Coronavirus: Was Anwälte jetzt wissen müssen

22.06.2020, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Aktenschrank,Akten Corona-Management in der Anwaltskanzlei: Was ist zu beachten? © Bu - Anwalt-Suchservice

Auch Rechtsanwälte sind im Arbeitsalltag von der Coronakrise betroffen und haben viele Fragen dazu, wie es nun mit Ihrer Tätigkeit weiter geht. Wir haben hier einige Informationen zusammengestellt.

Die Rechtsanwaltskammern verzeichnen zurzeit eine große Zahl von Anfragen besorgter Anwälte. Welche Auswirkungen wird die Coronakrise auf die tägliche Arbeit haben? Ist persönliche Rechtsberatung während der Ausgangsbeschränkungen überhaupt noch erlaubt? Welche Auswirkungen hat eine Ausgangssperre? Arbeiten die Gerichte überhaupt noch? Was ist mit der Ansteckungsgefahr bei Verhandlungen? Gibt es staatliche Hilfen, wenn das Geschäft zusammenbricht?

Umsatzsteuersenkung vom 1. Juli 2020 bis 31.12.2020


Leistungen, die der Anwalt zwischen dem 1.7.2020 und 31.12.2020 gegenüber seinem Mandanten erbringt, unterliegen dem Steuersatz von 16%. Auf den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts kommt es für die Frage, welchem Steuersatz die Leistung unterliegt, ebenso wenig an wie auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung. Auch in den Fällen der Ist-Versteuerung (§ 20 UStG) und der Ist-Versteuerung von Anzahlungen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 4 UStG) ist entscheidend, wann der Umsatz bewirkt wird, also die Leistung erfolgt ist. Dies gilt unabhängig davon, wann die Steuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG entsteht.

Anwaltschaft ist systemrelevant!


Insgesamt gelten Anwälte und Notare Stand 23. April in acht Bundesländern als systemrelevant: Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die Einstufung einer Berufsgruppe als systemrelevant, spielt vor allem für die Inanspruchnahme einer Notbetreuung für Kinder in Kitas und Schulen eine Rolle.

Der DAV forderte schon Ende März, die Anwaltschaft als systemrelevant einzustufen, da sie einen zentralen Beitrag zum Rechtsstaat leiste und den Bürgern den Zugang zum Recht sichere.

Der DAV formuliert vor diesem Hintergrund vier zentrale Forderungen an die Politik:
1. Anwälte müssten einen Anspruch auf Notbetreuung ihrer Kinder haben.
2. Im Falle der Fristversäumnis brauche es großzügige Regelungen.
3. Es bedürfe Liquiditätshilfen und Steueraufschübe für Anwälte.
4. Das Kurzarbeitergeld müsse praktisch und einfach beantragt werden können.

Dürfen Rechtsanwälte weiter arbeiten?


UPDATE 6. Juni 2020: Ausgangsbeschränkungen gibt es derzeit nicht mehr. Allerdings gibt es voraussichtlich bis 29. Juni noch Kontaktbeschränkungen bezüglich der Zahl von Personen, die sich in der Öffentlichkeit treffen dürfen. Abstands- und Hygieneregeln bleiben bestehen und gelten auch für den Bürobetrieb und den Kontakt mit Mandanten. Generell muss jedes Unternehmen derzeit ein Hygienekonzept haben und umsetzen. Die Kontakte in der Belegschaft und mit Kunden sind auf das Notwendigste zu beschränken. Die jeweiligen Landesverordnungen sind zu beachten.
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Eine bundesweite Ausgangssperre konnte bisher noch vermieden werden, allerdings gibt es drastische Ausgangsbeschränkungen. Ausgangssperren gibt es in Bayern, Sachsen und dem Saarland.

Üblicherweise sind Wege zur Arbeit und zu notwendigen Erledigungen von einer Ausgangssperre ausgeschlossen. Es sind nur bestimmte berufliche Tätigkeiten untersagt und Betriebe ausdrücklich geschlossen, wie etwa Friseure oder Gastronomen. Die berufliche Tätigkeit von Anwälten ist nach bisherigem Stand nicht eingeschränkt, entscheidend sind jedoch die Regeln im einzelnen Bundesland.

Es gibt kein Verbot, Mandanten in der Kanzlei zu empfangen. Allerdings sind Schutzmaßnahmen gegen Infektionen nach der Rede von Bundeskanzlerin Merkel vom letzten Samstag besonders in Betrieben mit Publikumsverkehr obligatorisch (etwa Abstand, Desinfektionsmittel). Empfehlenswert ist es jetzt, der telefonischen Beratung Vorrang zu geben.

