O zu N anzunehmen wäre. Die Bewertung müsste dann mit dem Nominalwert des zugewandten Betrags bzw. der Einlageschuld erfolgen.

(2) Demgegenüber nehmen die ErbStR eine mittelbare Zuwendung an und befinden sich damit auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des BFH zur mittelbaren Schenkung. Denn nach den Grundsätzen dieser Rechtsprechung kann Schenkungsgegenstand nicht sein, worüber der Beschenkte zu keinem Zeitpunkt frei verfügen kann. Besteuerungsgrund der
Schenkungsteuer ist eine wirtschaftliche Bereicherung des Beschenkten, die eine Verfügungsmöglichkeit des Beschenkten über den Gegenstand des schenkungsteuerlichen Erwerbs voraussetzt. Im Beispielsfall können die Neffen über das Geld zu keinem Zeitpunkt frei verfügen. Die GmbH muss den Geldzufluss als Mehrung des Gesellschaftsvermögens erfassen. Die Gesellschafter haben allein die Möglichkeit, im Rahmen des gesellschaftsrechtlich Zulässigen (§ 30 GmbHG) eine Ausschüttung zu beschließen, die dann auf einer gesellschaftsvertraglichen Grundlage beruht, so dass eine Bereicherung um zugewandtes Ausschüttungspotential (Werterhöhung des Gesellschaftsanteils) anzunehmen ist. Eine Verfügungsmöglichkeit über das Geld, die eine anderweitige Verwendung des zugewandten Betrags vor dem Eintritt der Vermögensmehrung bei der GmbH eröffnen würde, besteht infolge der unmittelbaren Zahlung an die GmbH nicht. Deshalb können die Neffen auch nicht um das Geld wirtschaftlich bereichert sein. Eine Befreiung von einer Einlageschuld setzt eine Nachschusspflicht oder aber eine Kapitalerhöhung voraus. Beides fehlt im Beispielsfall.

(3) Die These, dass die Neffen um eine Erhöhung des Werts ihrer Anteile bereichert seien (so R 18 Abs. 4 i. V. m. Abs. 6 ErbStR; dazu unter 3.2), lehnt Viskorf ab. Diese Lösung der Verwaltung beruhe nicht auf rechtlichen, sondern auf „äußerst großzügigen und wirtschaftlichen Überlegungen“, die mit der erbschaftsteuerlichen Dogmatik nicht in Übereinstimmung zu bringen seien8.

2.2 Disquotale Zuwendung eines Gesellschafters an „seine“ GmbH

Fall 2 (nach Viskorf9):
Vater (V) und Sohn (S) betreiben gemeinsam einen Handwerksbetrieb in der Rechtsform einer GmbH. Am Stammkapital der GmbH ist V zu 60 % und S zu 40 % beteiligt. Als die GmbH in Liquiditätsschwierigkeiten gerät, erbringt V aus seinem Privatvermögen eine verdeckte Einlage i. H. von 2 Mio. EUR, die in die Kapitalrücklage gebucht wird. S ist nicht leistungsfähig.

2.2.1 Auffassung der Finanzverwaltung

Die Steuerverwaltung ist der Auffassung, dass S um das auf seinen Anteil entfallende Ausschüttungspotential und damit um die Werterhöhung bereichert ist, die seine Beteiligung an der GmbH durch die verdeckte Einlage erfährt (R 18 Abs. 3 ErbStR), denn auch er kann über das an die GmbH gezahlte Geld nicht unmittelbar verfügen, sondern lediglich über das ihm zugewandte Ausschüttungspotential. Ein entsprechendes Ergebnis würde im Fall einer Personengesellschaft gelten, wenn die Einlage nicht in einem personenbezogenen Kapitalkonto, sondern in einer gesamthänderisch gebundenen Rücklage gebucht würde10. Der einzige Unterschied besteht darin, dass im Beispiel zwischen dem Schenker und dem Beschenkten ein - schenkungsteuerlich - eigenständiger Rechtsträger (GmbH)11 steht, der aber bei einer wertenden Betrachtung an dem Zuwendungsvorgang nur mittelbar, also als Zuwendungsmittler beteiligt ist und in diesem Sinn instrumentalisiert wird, während eine Personengesellschaft nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht Erwerber im erbschaft-/schenkungsteuerlichen Sinn sein kann.

2.2.2 Auffassung Viskorfs

Viskorf verweist zunächst auf die Rechtsprechung des BFH aus den 90er-Jahren12. Bereichert könne nicht S sein, sondern allein die GmbH, der das Gesellschaftsvermögen ausschließlich zuzuordnen sei. Die Erhöhung des Werts des Geschäftsanteils des S trete reflexartig als zwangsläufige Folge der verdeckten Einlage ein und könne nicht Gegenstand einer freigebigen Zuwendung an S sein. Diese Werterhöhung sei vielmehr Ausfluss der bereits vor der Einlage bestehenden Gesellschaftsbeteiligung. Substantiell sei das Vermögen des Gesellschafters S nicht erhöht.
Ein andere Beurteilung komme nur in Betracht, wenn der Sachverhalt dahin zu würdigen sei, dass V den eingelegten Betrag im Umfang der Beteiligungsquote für Rechnung des S eingelegt habe. In diesem Fall handle es sich um eine Zuwendung des eingelegten Betrags an S (Geldschenkung oder Befreiung von einer Einlageverpflichtung; Bewertung mit dem Nominalwert) wie bei der von Viskorf vorgeschlagenen Lösung des Falles 1 (mittelbar verdeckte Einlage).

