Wie funktionieren Derivate?

22.02.2018, Autor: Herr Karsten Eckhardt / Lesedauer ca. 6 Min. (99 mal gelesen)
Welche Funktion erfüllen Derivate? Sind diese zur Geldanlage geeignet?

Anlegern steht heute eine breite Palette von möglichen Finanzinstrumenten und Anlageformen zur Verfügung. Dabei ist es oft nicht leicht, den Überblick zu behalten und die Sinnhaftigkeit, aber auch die Risiken der angebotenen Produkte im Blick zu behalten.
Besonders die sog. Derivate - auch Termingeschäfte genannt - werden vielfach skeptisch betrachtet und oftmals mit Spekulantentum und windigen Geschäftsmodellen in Verbindung gebracht.
Dies liegt sicherlich mit daran, dass sich unter dem Oberbegriff „Derivate“ eine Vielzahl, teils hochkomplexer Finanzinstrumente herausgebildet hat, deren Funktionsweise auf den ersten Blick nur wenig verständlich ist und gerade auch im Rahmen der Finanzkrise „schwarzen Schafen“ Tor und Tür geöffnet hat.
Gerade in Niedrigzinszeiten erscheint die Investition in Termingeschäfte aber auch manchem Privatanleger verlockend. Dabei sollten dem Anleger jedoch stets die rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken seiner Anlageentscheidung bewusst sein. Gerade hochriskante Finanzprodukte - zu denen auch Derivate gezählt werden können – sind nur für einen kleinen Teil von Anlegern geeignet und sollten nur nach gründlicher Analyse der eigenen Ziele und aber auch der vorhandenen finanziellen Rücklagen in Erwägung gezogen werden. Möchte ein Kleinanleger beispielsweise Vermögen für sein Alter aufbauen, ist ihm dringend von der Anlage in solche spekulativen Finanzinstrumente abzuraten.
Die nachfolgenden Ausführungen sollen einen ersten Überblick über die grundsätzliche Begrifflichkeit, die rechtlichen Besonderheiten und wirtschaftlichen Chancen und Risiken geben.

I. Grundgedanke des Derivats
Eine einfache Definition des Begriffs „Derivat“ ist angesichts der Fülle an unterschiedlichen Konstruktionen und Produkten, die sich mittlerweile am Finanzmarkt herausgebildet haben, nur schwer möglich. Eine Annäherung an den Begriff findet sich aber in § 1 Abs. 11 KWG, in dem es auszugsweise heißt:
„Derivate sind als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswertes ableitet (Termingeschäfte) (…).“
Ein wesentliches Merkmal eines Derivats ist also, dass der Abschluss eines Geschäfts und seine Erfüllung (z.B. Lieferung einer Ware und Kaufpreiszahlung) zeitlich auseinanderfallen, d.h., die Erfüllung des Vertrags kann z.B. erst Wochen oder Monate nach Vertragsschluss fällig sein, nämlich zu einem von den Vertragspartnern in der Zukunft bestimmten und festgelegten Zeitpunkt (Termingeschäft).
Das zweite wesentliche Merkmal der Derivate ist, dass sich ihr Wert von einem Basiswert mittelbar oder unmittelbar ableitet (lat. „derivare“ = „ableiten“). Um dies zu verstehen, sollte man sich zunächst bewusst machen, dass die Vertragspartner in der Regel nur dann ein Interesse an einem Termingeschäft haben, wenn sie Preisschwankungen befürchten oder auf Preisschwankungen spekulieren wollen.
Sinnvoll lassen sich Termingeschäfte also nur über Vertragsgegenstände abschließen, die auch einer Preisschwankung unterliegen (so wären z.B. Bücher aufgrund der in Deutschland geltenden Buchpreisbindung kein geeigneter Vertragsgegenstand, wohl aber Rohstoffe, die an der Börse gehandelt werden). Wer ein Termingeschäft abschließt, spekuliert im Prinzip darauf, dass die Preise für ein bestimmtes Gut entweder fallen oder steigen, je nach dem ob er Käufer oder Verkäufer ist.
Der Basiswert ist nun das Finanzinstrument, das dem Derivat zugrunde liegt und aus dem sich der Wert des Derivats ableitet. Beispiele hierfür sind z.B. Aktien oder Indizes. Der Wert des Derivats hängt also von der Wertentwicklung des zugrundeliegenden Basiswertes ab. Mittels Derivaten kann z.B. darauf spekuliert werden, dass eine Aktie im Wert fällt oder steigt. Die Aktie ist dann der Basiswert, ihre Entwicklung bestimmt den Wert des Derivats. Je nach dem ob man auf steigende oder fallende Kurse gesetzt hat, steigt auch der Wert des Derivats.
Die Hauptgefahr für Privatanleger besteht dabei in der sog. Hebelwirkung der Derivate. Der Hebel (auch Leverage genannt) bedeutet, dass Anleger zunächst nur einen Bruchteil des Basiswertes investieren müssen, um ein Termingeschäft abzuschließen. Für den Fall einer positiven Entwicklung des Derivats ist dies natürlich erfreulich und Anleger können so durch den Einsatz von relativ wenig Kapital gute Gewinne machen.
Der Hebel wirkt allerdings auch in die andere Richtung. Bei Kurseinbrüchen kann es aufgrund der Hebelwirkung zur Nachschusspflicht der Anleger kommen. Dies kann soweit gehen, dass der Anleger sogar mehr Geld verliert, als er eigentlich ursprünglich angelegt hat.

