BAG, Urt. 19.12.2018 - 10 AZR 231/18

Mehrarbeitszuschlag für Teilzeitbeschäftigte nicht erst nach Überschreiten der regulären Vollzeit

Autor: RAin FAinArbR Daniela Range-Ditz, Dr. Ditz und Partner, Rastatt
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 06/2019
Eine tarifvertragliche Regelung, wonach Teilzeitbeschäftigte einen Mehrarbeitszuschlag erst dann erhalten, wenn sie die Stundenzahl eines Vollzeitbeschäftigten überschritten haben, verstößt gegen § 4 Abs. 1 TzBfG und ist daher unwirksam.

BAG, Urt. v. 19.12.2018 - 10 AZR 231/18

Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg - 2 Sa 1365/17

GG Art. 3 Abs. 1; TzBfG § 4; BGB § 288 Abs. 5; ArbGG § 45 Abs. 2 u. 3

Das Problem

Die in Teilzeit beschäftigte Klägerin begehrt einen Zuschlag für – unstreitig geleistete – Mehrarbeit sowie eine Verzugspauschale i.H.v. 40 € gem. § 288 Abs. 5 BGB. Das Arbeitsverhältnis unterliegt dem Manteltarifvertrag für Systemgastronomie. Danach soll als Mehrarbeit für Teilzeitkräfte mit einer vereinbarten Jahresarbeitszeit diejenige Arbeitszeit gelten, die über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit hinausgeht. Diese Mehrarbeit ist dann mit einem Zuschlag von 33 % zu vergüten. Die Beklagte wendet ein, die Klägerin habe die Arbeitszeit einer Vollzeitkraft nicht erreicht; somit seien die Voraussetzungen des § 5 Nr. 5 MTV nicht erfüllt. Zu Recht?

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG spricht der Klägerin die Mehrarbeitszuschläge zu. Die Auslegung des MTV ergebe, dass die Klägerin als Teilzeitarbeitnehmerin mit einer vereinbarten Jahresarbeitszeit Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge für die Arbeitsleistung habe, die sie über ihre einzelvertraglich vereinbarte Jahresarbeitszeit hinaus erbracht habe.

Zwar unterscheide der MTV zulässigerweise zwischen Arbeitsverträgen mit regelmäßiger Monatsarbeitszeit und solchen mit einer Jahresarbeitszeit. Allerdings stünden systematische Erwägungen einer Unterscheidung der Zuschlagspflicht bei Mitarbeitern in Teilzeit gegenüber Vollzeitbeschäftigten entgegen. Sinn und Zweck der Mehrarbeitszuschläge sei der Schutz des individuellen Freizeitbereichs. Bei Mehrarbeit am Ende eines Ausgleichszeitraums sei es stets zu einem irreversiblen Eingriff in das individuelle Freizeitvolumen gekommen. Die durch den Arbeitgeber in Anspruch genommene Freizeit könne nicht mehr zurückgewährt werden. Diese Einschränkung der Dispositionsmöglichkeit treffe Vollzeit- und Teilzeitkräfte in gleicher Weise. Dabei sei der geschützte Freizeitbereich immer bereits dann betroffen, wenn mehr als die einzelvertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht worden sei. Der MTV verstoße insoweit gegen § 4 Abs. 1 TzBfG, wenn die Arbeitnehmerin erst mit Überschreiten der für eine Vollzeittätigkeit maßgeblichen Stundenzahl Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge habe.


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