2.2.3 Schenkung an die Gesellschaft?

Liegen die Voraussetzungen nicht vor, die die Annahme einer Einlage für Rechnung des S belegen, könne es sich um eine schenkungsteuerbare Zuwendung an die GmbH selbst handeln.

(1) Die Verwaltung hat dies in der Vergangenheit bei Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft stets ausgeschlossen und auf die ständige Rechtsprechung des BFH verwiesen, die bei Leistungen, die in einem rechtlichen Zusammenhang mit einem Gemeinschaftszweck stehen, eine freigebige Zuwendung ausgeschlossen hatte (R 18 Abs. 2 ErbStR)13.

(2) Nach Viskorf setzt dieser Zusammenhang mit einem Gemeinschaftszweck aber voraus, dass die Gesellschafterleistung geschuldet ist, also eine darauf gerichtete Leistungsverpflichtung besteht. Bei außerordentlichen oder überobligatorischen (z. B. disquotalen) Gesellschafterleistungen, die nicht gesellschaftsvertraglich geschuldet oder nicht durch Beschluss oder sonstige Absprachen allen Gesellschaftern auferlegt sind, fehle es an dem erforderlichen Zusammenhang zwischen der Leistung und dem Gesellschaftszweck und an der Vergleichbarkeit mit einer Leistung, die rechtlich einer Gegenleistung gegenübersteht oder zur Erfüllung einer Verbindlichkeit erfolgt. Damit ist die verdeckte Einlage mangels Einlageverpflichtung schenkungsteuerbar.

(3) Daraus resultiert die weitere Frage, ob die verdeckte Einlage in vollem Umfang oder nur in dem Umfang steuerbar ist, in dem sie anteilig auf die Beteiligung des S entfällt. Hier wäre es nach der Auffassung von Viskorf - ungeachtet der Begründung -
jedenfalls nicht sachgerecht, auch den Teil der verdeckten Einlage der Schenkungsteuer zu unterwerfen, der anteilig auf die Beteiligung des V an der Kapitalrücklage entfällt.

(4) Abschließend empfiehlt Viskorf zur Vermeidung einer Besteuerung einer verdeckten Einlage im Verhältnis zur Gesellschaft (StKl. III), durch Vereinbarung oder ausdrückliche Erklärung des Schenkers klarzustellen, dass die Einlage anteilig für Rechnung der anderen Gesellschafter erfolge.

2.3 Die Folgen der Auffassung Viskorfs

Die Auffassung Viskorfs lässt steuerliche Nachteile in zweierlei Hinsicht befürchten:

(1) Zunächst muss damit gerechnet werden, dass - sofern eine Zuwendung im Verhältnis zu den Gesellschaftern angenommen wird - die Bewertung nicht mehr nach den für die Bewertung von Anteilen geltenden Bewertungsbestimmungen erfolgen kann, sondern mit dem Nominalwert der (Geld-)Zuwendung. Dieser Nachteil dürfte sich nach der Umsetzung der Entscheidung des BVerfG vom 7. 11. 200614 relativieren.

(2) Der zweite und besonders gravierende Nachteil dürfte darin zu sehen sein, dass jedwede disquotale oder quoteninkongruente Gesellschafter-, aber auch Gesellschaftsleistung als schenkungsteuerbar anzusehen ist. Das dürfte insbesondere für Sanierungsleistungen der Gesellschafter (Verzicht auf Gesellschafterdarlehen) gelten, aber auch für verdeckte Gewinnausschüttungen, die typischerweise disquotal erfolgen. Da es für das Maß der Inkongruenz nicht auf Steuerwerte (steuerbilanzielle Buchwerte) ankommt, sondern auf Verkehrswerte, dürften auch Einbringungsfälle im familiären Umfeld in deutlich größerem Umfang als bislang von den Folgen einer eventuellen Rechtsprechungsänderung betroffen sein.

Fall 3 (Abwandlung von Fall 2):
Im Hinblick auf die schlechte Eigenkapitalsituation der Gesellschaft verzichtet V auf das der GmbH gewährte Gesellschafterdarlehen i. H. von 2 Mio. EUR. Die Darlehensforderung des V hat im Zeitpunkt des Verzichts einen Wert von 1 Mio. EUR.

Die GmbH erzielt durch den Darlehensverzicht eine Vermögensmehrung i. H. von 2 Mio. EUR, die i. H. von 1 Mio. EUR durch eine verdeckte Einlage des V neutralisiert wird. Die GmbH hat demnach 1 Mio. EUR zu versteuern (Steuersatz 40 %: 400 000 EUR)15. Zugleich handelt es sich um eine disquotale Gesellschafterleistung an die GmbH, deren Wert zu 40 % auf S entfällt. Folgt man der Auffassung Viskorfs, unterliegt die Gesellschafterleistung insoweit der Schenkungsteuer, wobei es auch für die Höhe der Bemessungsgrundlage darauf ankommen dürfte, ob die GmbH oder S bereichert werden sollen. Nimmt man eine Bereicherung der GmbH an, wird man eine Bereicherung um 40 % von 2 Mio. EUR annehmen müssen (Befreiung von einer Verbindlichkeit, StKl. III, Steuersatz 35 %, Steuer 280 000 EUR16). Nimmt man eine Bereicherung des S an (mittelbar verdeckte Einlage17), wäre eine Bereicherung des S um 40 % von 1 Mio. EUR anzunehmen (anteilige Zuwendung der einzulegenden Forderung an S; StKl. I, Steuersatz 15 %, Steuer 60 000 EUR18).
In der Summe würde sich die Steuerbelastung - zusätzlich zum Wertverlust des Darlehens und der Einlage i. H. von zusammen 2 Mio. EUR - addieren auf 680 000 EUR (68 % bei Annahme einer Bereicherung der GmbH) bzw. 460 000 EUR (46 % bei Annahme einer Bereicherung des S). Insbesondere das Ergebnis der ersten Variante, das nach der Auffassung Viskorfs wohl eher zu befürchten wäre, dürfte die Neigung des V, die GmbH zu sanieren, nicht unbedingt positiv beeinflussen.