Mitarbeiter dürfen weiter zur Arbeit kommen, auch die Ausgangssperren sehen dafür Ausnahmen vor. Gibt es eine Ausgangssperre, wird dringend empfohlen, den Mitarbeitern schriftlich zu bescheinigen, dass sie sich auf dem Arbeitsweg befinden. Diese Bescheinigung sollte dann mitgeführt werden.

Hat das Gericht während der Coronakrise geöffnet?


UPDATE 6. Juni 2020: Die Gerichte haben inzwischen den Regelbetrieb wieder weitgehend aufgenommen. Es kann allerdings Verzögerungen geben, da sich in der Zeit des eingeschränkten Betriebes Fälle angesammelt haben.
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Auch die Gerichte befinden sich derzeit im Krisenmodus. Das bedeutet in der Regel, dass nicht eilige Verhandlungstermine verschoben werden, Öffnungszeiten reduziert, alles nicht unbedingt nötige Personal nach Hause geschickt und allgemein zugängliche Bereiche wie Bibliotheken gesperrt werden. Auch hier gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. Generell gilt: Der Gerichtsbetrieb läuft eingeschränkt weiter. Genauere Infos finden sich auf der Homepage des jeweiligen Gerichts.

Das Verwaltungsgericht Berlin etwa hat den Publikumsverkehr im Gerichtsgebäude eingestellt und alle öffentlichen Verhandlungen abgesagt. Die Rechtsantragsstelle ist geschlossen, eine Akteneinsicht nicht möglich. Fristgebundene Schriftsätze können auf den üblichen Wegen eingereicht werden (Post, Telefax, EGVP). So extrem geht es nicht an allen Gerichten zu. Das VG Hamburg etwa verbietet nur bestimmten Risikopersonen den Zutritt zum Gerichtsgebäude, schließt seine Bibliothek und sagt bestimmte öffentliche Verhandlungen ab – nach Ermessen der zuständigen Richter.

Was muss man beachten, wenn man seine Kanzlei wegen des Coronavirus schließt?


UPDATE 6. Juni 2020: In vielen Kanzleien normalisiert sich mittlerweile wieder der Betrieb bei Beachtung der Hygiene - und Abstandsregeln.
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Nach § 53 Abs. 1 BRAO muss jeder Rechtsanwalt, der länger als eine Woche an der Ausübung seines Berufes gehindert ist oder seine Tätigkeit nicht ausübt, einen Vertreter bestellen. Dieser muss dann Zugriff auf alle nötigen Daten und Dateien haben. Er muss auch Zugriffsrechte auf das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) haben. Diese sind rechtzeitig zu vergeben. Wird die Kanzlei geschlossen, muss klar geregelt sein, wer zum Beispiel die Post abholt und den Fristenkalender betreut.

Anwälte, die nun vom Homeoffice aus arbeiten, sollten dort unbedingt für Mandanten erreichbar sein – etwa durch eine Umleitung des Telefons. Ein Schild an der Kanzleitür mit Nennung der Kontaktdaten kann sich empfehlen. Wichtig ist es, für die Beachtung der Verschwiegenheitspflicht auch im Homeoffice und damit im häuslichen Bereich zu sorgen (§ 43a Abs. 2 BRAO).
Auch Zustellungen im Sinne von § 14 BORA müssen zu Hause möglich sein.

Was passiert bei plötzlicher Corona-Quarantäne?


UPDATE 6. Juni 2020: Eine Quarantäne wegen Ansteckungsgefahr ist weiterhin möglich und kann auch beim Kontakt mit möglicherweise infizierten Personen angeordnet werden. Ein Verstoß gegen die Quarantäne ist eine Straftat.
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Jeder kann plötzlich und unerwartet in Quarantäne landen – siehe Frau Merkel. Rechtsanwälte sollten für diesen Fall vorsorgen und die für den Job erforderliche Technik immer dabeihaben – Laptop, Kartenlesegerät, Smartphone etc. Natürlich sollte auch Zugriff auf alle erforderlichen Daten, Akten und Adressen bestehen – zum Beispiel über Cloudspeicher, externe Festplatten oder USB-Sticks.

Müssen Fristen eingehalten werden?


Ja. Bei einigen Fristen kann bei einer Fristversäumnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden. Bei anderen (Sozialrecht) nicht. Zum Teil müssen besondere Vorkehrungen zur Einhaltung von Fristen nachgewiesen werden, um eine Fristverlängerung zu bekommen. Hier ist es entscheidend, klare Abläufe in der Kanzlei zu schaffen, den Zugriff auf den Fristenkalender genau zu regeln und für den Notfall einen Zugriff auf die Kanzleisoftware auch von zu Hause aus zu ermöglichen.
Der BGH sagt: "Ein Rechtsanwalt muss allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt." Auch im Falle einer Vertretung (Az. XII ZB 36/19).

