Verjährungsfristen im Sozialrecht

02.02.2015, Autor: Herr Rembert Michael Schmidt / Lesedauer ca. 4 Min. (1161 mal gelesen)
kurze Übersicht der Verjährungsfristen im Sozialrecht

Verjährung – Allgemein

Wenn ein Anspruch innerhalb der entsprechenden Verjährungsfrist nicht durchge­setzt werden kann und auch keine hemmenden Maßnahmen ergriffen werden, verjährt dieser. Die Verjährung hat zwar nicht zur Folge, dass ein Anspruch nicht mehr besteht, jedoch kann der Anspruchsgegner dann die sog. Einrede der Verjährung erheben und damit die Durchsetzung des Anspruchs verhindern (die Leistung verweigern). Verjährung meint also, dass ein Anspruch gegenüber ei­nem anderen wegen einer zurückliegenden Zeitspanne nicht mehr durchgesetzt werden kann, wenn der Anspruchsgegner sich darauf beruft. Trotzdem können die entsprechenden verjährten Forderungen gegenüber den jeweiligen Schuld­nern geltend gemacht werden, in vielen Fällen wird die Einrede der Verjährung aus Unkenntnis nicht erhoben. Das Wissen über die Verjährungsfristen ist daher wichtig und nützlich.

Verjährung – Hemmung

Während der Hemmung ruht die Verjährungsfrist. Sie beginnt erst wieder zu laufen, wenn das rechtliche oder tatsächliche Hindernis beseitigt ist. Danach läuft die ursprüngliche Verjährungsfrist weiter.

Verjährung – Ablaufhemmung

Die Verjährungsfrist läuft frühestens eine bestimmte Zeit nach Wegfall von Gründen ab, z.B. sechs Monate nach der Annahme einer Erbschaft.

Verjährung – Neubeginn

Der Neubeginn der Verjährung hat zur Folge, dass eine bereits begonnene Verjährungsfrist nicht mehr weiterläuft, sondern eine neue Verjährungsfrist zu laufen beginnt.

Verwirkung

Die Verwirkung tritt ein, wenn die Geltendmachung eines Anspruchs längere Zeit unterblieben ist und besondere Umstände hinzutreten, wonach die verspätete Geltendmachung als unzumutbare und unzulässige Rechtsausübung anzusehen ist. Die Verwirkung bewirkt eine Verkürzung der Verjährungsfrist. Als Rechtsgrundlage wird § 242 BGB angesehen (Leistung nach Treu und Glauben). Die Verwirkung ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium). Bei der sozialrechtlichen Verjährungsfrist von 4 Jahren ist für die Verwirkung kein Raum, da der Zeitraum von 4 Jahren schon kurz genug ist. Bei längeren Verjährungsfristen kann es auch im Sozialrecht zur Verwirkung kommen.

Die schlichte Untätigkeit einer Behörde stellt allerdings noch kein Verwirkungsverhalten dar (LSG Baden-Württemberg, 15.10.2014, L 5 KA 1161/12).

Ansprüche auf Beiträge

Ansprüche auf Beiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig ge­worden sind. (§ 25 SGB IV)

Gemeint sind die Ansprüche der Versicherungsträger auf die Beiträge zur So­zialversicherung. Es sind die Beiträge zur Rentenversicherung, Kranken- und Pflegeversicherung, gesetzlichen Unfallversicherung und Arbeitslosenversiche­rung. Beim Arbeitgeber entsteht die Fälligkeit in dem Monat, in dem die Beschäf­tigung ausgeübt wurde. In der Unfallversicherung werden die Beiträge nach der Bekanntgabe des Beitragsbescheides fällig.

Die Beitragspflicht entsteht für Beschäftigte in nichtselbständiger Arbeit, also für Arbeitnehmer. Dies kann bei Angehörigen, Organmitgliedern und freien Mitar­beitern streitig sein. Wird der Status dieses Personenkreises erst nach Jahren festgestellt, stellt sich die Frage, ob die Beiträge vorsätzlich vorenthalten wurden. Dann tritt die Verjährung erst nach 30 Jahren ein.