Fall 4 (Abwandlung von Fall 2):
Eine GmbH gewährt ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer A (Beteiligungsquote 60 %) ohne vorherige Vereinbarung eine Tantieme i. H. von 1 Mio. EUR.

Die Tantieme mindert als verdeckte Gewinnausschüttung nicht den Gewinn der GmbH, so dass sich deren Gewinn um 1 Mio. EUR erhöht. Bei einer Steuerbelastung von 40 % resultiert daraus eine Erhöhung der Steuerlast um 400 000 EUR. Zusätzlich unterliegt diese Gesellschaftsleistung in dem Umfang, in dem sie überquotal erfolgt (40 %), der Schenkungsteuer (StKl. III, Steuersatz 29 %, Steuer 116 000 EUR19). Zur Steuerlast je nach ertragsteuerlicher Qualifizierung (Betriebsausgabenabzug bei der GmbH und Arbeitslohn bei A vs. Gewinnerhöhung bei der GmbH und Halbeinkünfteverfahren bei A) würde die schenkungsteuerliche Belastung hinzutreten. Verdeckte Gewinnausschüttungen würden damit in besonderer Weise mit schenkungsteuerlichen Sanktionen belegt.

3. Würdigung der Thesen Viskorfs

3.1 Maßgeblichkeit der Willensrichtung des Leistenden

Für zutreffend halte ich den Ausgangspunkt Viskorfs, wonach die Willensrichtung des Leistenden dafür maßgebend sein muss, in welchem Verhältnis eine Bereicherung anzunehmen ist. Ist diese Zuwendungsbeziehung festgestellt, so hat diese Feststellung eine positive und eine negative Wirkung: Sie stellt positiv fest, in welchem Verhältnis eine Zuwendung anzunehmen ist und schließt es zugleich aus, eine steuerbare Zuwendung in einem anderen Verhältnis anzunehmen. Zielt also eine verdeckte Einlage auf eine Bereicherung des oder der Mitgesellschafter, so kann nicht zugleich eine steuerbare Zuwendung zwischen einlegendem Gesellschafter und Gesellschaft angenommen werden. Dieser Weg ist auch dann ausgeschlossen, wenn es im Verhältnis zwischen den Gesellschaftern nicht zu einer Besteuerung kommen kann, etwa dann, wenn der BFH den Thesen Viskorfs folgen würde und eine mittelbare Bereicherung der Mitgesellschafter deshalb nicht besteuern wollte, weil er die Erhöhung des Werts der Anteile dieser Gesellschafter nicht für steuerbar hält (vgl. dazu unten 3.3). Nach wie vor bin ich allerdings - in Übereinstimmung mit R 18 ErbStR - der Meinung, dass gerade im familiären Umfeld es eher nahe liegt, dass die Leistung an die Gesellschaft auf eine Bereicherung der (Mit-)Gesellschafter abzielt, als auf eine Bereicherung eines abstrakten Rechtsgebildes.

3.2 Keine mittelbar verdeckte Einlage im Schenkungsteuerrecht

Für unzutreffend halte ich - aus den bereits dargelegten Gründen20 - die These, die Figur der mittelbar verdeckten Einlage sei in das Schenkungsteuerrecht übertragbar. Das würde - in der Zeit vor der Leistung an die Gesellschaft - eine im Verhältnis zum Einlegenden/Schenker bestehende freie Verfügungsmöglichkeit über das Einlagesubstrat voraussetzen, die offensichtlich nicht gegeben ist. Es fehlt insoweit an einer wirtschaftlichen Bereicherung des (Mit-)Gesellschafters.

3.3 Werterhöhung als Zuwendungsgegenstand?

Für unzutreffend halte ich weiter die These, dass die Werterhöhung eines bestehenden Gesellschaftsanteils deshalb nicht der Besteuerung unterliege, weil sie (1) dem bereicherten Gesellschafter im Wege eines Reflexes nicht vom Leistenden zugewandt werde, sondern ihm von der Gesellschaft zufließe und (2) als solche schon aus zivilrechtlichen Gründen nicht Gegenstand einer steuerbaren Zuwendung sein könne.

