Neues vom BGH: fiktive Abrechnung bei Vollkaskoversicherung

22.12.2015, Autor: Herr Frank Brüne / Lesedauer ca. 2 Min. (347 mal gelesen)
Die Berechnung eines fiktiven Schadens ist immer schwierig. Insbesondere, wenn man nicht sicher ist, welche Grundlage gilt: Eine markengebundene Werkstatt oder gelten die Preise einer günstigeren nicht markengebundenen Werkstatt?

Trägt ein KFZ einen Schaden davon, für den kein anderer Verkehrsteilnehmer haftbar gemacht werden kann, tritt – sofern vorhanden – die Teil- oder Vollkaskoversicherung ein. Diese ersetzt in der Regel die Kosten einer durchgeführten Reparatur. Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, den Schaden fiktiv abzurechnen. Hierzu ist eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) in Karlsruhe ergangen.

In dieser Entscheidung hat der BGH festgelegt, dass der Versicherungsnehmer bei einer Vollkaskoversicherung im Falle eines Schadens am eigenen Fahrzeug im Einzelfall die Preise einer markengebundenen Werkstatt bei fiktiver Abrechnung ansetzen kann (BGH Urteil vom 11.11.2015, Az.: VI ZR 426/14).


Was ist die „fiktive Abrechnung“?
Grundsätzlich darf ein Fahrzeughalter Schäden von seiner Kaskoversicherung (Vollkasko- und Teilkaskoversicherung, und damit nicht nur selbstverschuldete Unfälle, sondern beispielsweise auch Wildunfälle, u. a.) auch dann regulieren lassen, wenn er diese tatsächlich nicht reparieren lässt ("fiktive Abrechnung"). Hierbei erhält er von der Versicherung dann den Geldbetrag, den er für die Reparatur des Fahrzeuges hätte aufwenden müssen. Abgezogen wird lediglich die vereinbarte Selbstbeteiligung.

Unklar war allerdings bisher, auf Basis welcher Kosten die Versicherung den Schaden regulieren muss. Der Geschädigte hat bei der Ermittlung der Reparaturkosten nämlich die Möglichkeit, die Preise einer „teureren“ Markenwerkstatt oder aber die einer preiswerteren nicht markengebundenen Werkstatt zu Grunde zu legen. Die Interessen von Halter und Versicherer gehen hierbei natürlich weit auseinander: Während Fahrzeughalter im Falle eines Unfalls gerne das Geld für die fiktive Reparatur einer teuren Markenwerkstatt hätten, wollen Versicherer regelmäßig nur den Preis für die günstige Variante zahlen.


Neue Rechtsprechung für die Vollkaskoversicherung!
War bisher nur für den Bereich der Haftpflichtversicherung bei fiktiver Abrechnung geregelt, dass der Fahrzeughalter sich für die Abrechnung einer Markenwerkstatt entscheiden kann, wenn sein Fahrzeug nicht älter als drei Jahre ist oder das KFZ bis dahin ausschließlich in einer Markenwerkstatt repariert und gewartet wurde, so gab es keine Entscheidungen, wie bei einer Regulierung durch die Kaskoversicherung zu verfahren ist.

Dies hat sich nun geändert: Nach der aktuellen Entscheidung braucht der Geschädigte sich unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der Haftpflichtversicherung auch im Falle einer Regulierung durch die Kaskoversicherung nicht immer auf eine günstigere Referenzwerkstatt verweisen zu lassen. Die Richter des BGH entschieden zudem, dass eine Abrechnung auf Basis der Kosten einer Markenwerkstatt auch dann zulässig sei, wenn der Schaden nur in einer Markenwerkstatt vollständig und fachgerecht repariert werden kann!


Was Fahrzeughalter bei einem Fahrzeugschaden beachten sollten
Aus der Entscheidung ergibt sich für Fahrzeughalter, dass es bei einer Kaskoversicherung im Falle eines Unfalls darauf ankommt, zu beweisen, dass das Fahrzeug entweder jünger als drei Jahre ist oder auch bisher nur markengebunden gewartet und repariert wurde. Hierzu sollten natürlich sämtliche Belege der Markenwerkstätte sorgfältig aufbewahrt werden.

Weigert sich die Versicherung, den Schaden in der gewünschten Höhe zu regulieren, so besteht für Betroffene nach der neuen Entscheidung die Hoffnung, mit anwaltlicher Unterstützung die Kosten auf Basis der Kalkulation einer Markenwerkstatt ersetzt zu bekommen.


Frank Brüne
Rechtsanwalt und Steuerberater,
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Tel.: 0202 245670