Beiträge sind dann vorsätzlich vorenthalten, wenn der Zahlungspflichtige in Kenntnis seiner Beitragspflicht bewusst und gewollt keine Beiträge an den Versi­cherungsträger abführt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) sind hinsichtlich des Vorsatzes das Vorliegen des inneren Tatbestandes anhand der konkreten Um­stände des Einzelfalles individuell zu ermitteln. Für die Geltung der dreißigjähri­gen Verjährungsfrist reicht es aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit beding­tem Vorsatz vorenthalten hat.

Das BSG nimmt bei Nichtentrichtung der Beiträge bei Schwarzarbeit immer Vorsatz an. Zahlungsunfähigkeit schließt den Vorsatz nicht aus. War der Vorsatz nicht von der Fälligkeit der Beiträge an gegeben, sondern erst während der vierjährigen Verjährungsfrist hinzugetreten, so genügt dies, um die 30-jährige Verjährungsfrist auszulösen.

Ansprüche auf Erstattung von Beiträgen

Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Beanstandet der Versicherungsträger die Rechts­wirksamkeit von Beiträgen, beginnt die Verjährung mit dem Ablauf des Kalender­jahrs der Beanstandung. ( 27 SGB IV)

Es handelt sich um Beiträge zur Sozialversicherung, die zur Unrecht gezahlt wur­den. Sie sind nicht zu erstatten, wenn der Versicherungsträger aufgrund dieser Beiträge Leistungen er­bracht hat. Dies gilt auch für die Arbeitslosenversiche­rung. Beiträge zur Arbeitslosenversiche­rung, die über den vierjährigen Rückerstattungszeitraum entrichtet wurden, sind unwiederbringlich verloren.

Wird die Versicherungspflicht eines Beschäftigten per Verwaltungsakt (Bescheid) festgestellt, besteht kein Erstattungsanspruch. Wird der Verwaltungsakt mit Er­folg angegriffen, beginnt die Verjährung mit der Aufhebung des Verwaltungsak­tes.

Bei Geschäftsführern kann eine Überprüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status im Rahmen einer Statusfeststellung dazu führen, dass die schon entrich­ten Beiträge zur Sozialversicherung für die zurückliegenden 4 Jahre wieder zu­rückerstattet werden.

Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen

Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches sinngemäß. (§ 50 Abs. 4 SGB X)

Es handelt sich um Sozialleistungen, die von einem Leistungsträger nach dem SGB erbracht werden. Dies können auch freiwillige Leistungen sein.


Ansprüche auf Sozialleistungen

Ansprüche auf Sozialleistungen verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind.

Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Ver­jährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß.

Die Verjährung wird auch durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung oder durch Er­hebung eines Widerspruchs gehemmt. Die Hemmung endet sechs Monate nach Bekannt­gabe der Entscheidung über den Antrag oder den Wider­spruch. (§ 45 SGB I)

Sozialleistungen sind Leistungen, die im Sozialgesetzbuch (SGB) beschrieben werden. Es kann sich um Dienst-, Sach- und Geldleistungen handeln. Sozialleis­tungen sind Leistungen der Ausbildungsförderung, der Arbeitsförderung, der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung, der gesetzli­chen Rentenversicherung, Kindergeld, Wohngeld, Leistungen der Kinder- und Ju­gendhilfe, der Sozialhilfe, Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen.

Vergütungsforderungen von Krankenhäusern gegen Krankenkassen

Für Vergütungsforderungen von Krankenhäusern gegen Krankenkassen ist weder in §§ 63, 64 SGB V, noch im Vierten Kapitel des SGB V (§§ 69 bis 140h SGB V) die Verjährung geregelt. Weder das KHG und das KHEntG oder hierzu erlassene Rechtsverordnungen enthalten Regelungen zur Verjährung, noch gibt es im gesamten SGB eine Regelung hierzu, bzw. generell zwischen Leistungserbringern und Leistungsträgern. Da § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V eine ausdrückliche Verweisung auf das BGB enthält, greifen mangels speziellerer Regelung die Verjährungsvorschriften der §§ 194 ff. BGB, so dass gemäß § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 195 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre beträgt. (SG Mainz, 24.06.2014 - S 3 KR 518/11)