(1) Der BFH hat in der Vergangenheit wiederholt entschieden, dass die Werterhöhung eines dem Beschenkten bereits gehörenden Wirtschaftsguts Gegenstand einer steuerbaren Schenkung sein kann. Weshalb für das Wirtschaftsgut „Anteil an einer Kapitalgesellschaft“ etwas anderes gelten soll als für eine Immobilie oder für einen Anteil an einer Personengesellschaft, ist nicht einzusehen. So hat der II. Senat etwa in der Entscheidung vom 13. 3. 199521, auf die seinerzeit die Verwaltungsauffassung gestützt worden war, ausgeführt:

„Liegt nach den vorstehenden Ausführungen eine mittelbare Grundstücksschenkung in Gestalt eines teilfinanzierten Gebäudeanbaus vor, bestimmt sich der der Schenkungsteuerveranlagung zugrunde zu legende Wert nach dem bewertungsrechtlich zu ermittelnden Wertzuwachs.“

In der Entscheidung vom 6. 3. 200222 formulierte der BFH:

„Ebenso wie ein Kommanditanteil Gegenstand einer (mittelbaren) Schenkung sein kann […], kann auch die Werterhöhung eines Kommanditanteils (mittelbar) schenkweise erfolgen. Die Grundsätze der mittelbaren (Anteils-)Schenkung können auch auf anteilsbezogene Verwendungen - wie etwa die Zahlung von Nachschüssen -, die vom Zuwendenden übernommen werden, Anwendung finden, denn die Bereicherung des Beschenkten wirkt sich auch in diesem Fall in der Kommanditbeteiligung aus.“

Der einzige Unterschied zu den vorliegend zu beurteilenden Fällen liegt darin, dass in die Leistungsbeziehungen ein weiterer Beteiligter mit der schenkungsteuerlichen Befähigung zum Erwerber, nämlich die GmbH, einbezogen ist. Ansonsten können die zitierten Grundsätze nahtlos auf die Fälle disquotaler Gesellschafterleistungen bei Kapitalgesellschaften übertragen werden. Dann aber stellt sich die Frage, ob dieser Unterschied eine Abkehr von der zitierten Betrachtung rechtfertigen kann. M. E. ist das nicht der Fall. Es kommt aus schenkungsteuerlicher Sicht gar nicht darauf an, welcher Mittel oder Vehikel sich der Zuwendende zur Erreichung des Zuwendungserfolgs bedient. Entscheidend ist allein, dass er in Kenntnis der Unentgeltlichkeit aus seinem Vermögen eine Bereicherung des Beschenkten erreicht; der gewählte Weg ist vollkommen irrelevant. Denn wenn man dem Ausgangspunkt Viskorfs folgt, dass es auf die Willensrichtung des Schenkers ankommt, wen er bereichern will, ist damit die Grundlage dafür gelegt, dass bei einem entsprechenden Willen eine Schenkung (nur) im Verhältnis zum beschenkten (Mit-)Gesellschafter angenommen werden kann. Die Annahme einer Schenkung im Verhältnis zur Gesellschaft scheidet dann definitiv und endgültig aus. Dies gilt für die Viskorfschen Beispielsfälle 1 und 2 in gleicher Weise. Wenn aber einerseits eine Schenkung nur im Verhältnis zwischen Schenker und Beschenktem in Betracht kommt und andererseits der ertragsteuerliche Weg einer mittelbar verdeckten Einlage eben an der Anwendung der Grundsätze zur mittelbaren Schenkung scheitern muss, dann bleibt nur der Weg, die Werterhöhung als solche zu besteuern, denn andernfalls gibt es nichts zu besteuern. Dieses Ergebnis wäre mit dem allein ergebnisorientierten Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht zu vereinbaren.
In diesem Sinn ist an der These festzuhalten, dass es sich um eine zweifach mittelbare Zuwendung handelt: mittelbar einerseits in dem Sinn, dass Entreicherungs- und Bereicherungsgegenstand nicht identisch sind und mittelbar andererseits in dem Sinn, dass sich der Schenker des Mediums der Kapitalgesellschaft bedient und diese dazu instrumentalisiert, mittelbar - nämlich vermittelt durch die Kapitalgesellschaft - eine Bereicherung des Beschenkten zu erreichen. Es kann deshalb keine Rede davon sein, dass die Vermögensmehrung des Beschenkten lediglich auf einer nicht steuerbaren Reflexwirkung seiner Einlage beruhe; wer diesen „Reflex“ bewusst und gezielt initiiert, um auf diese Weise eine Bereicherung des Beschenkten zu erreichen, bereichert diesen freigebig aus seinem Vermögen. Das ist keine großzügige Betrachtung, sie ist auch nicht lediglich wirtschaftlich begründet, sie folgt vielmehr aus der Struktur des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und ist mit dieser Vorschrift und auch mit der Rechtsprechung des BFH zur mittelbaren Schenkung einerseits und zur (mittelbaren) Zuwendung von Werterhöhungen (vgl. die vorstehenden Zitate) bestens vereinbar.
Der Umstand, dass der Bereicherungsmittler, nämlich die Kapitalgesellschaft, selbst rechtsfähig und damit Träger ihres Gesellschaftsvermögens ist, steht dieser Würdigung nicht entgegen. Denn es ist zu unterscheiden zwischen dem Vermögen der Kapitalgesellschaft und dem Vermögen des Gesellschafters, zu dem der Gesellschaftsanteil gehört. Dabei handelt es sich um völlig getrennte Rechtsobjekte.

