BVerfG, Urt. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17, 1 BvR 981/17

Verfassungsgemäßer Rundfunkbeitrag

Autor: RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 10/2018
Der Rundfunkbeitrag ist verfassungsgemäß. Allerdings darf der Schuldner zur Abschöpfung desselben Vorteils nicht mehrfach herangezogen werden.

BVerfG, Urt. v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17, 1 BvR 981/17

GG Art. 3, 70; RStV § 13 Satz 1

Das Problem

Durch den 15. RÄndStV wurde die nach dem RGebStV vorgesehene „Rundfunkgebühr” durch einen „Rundfunkbeitrag” aufgrund des RBStV zum 1.1.2013 ersetzt, durch den sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk neben Einnahmen aus Rundfunkwerbung vorrangig finanziert.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Einführung des Rundfunkbeitrags sei mit Ausnahme des Beitrags für Zweitwohnungen verfassungsgemäß.

Gesetzgebungskompetenz: Für die Erhebung des Rundfunkbeitrags besäßen die Länder gem. Art. 70 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz. Beim Rundfunkbeitrag in der hier zur Prüfung gestellten Ausgestaltung handle es sich finanzverfassungsrechtlich um eine nichtsteuerliche Abgabe und nicht um eine Steuer (vgl. Art. 105 GG, § 3 Abs. 1 AO). Beiträge unterschieden sich von Gebühren dadurch, dass sie bereits für die potentielle Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder Leistung erhoben würden. Auch wenn Rundfunk von fast allen Personen empfangen werden könne und die Abgabe deshalb von einer Vielzahl von Abgabepflichtigen entrichtet werden müsse, verliere sie nicht den Charakter eines Beitrags (vgl. Befreiung bei unmöglichem Empfang gem. §§ 4 Abs. 6 Satz 1, 5 Abs. 5 Nr. 2 RBStV).

Grundsatz der Belastungsgleichheit: Differenzierungen bedürften nach Art. 3 Abs. 1 GG stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen seien. Dabei gelte ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Regelungsbereichen und Freiheitsrechten sowie einer Annäherung an die Kriterien des Art. 3 Abs. 3 GG bestimmen ließen.

Individueller Vorteil: Auch eine unbestimmte Vielzahl oder sogar alle Bürgerinnen und Bürger könnten daher zu Beiträgen herangezogen werden, sofern ihnen jeweils ein Vorteil individuell-konkret zugerechnet werden könne. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe zu inhaltlicher Vielfalt beizutragen, wie sie allein über den freien Markt nicht gewährleistet werden könne. Auch wegen des erheblichen Konzentrationsdrucks im privatwirtschaftlichen Rundfunk und der damit verbundenen Risiken einer einseitigen Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung seien daher Vorkehrungen zum Schutz der publizistischen Vielfalt geboten.

Anknüpfung an Wohnungsinhaberschaft: Der Anknüpfung an die Wohnungsinhaberschaft (§ 2 Abs. 1 RBStV) liege die nicht zu beanstandende und durch statistische Erhebungen gedeckte Erwägung zugrunde, dass die Adressaten des Programmangebots den Rundfunk typischerweise in der Wohnung empfangen könnten und nutzten. Deshalb lasse der Umstand, dass jemand eine solche Raumeinheit innehabe, ausreichende Rückschlüsse auf die Nutzungsmöglichkeit als abzugeltenden Vorteil zu.

Kein Bereithalten von Geräten: Ein Bezug zwischen diesem Vorteil und den Schuldnern des Rundfunkbeitrags bestehe auch dann, wenn diese nicht über Empfangsgeräte verfügten. Eine Anknüpfung an Empfangsgeräte erwiese sich angesichts fehlender Kontrollmöglichkeiten und Diversifizierung der Empfangsmöglichkeiten als nicht mehr praktikabel und beeinträchtige die Abgabengerechtigkeit.

Belastungsgleichheit im privaten Bereich: Die Länder wollten sich bei der Festsetzung des Rundfunkbeitrags an den Berechnungen der KEF der Rundfunkanstalten orientieren. Überschüsse würden gem. § 3 Abs. 2 Satz 3 RFinStV am Ende der Beitragsperiode vom Finanzbedarf für die folgende Periode abgezogen. Letztlich sei verfassungsrechtlich entscheidend, dass die Beiträge nicht entgegen § 1 RBStV für andere Zwecke als die funktionsgerechte Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Finanzierung der Aufgaben nach § 40 Abs. 1 RStV erhoben würden.

Äquivalente staatliche Leistung: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk beschränke sich auf einen minimalen Teil an Werbung (vgl. § 16 Abs. 1 RStV: durchschnittlich 20 Minuten werktäglich statt gem. § 45 Abs. 1 RStV 20 % je Stunde bei privatem Rundfunk). Entgeltpflichtige Vollprogramme kosteten deutlich mehr, andere entgeltpflichtige Programme hingegen erfassten lediglich Sparten und böten nur einen Ausschnitt aus dem Leistungsspektrum des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Vor diesem Hintergrund stehe dem Rundfunkbeitrag auch bei Belastung mit der vollen Höhe eine äquivalente Leistung gegenüber.

Zulässige Ungleichbehandlung: Der Rundfunkbeitrag führe zu einer Entlastung von Mehrpersonenhaushalten. Der Gesetzgeber stütze aber in zulässiger Weise die wohnungsbezogene Erhebung des Rundfunkbeitrags ausgehend von seinem weiten Einschätzungsspielraum darauf, dass der private Haushalt in der Vielfalt der modernen Lebensformen häufig Gemeinschaften abbilde, die zudem vielfach dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterfielen.

Unzulässiger Zweitwohnungsbeitrag: Soweit Wohnungsinhaber nach der derzeitigen Regelung für eine Wohnung bereits zur Leistung eines Rundfunkbeitrags herangezogen worden seien, sei der Vorteil bereits abgegolten. Gründe der Verwaltungsvereinfachung oder Missbrauchs- und Umgehungsmöglichkeiten trügen die Regelung nicht. Die Anzeigepflicht nach § 8 Abs. 4 RBStV könne um die Angabe der Eigenschaft als Erst- oder Zweitwohnung ergänzt werden.

Beitrag für Betriebsstätten und betriebliche Kfz: Die Beitragsschuldner könnten sich aus dem Rundfunkangebot Informationen für den Betrieb beschaffen sowie zur Information oder Unterhaltung ihrer Beschäftigten und ihrer Kundschaft nutzen. Diese andere Vorteilslage rechtfertige die gesonderte Inanspruchnahme neben der Beitragspflicht im privaten Bereich. Durch die Möglichkeit, Rundfunk in betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen zu empfangen, erwachse dem Betriebsstätteninhaber insb. für Außendienstmitarbeiter und Personenbeförderung oder im Mietwagengeschäft durch allg. gesteigerten Gebrauch und Nutzung von Verkehrsmeldungen ein zusätzlicher erwerbswirtschaftlicher Vorteil.

Zulässige Ausnahme privater Kfz: Dies gelte für die private Nutzung nicht, weshalb die vorgenommene Differenzierung gerechtfertigt sei.


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