OLG Celle: Autokauf vom sterbenskranken Heimbewohner für Spottpreis ist sittenwidrig

08.07.2025, Autor: Herr Thorsten Post / Lesedauer ca. 2 Min. (38 mal gelesen)
Ein Autoverkauf zum Spottpreis von nur 5.555 € statt des tatsächlichen Werts von 52.000 € an einen Heimmitarbeiter wurde vom OLG Celle als sittenwidrig und damit nichtig eingestuft. Wer die Schwäche eines sterbenskranken Menschen ausnutzt, verliert den Anspruch auf Vertragserfüllung – auch bei scheinbar einvernehmlichen Geschäften.

Ein Heimmitarbeiter hatte einem 86-jährigen, schwerkranken Heimbewohner dessen Fahrzeug – einen Mercedes Benz E 300 – für nur 5.555 € abgekauft. Das Fahrzeug war tatsächlich rund 52.000 € wert. Der Verkäufer war an Diabetes und einem Hirntumor erkrankt und verstarb nur wenige Wochen später. Nach einer Anzahlung verlangte der Käufer vom Nachlasspfleger die Herausgabe des Autos, was dieser verweigerte. Die Klage des Heimtechnikers blieb erfolglos – sowohl vor dem LG Lüneburg (Az. 2 O 261/23) als auch in der Berufung vor dem OLG Celle (Urteil vom 14.04.2025 – 6 U 27/24).

OLG: Krasses Missverhältnis begründet Sittenwidrigkeit

Das Oberlandesgericht stufte den Kaufvertrag als sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB ein und erklärte ihn für nichtig. Entscheidend war das extreme Missverhältnis zwischen Kaufpreis und tatsächlichem Wert. Wer ein Fahrzeug zu weniger als 11 % des Verkehrswertes erwirbt, muss sich den Vorwurf einer verwerflichen Gesinnung gefallen lassen – insbesondere, wenn er um die gesundheitliche Lage des Vertragspartners weiß.

Motiv und Gesundheitszustand verstärken Unwirksamkeit

Der Kläger konnte nicht darlegen, dass es sich um eine freiwillige, ausgewogene Vereinbarung handelte. Zwar hatte er für den Heimbewohner technische Dienstleistungen erbracht, diese waren jedoch bereits vom Heim gesondert abgerechnet worden. Die Richter sahen deshalb keinen Rechtfertigungsgrund, der das massive Ungleichgewicht im Vertrag relativiert hätte.

Vorinstanz hatte noch eine formnichte Schenkung angenommen

Interessanterweise hatte das Landgericht Lüneburg den Vertrag nicht als sittenwidrig, sondern als formnichtig nach § 518 Abs. 1 BGB behandelt – also als gemischte Schenkung ohne notarielle Beurkundung. Auch diese Argumentation hätte zur Nichtigkeit geführt, das OLG folgte jedoch dem rechtlich schärferen Weg über § 138 BGB.

Fazit: Kein Raum für Privatautonomie bei Ausnutzung von Schwäche

Das Urteil unterstreicht, dass die Privatautonomie ihre Grenzen dort findet, wo die Schwächelage eines Menschen bewusst ausgenutzt wird. In Pflegeverhältnissen oder bei erheblich kranken Vertragspartnern muss besonders sorgfältig geprüft werden, ob ein Geschäft nicht nur formal, sondern auch inhaltlich fair ist. Wer in solchen Fällen versucht, sich auf ungewöhnlich günstige Verträge zu berufen, riskiert die komplette Unwirksamkeit – und bleibt am Ende mit leeren Händen zurück.

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