(2) Viskorf vertritt auch die These, dass es schon zivilrechtlich ausgeschlossen sei, dass die Werterhöhung eines dem Beschenkten bereits gehörenden Gegenstands Substrat einer Schenkung sein könne23. Diese These ist m. E. überaus fragwürdig; zu Recht hat sich der BFH in der Vergangenheit - vgl. die vorstehenden Zitate - an dieser These nicht aufgehalten. Selbst wenn sie zutreffen würde, müsste man die Frage stellen, ob sie mit dem Besteuerungsgrund der Schenkungsteuer vereinbar ist, der die wirtschaftliche Bereicherung des Beschenkten erfassen will. Der Begriff der wirtschaftlichen Bereicherung setzt zum einen eine Verfügungsmöglichkeit über den Bereicherungsgegenstand voraus und ist insoweit enger als ein lediglich formaler Bereicherungsbegriff, er muss aber andererseits auch sicherstellen, dass das Schenkungsteuerrecht seine Aufgabe erfüllen kann, unentgeltliche Vermögenstransfers effektiv zu erfassen. Deshalb kann die Steuerbarkeit eines Vermögenstransfers, dessen wirtschaftliche Wirkungen ja gar nicht bestritten werden, nicht daran scheitern, dass - angeblich - nach zivilrechtlichen Kategorien Werterhöhungen in Gesellschaftsanteilen nicht Gegenstand einer Schenkung sein können.
Viskorf beruft sich in einem Beitrag aus dem Jahr 1998 auf eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 198724. Dort formuliert der BGH wie folgt:
„Sie [die Schenkung i. S. der § 516 ff. BGB] setzt eine Zuwendung voraus, durch die der Schenker die Substanz seines Vermögens vermindert und das Vermögen des Beschenkten entsprechend vermehrt (vgl. … BGH v. 11. 12. 1981, V ZR 247/80, NJW 1982, 820; … BGH v. 8. 7. 1982, IX ZR 99/80, NJW 1982, 2236).“
Aus dieser Formulierung abzuleiten, nur eine substantielle Bereicherung, also nur die Bereicherung um zuvor beim Beschenkten nicht vorhandene Vermögenssubstanz erfülle den Tatbestand der Schenkung, erscheint kühn. Die Formulierung des BGH kann ohne weiteres auch dahin verstanden werden, dass lediglich eine korrespondierende Vermögensmehrung jeder Art
beim Beschenkten ausreicht. Die in dem Zitat erwähnten weiteren Entscheidungen des BGH geben für die These Viskorfs nichts her, was auch den Schluss nahe legt, dass der BGH seine Formulierung anders gemeint hat, als Viskorf sie interpretiert. Auch der zivilrechtlichen Literatur zum Schenkungsrecht lässt sich die These Viskorfs nicht entnehmen. Dort wird zwar ausgeführt, dass die Entreicherung des Schenkers eine Minderung seiner gegenwärtiger Vermögenssubstanz erfordere25. Aber schon zu der im vorliegenden Kontext nahe liegenden Frage, ob darunter auch eine bloße Wertminderung vorhandener Vermögenssubstanz fallen könnte, findet man keine Aussage. Auf der Seite des Beschenkten stellt sich der Befund noch zweifelhafter dar. Dort ist zu lesen, dass lediglich eine objektive Vermögensmehrung erforderlich sei, die anhand einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise festzustellen sei. Dazu bedürfe es u. U. einer eingehenden Bewertung26. Und weiter27:
„Der Wortlaut des § 516 Abs. 1 BGB verlangt in seinem objektiven Tatbestand nur eine Vermögenszuwendung, die zu einer Vermögensminderung bei dem einem und zu einer Vermögensmehrung bei dem anderen Vertragspartner führt.“
Ein ähnlicher Befund ergibt sich bei der Lektüre anderer Literaturäußerungen28. Kritisch zur Viskorfschen These äußert sich insbesondere auch Gottschalk im Rahmen seiner Disserta-tion29. Insgesamt scheint mir die These, das Schenkungsrecht schließe die Annahme der Schenkung einer Werterhöhung aus, nicht begründet. Weder der Rechtsprechung des BGH noch der zivilrechtlichen Literatur ist diese These mit einer Eindeutigkeit zu entnehmen, die eine sachgerechte Lösung der einschlägigen Sachverhalte im Bereich des Schenkungsteuerrechts in irgendeiner Weise präjudizieren könnte.

3.4 Gesellschaftsvertragliche Veranlassung und Freigebigkeit

Für zu weit gehend halte ich auch die von Viskorf vertretene Einengung des Merkmals „im Zusammenhang mit einem Gemeinschaftszweck“ auf solche Leistungen, die gesellschaftsvertraglich geschuldet werden und die daraus abgeleitete Konsequenz, überquotale Gesellschafter- oder Gesellschaftsleistungen jedenfalls dann im Verhältnis zur Gesellschaft der Schenkungsteuer zu unterwerfen, wenn nicht eine Zuwendung unter den beteiligten Gesellschaftern anzunehmen ist (s. o. die Fälle 3 und 4).

3.4.1 Maßgeblichkeit einer durchsetzbaren Leistungsverpflichtung?

Es kann nicht richtig sein, derartige Leistungen allein deshalb als unentgeltlich zu qualifizieren, weil ihnen keine durchsetzbare Leistungsverpflichtung zugrunde liegt. Denn dann wäre dieses Kriterium schlicht überflüssig, weil es bereits durch die anderen Kriterien abgedeckt wird, die der BFH in ständiger Rechtsprechung zur Abgrenzung freigebiger Zuwendungen heranzieht30.

