Fragen und Antworten zur aktuellen Entscheidung des EUGH zum Thema Kreditwiderruf

31.03.2020, Autor: Herr Karsten Eckhardt / Lesedauer ca. 2 Min. (122 mal gelesen)
Welche Chancen bietet das neue EUGH-Urteil? Was ist zu beachten?

Der EUGH hatte entschieden (AZ: C – 66/19), dass folgende Formulierung in den Widerrufsbelehrungen fehlerhaft ist, da die Verbraucher durch diese nicht klar und verständlich insbesondere über die Widerrufsfrist informiert werden:
„Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“
Diese Formulierung wurde in Millionen von Kreditverträgen von privaten Banken, Volks- und Raiffeisenbanken und Sparkassen verwendet.
Welche Verträge sind betroffen?
Grundsätzlich sind sowohl Konsumentendarlehen, Autofinanzierungen und auch Immobiliendarlehen betroffen. Konkret geht es um alle Darlehen zwischen Juni 2010 und März 2016. Für diese gilt bis heute das „ewige“ Widerrufsrecht.
Welche Möglichkeiten bietet der Widerruf?
Gelingt es den Widerruf durchzusetzen, so bedeutet dies, dass das betreffende Darlehen ohne jegliche Vorfälligkeit abgelöst werden kann. Darüber hinaus können über die Rückabwicklung erhebliche Beträge von den Banken zurückgefordert werden. Steht der Verkauf einer Immobilie an, sollte der Widerruf zuvor ausgesprochen werden, um die Vorfälligkeit zu umgehen.
Können auch bereits zurückgezahlte Darlehen widerrufen werden?
Hier ist zu beachten, dass dies seitens der Gerichte sehr restriktiv gehandhabt wird. Oftmals wird dies über das Rechtsinstitut der Verwirkung ausgeschlossen. Daher sollte bei einer Ablösung oder Rückzahlung gegen Vorfälligkeit ausdrücklich erklärt werden, dass diese nur unter Vorbehalt gezahlt wird und man explizit nicht auf sein Widerrufsrecht verzichtet.
Ist mit Gegenwehr der Banken zu rechnen?
Um es klar zu sagen: Ja! Die nunmehr angegriffene Formulierung entspricht der seitens des Gesetzgebers vorgegebenen Musterbelehrung. Insofern ist das Urteil des EUGH auch ein deutlicher Rüffel für den deutschen Gesetzgeber. Die Banken werden versuchen zu argumentieren, dass es nicht ihr Fehler ist, wenn sie die Vorgabe des Gesetzgebers verwenden. Es wird hier abzuwarten sein, wie die Gerichte mit diesem Konflikt zwischen Vertrauensschutz der Banken und dem Verbraucherschutz umgehen. Bei der ersten Welle der Widerrufsfälle, bei denen ebenfalls eine fehlerhafte Musterbelehrung des Gesetzgebers im Zentrum stand, wurden die Banken dann geschützt, wenn sie die Musterbelehrung in identischer Form verwendet hatten. Nahmen sie Änderungen vor, entfiel der Schutz und der Verbraucher konnte widerrufen.
Zu beachten ist hier auch, dass die Banken zurzeit auch dadurch vor Herausforderungen stehen, dass aufgrund der Corona-Pandemie etliche Darlehen gestundet werden, so dass eine neue Welle von Kreditwiderrufen in dieser Phase besonders schmerzhaft wäre. Es ist daher zu erwarten, dass die Kreditwirtschaft auch bei der Politik um Hilfestellung bitten wird.
Was sollte konkret getan werden?
Zunächst sollte der eigene Vertrag wirtschaftlich und rechtlich geprüft werden. Wie hoch ist die Ersparnis bei einer Umschuldung? Hat die jeweilige Bank neben der angegriffenen Formulierung Änderungen an der Musterbelehrung vorgenommen? Im Anschluss sollte die Bank kontaktiert werden, wobei die Erfahrung zeigt, dass die Banken nur dann reagieren, wenn sie anwaltlich angeschrieben werden. Hier gelingt es allerdings oft, wobei die Geschäftspolitik der einzelnen Kreditinstitute sehr unterschiedlich ist, außergerichtlich sehr sinnvolle Ergebnisse zu erzielen.
Für Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.


Autor dieses Rechtstipps

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Karsten Eckhardt

WiBaR-Kanzlei für Wirtschafts- und Bankrecht

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