Kein Ausschluss des Widerrufsrechts bei Heizölbestellung

Autor: RA, FA IT-Recht Dr. Aegidius Vogt, RAYERMANN Legal, München – www.rayermann.de
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 11/2015
Bei Fernabsatzverträgen über die Lieferung von Heizöl ist das Widerrufsecht des Verbrauchers nicht ausgeschlossen, da es am spekulativen Charakter des Geschäfts fehlt.

BGH, Urt. v. 17.6.2015 - VIII ZR 249/14

Vorinstanz: LG Bonn, Urt. v. 31.7.2014 - 6 S 54/14
Vorinstanz: AG Euskirchen

BGB §§ 312d Abs. 4 Nr. 6 a.F., 355 Abs. 1 Satz 1 a.F.

Das Problem

Eine Verbraucherin bestellte über eine Internetplattform Heizöl, was von der Brennstoffhändlerin noch am gleichen Tag bestätigt wurde. Die Verbraucherin nahm in der Folge von dieser Bestellung Abstand, erklärte aber erst nach mehr als fünf Wochen den Widerruf der Bestellung. Unter Verweis auf ihre AGB machte die Händlerin wegen der Stornierung pauschalierten Schadensersatz geltend.

Die Entscheidung des Gerichts

Während das Berufungsgericht das stattgebende erstinstanzliche Urteil noch bestätigte, lehnte der BGH einen Schadensersatzanspruch der Händlerin ab.

Genereller Anwendungsbereich: Nach § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. bestehe kein Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen, welche die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Finanzdienstleistungen zum Gegenstand hätten, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliege, auf die der Unternehmer keinen Einfluss habe und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten könnten, insb. Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, Anteilsscheinen u.a. Soweit der Wortlaut auf Waren Bezug nehme, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhänge, sei nach den Gesetzesmaterialien insb. der Handel mit Edelmetallen erfasst. Der Begriff des „Finanzmarkts” umfasse daher Edelmetallbörsen, aber auch Waren- und Rohstoffbörsen, wie etwa für Heizöl. Der Begriff des „Preises” sei ebenfalls weit zu verstehen, so dass nicht nur ein unmittelbar auf dem Finanzmarkt gebildeter Börsenpreis, sondern auch ein den Marktpreis mittelbar beeinflussender Basiswert gemeint sei, wie namentlich der auf dem Börsenpreis von Erdöl als Basiswert beruhende Heizölpreis.

Ausnahmevorschrift: Allerdings ließe ein solcher allein auf den Wortlaut gestützter Ausschluss des Widerrufsrechts außer Acht, dass es sich mit Blick auf die Gesetzesmaterialien und den daraus hervorgehenden Sinn und Zweck der Vorschrift um eine Ausnahmevorschrift handle, die eng auszulegen sei. Anders als zu § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB a.F. (kein Widerrufsrecht bei der Lieferung von Waren, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind), sei im Gesetzentwurf (BT-Drucks. 14/2658, 44) Heizöl bei § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. nicht ausdrücklich als Anwendungsfall genannt. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren sei deutlich geworden, dass gerade bezüglich des Heizöls keine generelle Ausnahme vom Widerrufsrecht habe gelten sollen, sondern vielmehr der Ausnahmetatbestand des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB a.F. insoweit als ausreichend erachtet wurde (BT-Drucks. 14/2929, 13; vgl. schon BGH, Beschl. v. 18.3.2009 – VIII ZR 149/08, CR 2009, 455).

Kein spekulativer Charakter: Der Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift bestehe darin, das Risiko eines – wenigstens mittelbar – finanzmarktbezogenen spekulativen Geschäfts nicht einseitig dem Unternehmer aufzubürden, sondern mit seinem Abschluss in gleicher Weise auf beide Parteien zu verteilen (s. zu basiswertabhängigen Finanzinstrumenten BGH, Urt. v. 27.11.2012 – XI ZR 439/11, BeckRS 2013, 02157, m.w.N.; BGH, Urt. v. 27.11.2012 – XI ZR 384/11, BeckRS 2013, 01874, m.w.N.). Kennzeichnend für den Ausnahmetatbestand sei im Wesentlichen, dass der spekulative Charakter den Kern des Geschäfts ausmache. Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers, der nicht auf Kosten des Unternehmens spekulieren solle, sei unter solchen Umständen für den Unternehmer nicht zumutbar. Diese Beurteilung sei auf die vorliegende Situation indes nicht übertragbar. Die Heizölbestellung diene dem Verbraucher nicht dazu, durch Weiterveräußerung einen finanziellen Gewinn zu erzielen, sondern richte sich typischerweise auf die Eigenversorgung durch Endverbrauch der Ware. Zwar ermögliche das Widerrufsrecht dem Verbraucher bei fallenden Heizölpreisen während der Widerrufsfrist evtl. tatsächlich einen Vorteil. Diese Risikoverteilung sei jedoch im Gesetz angelegt und deshalb hinzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 19.3.2003 – VIII ZR 295/01, ITRB 2003, 143 = CR 2003, 480).


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