[i]3.4.2 Förderung des Gesellschaftszwecks schließt Freigebigkeit aus

Leistungen des Gesellschafters an seine Gesellschaft sind deshalb nicht freigebig, weil sie auf die Verfolgung des Gesellschaftszwecks gerichtet sind und diesen fördern sollen. Der Gesellschafter ist an der Gesellschaft beteiligt, um in dieser Gesellschaft und mittels dieser Gesellschaft den Gesellschaftszweck zu verfolgen. Der Gesellschaftszweck ist zwar Zweck der Gesellschaft, aber zugleich auch ein eigener wirtschaftlicher Zweck des Gesellschafters, den dieser mittels seiner Gesellschaftsbeteiligung und seines Engagements in der Gesellschaft verfolgt. Soweit eine überquotale Gesellschafterleistung dieser Zielsetzung zugeordnet werden kann, ist die Annahme einer Schenkung ausgeschlossen31. Verfolgt der Gesellschafter andere Ziele - etwa die Bereicherung der Mitgesellschafter - so liegt eine Schenkung an die Gesellschaft gleichfalls nicht vor, sondern eine Schenkung an die Mitgesellschafter.
Im Fall einer Vereinsmitgliedschaft oder bei einer Publikumsgesellschaft mag dies anders zu sehen sein - dort ist die Zweckförderung sehr viel stärker dem Verein zugeordnet; die persönliche Zweckförderungspflicht ist in einer völlig anderen Art und Weise formalisiert und bei einem Vereinsmitglied typischerweise auf satzungsmäßige Beitragspflichten beschränkt; bei einer AG spielen die Zweckförderungspflichten eines Minderheitsaktionärs keine erwähnenswerte Rolle. Deshalb ist es m. E. schon im Ansatz zweifelhaft, neue Rechtsprechungstendenzen anhand des für die vorliegende Problematik vollkommen untypischen Falls eines Vereins mit wirtschaftlichem Geschäfts-betrieb32 zu entwickeln. Bei personalistisch strukturierten und unmittelbar dem Unternehmen der Kapitalgesellschaft verbundenen Familiengesellschaftern stellt sich diese Situation völlig anders dar. Hier ist das persönliche Engagement für die Erreichung der Unternehmensziele geradezu unverzichtbar für den Erhalt des Familienunternehmens in dieser Struktur.

3.4.3 Doppelbesteuerung EStG/ErbStG

Ein weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu: Nach der Rechtsprechung des BVerfG besteuert die Erbschaft-/Schenkungsteuer den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit durch unentgeltliche Erwerbe. Aus dieser Einordnung der Erbschaft-/Schenkungsteuer leitet das BVerfG den Zwang zur Bewertung mit verkehrswertnahen Werten ab. Diese Ableitung qualifiziert die Erbschaft-/Schenkungsteuer als eine Einkommensteuer, die ergänzend neben das EStG tritt, um auch den nicht am Markt erwirtschafteten, sondern unentgeltlich erworbenen Leistungsfähigkeitszuwachs zu besteuern. Aus diesem Verhältnis beider Steuern folgt m. E. die verfassungsrechtliche Pflicht, eine Besteuerung des nämlichen Besteuerungssubstrates durch beide Steuern zu vermeiden. Die Besteuerung durch eine dieser beiden Steuern verbraucht den insoweit erfassten Leistungsfähigkeitszuwachs für Zwecke jeder auf dieses Besteuerungssubstrat zugreifenden Steuer. Es ist mit einer aus verfassungsrechtlichen Gründen zwingend an der Leistungsfähigkeit zu orientierenden Besteuerung nicht vereinbar, den nämlichen Leistungsfähigkeitszuwachs sowohl der Einkommen-, als auch der Erbschaft-/Schenkungsteuer zu unterwerfen.
Hieraus folgt der Zwang, eine doppelte Besteuerung des nämlichen Vorgangs sowohl bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer einerseits als auch bei der Einkommensteuer andererseits zu vermeiden. Das mag in erster Linie ein verfassungsrechtlicher Auftrag an den Gesetzgeber sein, durch Befreiungen in § 3 EStG oder § 13 ErbStG (etwa nach dem Vorbild der § 3 Nr. 2 GrEStG, § 4 Nr. 9 UStG) und - soweit der Besteuerungszugriff durch verschiedene Anlässe ausgelöst wird33 - durch eine Anrechnung von Bemessungsgrundlagen34 eine mehrfache Besteuerung des nämlichen
Besteuerungssubstrats zu vermeiden. Das in vielfacher Hinsicht unterschiedliche Besteuerungssystem beider Steuerarten schließt aber auch nicht aus, die zentralen Abgrenzungskriterien, nämlich die Begriffe der Unentgeltlichkeit oder des (betrieblichen) Veranlassungszusammenhangs, der im Grunde nichts anderes besagt, als dass der betreffende Leistungsfähigkeitszuwachs der Kategorie der am Markt erzielten und deshalb der Einkommensteuer unterliegenden Einnahmen zuzuordnen ist, so auszulegen, dass Überschneidungen beider Steuerarten weitgehend vermieden werden. Wenn es richtig ist, dass die Verpflichtung zur Vermeidung einer mehrfachen Besteuerung des nämlichen Besteuerungssubstrats aus der zwingenden Orientierung der Besteuerung an der Leistungsfähigkeit folgt, besteht auch eine Verpflichtung für Steuerverwaltung und Rechtsprechung, bestehende Spielräume für eine verfassungskonforme Auslegung in diesem Sinne zu nutzen. Wer die Änderungen vermeintlich festgefügter und ständiger Rechtsprechung des BFH in den letzten Jahren erlebt hat - in naher Zukunft dürfte sich das kaum ändern -, der wird kaum glauben können, dass es derartige Spielräume nicht gibt.
Für die hier zu erörternde Frage folgt daraus, dass die Rechtsprechung bei der Auslegung des Schenkungsteuerrechts auch darauf Bedacht zu nehmen hat, wie die Einkommensteuer einschlägige Sachverhalte qualifiziert. Wenn die Einkommensteuer ausdrücklich die Erwirtschaftung eines Leistungsfähigkeitszuwachses dem am Markt erzielten Einkommen zuordnet, dann kann es sich nicht zugleich um einen unentgeltlichen Leistungsfähigkeitszuwachs i. S. des ErbStG handeln. Wenn die Erbschaft-/Schenkungsteuer kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung Erwerbe durch Vermächtnis als erbschaftsteuerbar qualifiziert (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), folgt daraus eine zwingende Erfassung bei der Erbschaftsteuer und korrespondierend das Gebot, derartige Erwerbe im Auslegungsweg von der Qualifizierung als einkommensteuerbare oder -pflichtige Betriebseinnahme auszu-nehmen35. Umgekehrt gilt dasselbe etwa für die Qualifizierung einer verdeckten Einlage (§ 6 Abs. 6 Satz 2 EStG) im Verhältnis zwischen einlegendem Gesellschafter und Gesellschaft, aber auch für die Qualifizierung einer verdeckten Gewinnausschüttung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Wenn das EStG kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung eine gesellschaftsvertragliche Veranlassung für die Annahme am Markt erwirtschafteter Einnahmen ausreichen lässt, muss das ein hinreichender Grund dafür sein, den dadurch ausgelösten Leistungsfähigkeitszuwachs von der Schenkungsteuer auszunehmen. Wenn die Gesellschaft entgeltlich erwirbt (§ 6 Abs. 6 Satz 2 EStG), kann sie nicht zugleich unentgeltlich erwerben (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Diese Sicht schließt es indessen nicht aus, etwa im Fall der verdeckten disquotalen Einlage im Verhältnis zwischen einlegendem Gesellschafter und bereichertem Mitgesellschafter eine schenkungsteuerbare Zuwendung anzunehmen.

