OLG München, Beschl. 7.6.2017 - 18 W 826/17

Haftung des Suchmaschinenbetreibers für indirekt erreichbaren Inhalt

Autor: RA Stefan Haßdenteufel, SSW Schneider Schiffer Weihermüller, München
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 09/2017
Suchergebnisse, die eine unwahre Tatsachenbehauptung darstellen, verletzen in der Regel das (Unternehmens-)Persönlichkeitsrecht. Den Betreibern von Suchmaschinen obliegen in diesem Zusammenhang erweiterte Verhaltens- und Kontrollpflichten, die auch eine Kontrolle solcher Suchergebnisse mit einschließen, die ihrerseits auf die verletzenden Inhalte verlinken.

OLG München, Beschl. v. 7.6.2017 - 18 W 826/17

Vorinstanz: LG München I, Beschl. v. 20.4.2017 - 25 O 5616/1

EMRK Art. 8; BGB §§ 823, 1004; GG Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3

Das Problem

Der Suchmaschinenbetreiber Google wurde in einem vorangegangenen Gerichtsverfahren verpflichtet, ein Suchergebnis aus seiner Datenbank zu entfernen, das ein Unternehmen mit einem Betrugsverdacht in Verbindung brachte. Fortan zeigte Google dieses Ergebnis zwar nicht mehr an. Über die mit dem Hinweis verlinkte Internetseite konnte der Besucher im Ergebnis die zu entfernenden Suchergebnisse jedoch weiter abrufen. Das betroffene Unternehmen sah sich auch dadurch in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und beantragte den Erlass einer weiteren einstweiligen Verfügung auf Unterlassung gegen Google.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Unternehmen habe gegen den Betreiber der Suchmaschine einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG. Auch die mittelbare Abrufbarkeit der Suchergebnisse verletze das Unternehmen in seinem Persönlichkeitsrecht.

Unternehmenspersönlickeitsrechtsverletzung: Eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 EMRK) sei immer dann gegeben, wenn ein Unternehmen zum Objekt einer herabwürdigenden Kritik gemacht werde (vgl. BGH, Urt. v. 1.12.2014 – VI ZR 39/14, CR 2015, 251). Ein solcher Sachverhalt liege hier in Form einer unwahren Tatsachenbehauptung vor. Das Unternehmen habe nachweisen können, dass keine Ermittlungen wegen Verdachts des Betrugs (§ 263 StGB) eingeleitet wurden, sondern aufgrund Verdachts des Kapitalanlagebetrugs (§ 264a StGB). Beide Straftatbestände seien nicht miteinander gleichzusetzen, da § 264a StGB ein abstraktes Gefährdungsdelikt normiere, wohingegen der Betrug nach § 263 StGB erst bei Eintritt einer konkreten Täuschungshandlung einschlägig sei.

Störerhaftung: Der Suchmaschinenbetreiber hafte hier als mittelbarer Störer; er habe die ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Kontrollmaßnahmen zur Verhinderung von weiteren Verletzungen des Unternehmenspersönlichkeitsrechts nicht ergriffen. Ausreichend für die Annahme einer mittelbaren Störereigenschaft sei bereits die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlichen Dritten, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche sowie tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung der (Verletzungs-)Handlung gehabt habe (vgl. BGH, Urt. v. 28.7.2015 – VI ZR 340/14, CR 2015, 671; Urt. v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10, CR 2012, 103, ITRB 2012, 28). Um ein Ausufern der Haftung zu verhindern, müsse eine Verletzung von Verhaltenspflichten, insb. Kontrollpflichten, vorliegen, deren Umfang sich nach dem Einzelfall richte (vgl. BGH, Urt. v. 1.3.2016 – VI ZR 34/15, CR 2016, 390, ITRB 2016, 123; Urt. v. 15.4.2013 – VI ZR 269/12, CR 2013, 459 = ITRB 2013, 150; Urt. v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10, CR 2012, 103 = ITRB 2012, 28).

Ursächlichkeit der Suchfunktion: Unbeachtlich sei, dass Google selbst keinen Link gesetzt habe. Der Schwerpunkt der Tätigkeit liege in der Suchfunktion, ohne die ein gezieltes und einfaches Auffinden der verletzenden Inhalte nicht oder nur erschwert möglich wäre (vgl. OLG Köln, Urt. v. 13.10.2016 – I-15 U 173/15, K&R 2017, 55). Eine Haftungsprivilegierung nach § 10 TMG sei nicht auf Unterlassungsansprüche anwendbar (vgl. BGH, Urt. v. 30.6.2009 – VI ZR 210/08, CR 2009, 730, ITRB 2010, 52; Urt. v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10, CR 2012, 103 = ITRB 2012, 28; Urt. v. 23.6.2009 – VI ZR 196/08, CR 2009, 593 = ITRB 2009, 195).


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