Verlegung von Gerichtsterminen


Es kann jederzeit sein, dass zum Beispiel ein Mandant nicht zur Verhandlung erscheinen kann, weil er unter Quarantäne steht oder krank ist. Dies ist ein guter Grund, eine Terminverlegung zu beantragen. Wird sie nicht beantragt, droht ein Versäumnisurteil im Sinne der Gegenseite.

Corona und die Fortbildung


UPDATE 6. Juni 2020: Fortbildungen sind verstärkt virtuell möglich. Beispiel: Der "Virtuelle Deutsche Anwaltstag“ vom 15. bis 19. Juni 2020. Es gibt kostenfreie Online-Veranstaltungen, auch kostenpflichtige Webinare nach § 15 FAO sind buchbar.
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Auch Fortbildungsveranstaltungen sind größtenteils abgesagt. Einiges ist jedoch online abrufbar, etwa beim Deutschen Anwaltsinstitut.

Corona und der Strafprozess


UPDATE 6. Juni 2020: § 10 EGStPO wurde mit Wirkung ab 28.3.2020 geändert. Demnach ist der Lauf der Unterbrechungsfristen aus § 229 StPO so lange gehemmt, wie die Hauptverhandlung aufgrund von Corona-Schutzmaßnahmen nicht stattfinden kann, höchstens aber für zwei Monate. Die Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Beginn und Ende der Hemmung werden vom Gericht durch Beschluss festgestellt.
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Das Bundesministerium der Justiz bereitet eine schnelle Gesetzesänderung vor, um einen befristeten Hemmungstatbestand für die Unterbrechung einer strafgerichtlichen Hauptverhandlung zu schaffen, der auf die aktuellen Maßnahmen zur Vermeidung der Verbreitung des Coronavirus abstellt. So will man verhindern, dass eine strafrechtliche Hauptverhandlung wegen der Krise ausgesetzt und neu begonnen werden muss. Geändert werden soll § 10 des Einführungsgesetzes zur Strafprozessordnung (EGStPO).
§ 229 StPO soll uneingeschränkt gelten, sodass eine Hauptverhandlung höchstens für drei Monate und zehn Tage unterbrochen werden kann. Beginn und Ende der Hemmung werden vom Gericht durch unanfechtbaren Beschluss festgestellt (§ 229 Absatz 3 Satz 4 StPO).

Gibt es steuerliche Erleichterungen wegen der Krise?


Ja. Es gibt Möglichkeiten zur Stundung von Steuerzahlungen, zur Senkung von Vorauszahlungen und Einschränkungen bei der Vollstreckung. Wichtig ist es, sich mit dem Finanzamt in Verbindung zu setzen.

Entscheidend ist hier das BMF-Schreiben vom 19.03.2020 zu den "Steuerlichen Maßnahmen zur Berücksichtigung der Auswirkungen des Coronavirus."

Bis zum 31.12.2020 können “nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich betroffene Steuerpflichtige” unter Darlegung ihrer Verhältnisse folgende Anträge stellen:

- Stundung der bis zu diesem Zeitpunkt bereits fälligen oder fällig werdenden Steuern (hier sollen keine strengen Anforderungen angelegt werden, auf Stundungszinsen soll in der Regel verzichtet werden),
- Anpassung der Vorauszahlungen auf die Einkommens- und Körperschaftsteuer (Vorsicht: dies gilt NICHT für die Umsatzsteuer). Es soll keine Ablehnung erfolgen, weil die Steuerpflichtigen ihre Schäden wertmäßig nicht im Einzelfall nachweisen können.

Für nach dem 31.12.2020 fällige Steuern tritt die "besondere Begründungspflicht" für solche Anträge in Kraft.

Wer vom Coronavirus geschäftlich “unmittelbar und nicht unerheblich betroffen” ist, kann dies dem Finanzamt mitteilen. Dieses soll dann nach dem Erlass des Ministeriums bis 31.12 2020 von Vollstreckungsmaßnahmen wegen allen rückständigen oder bis zu diesem Zeitpunkt fällig werdenden Steuern absehen.
Auch bis zum 31.12.2020 entstandene Säumniszuschläge sind zu erlassen.

Praxistipp


Auch Rechtsanwälte gehören zu den Berufsgruppen, die in der Krise weiter arbeiten und Verantwortung tragen. In vielen Bereichen gibt es dabei Erschwernisse. Wichtig ist eine gute und übersichtliche Kanzleiorganisation.

(Bu)


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 Stephan Buch
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