4. Fazit

Die zentrale Frage besteht unverändert darin, ob die Erhöhung des Werts eines Anteils an einer GmbH durch die Anreicherung des Gesellschaftsvermögens um zusätzliches Ausschüttungspotential Gegenstand einer steuerbaren (mittelbaren) Schenkung i. S. des ErbStG sein kann. Dies hat der BFH bei Grundstücken und bei Kommanditanteilen in der Vergangenheit angenommen; weshalb dies bei Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht gelten soll, ist nicht zu verstehen. Allein der Umstand, dass Träger des Gesellschaftsvermögens ein selbständiges Rechts- und Steuersubjekt ist, steht der Steuerbarkeit der Zuwendung einer Werterhöhung nicht entgegen. Die These Viskorfs, verdeckte Einlagen und verdeckte Gewinnausschüttungen seien in dem Umfang, in dem sie überquotal erfolgen, als steuerbare Schenkung im Verhältnis zwischen dem jeweiligen Gesellschafter und der Gesellschaft zu erfassen, ist unzutreffend. Auch soweit sie überquotal geleistet werden, sind diese Leistungen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und erfolgen deshalb nicht freigebig. Gesetzgeber, aber auch Rechtsprechung und Steuerverwaltung sind kraft des verfassungsrechtlichen Gebots, die Besteuerung an der Leistungsfähigkeit auszurichten, verpflichtet, eine doppelte Besteuerung des nämlichen Besteuerungssubstrates sowohl durch die Erbschaft-/Schenkungsteuer als auch durch andere Ertragsteuern zu vermeiden. Diese Gefahr einer doppelten Besteuerung besteht in der Folge des Urteils des BVerfG vom 7. 11. 200636 in erheblichem Umfang.
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1 Vgl. die ausf. Nachw. bei Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn. 200.

2 BFH v. 25. 10. 1995, II R 67/93, BStBl II 1996, 160, DStR 1996, 379, ZEV 1996, 153 (Zinsverzicht zugunsten eines Gesellschafters); v. 17. 4. 1996, II R 16/93, BStBl II 1996, 454, DStR 1996, 1165, ZEV 1996, 317 (Vermächtnis zugunsten einer Kapitalgesellschaft); v. 19. 6. 1996, II R 83/92, BStBl II 1996, 616, DStR 1996, 1563, ZEV 1996, 396 m. Anm. Klein-Blenkers (Beteiligung an einer GmbH gegen eine deren Wert nicht deckende Einlage).

3 BStBl I 1997, 350.

4 II R 5/04, DStR 2007, 799, ZEV 2007, 285 m. Anm. Viskorf. Zu den Auswirkungen der Entscheidung für Vereine vgl. Eggers, DStR 2007, 1752.

5 Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht e. V., 58. Steuerrechtliche Jahresarbeitstagung 2007, S. 452 ff. der Arbeitsunterlage.

6 Vgl. dazu die nicht abschließende Darstellung in H 18 ErbStH.

7 A. a. O., (Fn. 5).

8 A. a. O., (Fn. 5), S. 453.

9 A. a. O., (Fn. 5), S. 453 ff.

10 Vgl. § 264c Abs. 2 HGB; BMF-Schrb. v. 26. 11. 2004, IV B 2 - S 2178 - 2/04, BStBl I 2004, 1190, DStR 2005, 26, ZEV 2005, 19.

11 Die Rechtsprechung des II. Senats zeigt gegenwärtig (noch) keine Tendenzen, auch Personengesellschaften in erbschaft-/schenkungsteuerlicher Hinsicht die Erwerberfähigkeit zuzuerkennen. Zur Problematik vgl. Hübner, in: Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, ErbStG, 2. Aufl. 2004, § 3 Rn. 9 f.

12 Vgl. Fn. 2.

13 Vgl. etwa BFH v. 1. 7. 1992, II R 70/88, BStBl I 1992, 921, DStR 1992, 1279: „Nach gesicherter Rechtsprechung des erkennenden Senats zielt das subjektive Tatbestandsmerkmal der freigebigen Zuwendung (§ 7 Abs.1 Nr.1 ErbStG 1974) nicht auf die Bereicherung des Bedachten ab, sondern bezieht sich auf die Unentgeltlichkeit der Zuwendung, nämlich darauf, ob die Zuwendung in rechtlichem Zusammenhang mit einer Gegenleistung (oder einem Gemeinschaftszweck) steht oder zur Erfüllung einer bestehenden Verbindlichkeit (sei es auch einer Naturalobligation) erfolgt (BFH v. 12. 7. 1979, II R 26/78, BStBl II 1979, 631, NJW 1980, 256, und v. 5. 12. 1990, II R 109/86, BStBl II 1991, 181, DStR 1991, 380; vgl. auch BGH v. 14. 7. 1971, III ZR 91/70, WM 1971, 1338 zu B.II. der Gründe, sowie Kollhosser, in: MüKo-BGB, 2. Aufl., § 516 Rn. 10).“ - BFH v. 24. 8. 2005, II R 28/02, DStR 2006, 178, ZEV 2006, 41 m. Anm. Münch: „Nach ständiger Rechtsprechung ist der Erwerb eines zugewendeten Gegenstandes, auf den kein Rechtsanspruch besteht, unentgeltlich, wenn er nicht rechtlich abhängig ist von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers. Dabei kommen als rechtliche Abhängigkeit, welche die Unentgeltlichkeit ausschließt und die Entgeltlichkeit begründet, Verknüpfungen sowohl nach Art eines gegenseitigen Vertrages als auch durch Setzung einer Bedingung oder eines entsprechenden Rechtszwecks in Betracht (vgl. grundlegend BFH v. 2. 3. 1994, II R 59/92, BStBl II 1994, 366, DStR 1994, 615, ZEV 1994, 188).“

14 1 BvL 10/02, BStBl I 2007, 192, DStR 2007, 235, ZEV 2007, 76 m. Anm. Piltz.

15 Vorbehaltlich eventueller Billigkeitsmaßnahmen, vgl. BMF v. 27. 3. 2003, IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl I 2003, 240, DStR 2003, 690.

16 Der persönliche Freibetrag ist aus Vereinfachungsgründen nicht berücksichtigt.

17 Zur Problematik dieser These vgl. bereits oben 2.1.

18 Der persönliche Freibetrag ist aus Vereinfachungsgründen nicht berücksichtigt.

19 Der persönliche Freibetrag ist aus Vereinfachungsgründen nicht berücksichtigt.

20 Vgl. oben unter 2.1.

21 II R 51/95, BStBl II 1996, 548, DStR 1996, 961, ZEV 1996, 238.

22 II R 85/99, ZEV 2002, 427.

23 Viskorf, DStR 1998, 150.

24 BGH v. 1. 7. 1987, IVb ZR 70/86, NJW 1987, 2816.

25 Vgl. etwa Kollhosser, in: MüKo-BGB, 4. Aufl. 2004, § 516 Rn. 4.

26 Kollhosser, (Fn. 25), § 516 Rn. 8.

27 Kollhosser, (Fn. 25), § 516 Rn. 10.

28 Staudinger/Wimmer-Leonhardt, BGB, Neubearb. 2005, § 516 Rn. 26 ff.

29 Gottschalk, Leistungen in das Gesellschaftsvermögen einer GmbH als freigebige Zuwendung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, 2001, S. 335, 462.

30 Fn. 13.

31 Ebenso Gottschalk, (Fn. 29), S. 194 f.

32 BFH v. 15. 3. 2007, II R 5/04, (Fn. 4).

33 Bsp.: Die stillen Reserven werden bei einer vorweggenommenen Erbfolge beim Beschenkten besteuert. Später veräußert der Beschenkte das durch Schenkung erworbene Vermögen.

34 Vgl. etwa § 1 Abs. 6 GrEStG; zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung durch die Gewährung einer Wertaufstockung für einkommensteuerliche Zwecke vgl. Hübner, DStR 2007, 1013, 1018 f. m. w. N.

35 Anders BFH v. 14. 3. 2006, VIII R 60/03, BStBl II 2006, 650, DStRE 2006, 962, ZEV 2006, 419 m. Anm. Crezelius mit einem allein an einkommensteuerlichen Kriterien orientierten Verständnis des betrieblichen Veranlassungszusammenhangs.

36 Fn. 14.