Trotz aller Komplexität der heutigen Derivate, liegt ihr Ursprung eigentlich in einem ganz praktischen Bereich, nämlich der Landwirtschaft. Für Landwirte stellte sich von jeher das Problem, dass Ernten stark von äußeren Einflüssen abhängig sind. Je nachdem, wie die Ernten ausfielen, konnten die Preis für bspw. Getreide auf dem Markt stark schwanken, sodass neben Ernteausfällen auch stets das Risiko sinkender Preise drohte.
In der Landwirtschaft gab es also ein starkes wirtschaftliches Interesse daran, sich gegen Risiken wie Preisschwankungen abzusichern. Dies konnten Landwirte am einfachsten, indem sie bereits frühzeitig, zum Beispiel zum Zeitpunkt der Aussaat, mit dem Käufer einen festen Preis für die spätere Ernte vereinbarten. Die Bauern konnten damit sicher sein, unabhängig von der Entwicklung der Marktpreise einen kalkulierbaren Preis für ihre Ernte zu erhalten. Der Käufer hingegen konnte sicher sein, zum Zeitpunkt der Lieferung nur einen bestimmten, bereits vorab festgelegten Preis zahlen zu müssen, auch wenn die Preise auf dem Markt zwischenzeitlich höher gestiegen sein sollten. Beide Parteien konnten sich so gegen Schwankungen der Marktpreise abgesichern.
Mittlerweile haben sich Derivate natürlich von dieser historischen Wurzel weit wegentwickelt, hin zu hochkomplexen Finanzprodukten bei denen es größtenteils auch gar nicht mehr um die tatsächliche Lieferung von Waren geht. Der Grundgedanke der Absicherung ist dem Ziel der Spekulation und Abschöpfung von Gewinnen in den meisten Fällen gewichen.
Zum Verständnis der heutigen Derivate mag es aber hilfreich sein, sich den ursprünglichen Sinn und Zweck – nämlich Absicherung von Käufer und Verkäufer vor Preisschwankungen – vor Augen zu führen.

II. Verschiedene Arten von Derivaten
Derivate werden sowohl an der Börse, als auch außerbörslich gehandelt. Dabei lassen sich sowohl im klassischen Sinne Waren, wie z.B. Rohstoffe oder Agrarprodukte, aber auch Finanzinstrumente, wie z.B. Aktien, Devisen oder gar nur davon abgeleitete Werte, wie z.B. Aktienindizes, als Termingeschäft handeln.
Im Wesentlichen lassen sich Derivate aber in drei große Gruppen aufteilen, nämlich
- Festgeschäfte
- Optionsgeschäfte und
- Swapgeschäfte.
Das Festgeschäft entspricht dem oben dargestellten Beispiel aus der Landwirtschaft. Verkäufer und Käufer vereinbaren für einen Termin in der Zukunft die Lieferung des Kaufgegenstandes zu einem fixen Preis.
Demgegenüber geben Optionsgeschäfte dem Käufer die Wahlfreiheit, ob er zum Fälligkeitszeitpunkt tatsächlich die vereinbarte Lieferung kaufen möchte oder aber von dem Kauf wieder Abstand nimmt. Der Käufer kann damit auf aktuelle Entwicklungen im Marktpreis reagieren. Er wird das Geschäft nur dann vollziehen, wenn sich seine bei Vertragsschluss prognostizierte Marktentwicklung auch tatsächlich zu seinen Gunsten entwickelt hat. Der Verkäufer hingegen lässt sich dieses Optionsrecht in der Regel durch eine Optionsprämie vergüten.
Swapgeschäfte (engl. „swap“ = Tausch) hingegen, allen voran Zinsswaps, sind ein deutlich komplexes Finanzprodukt, bei dem der Austausch von Zinszahlungen vereinbart wird. Der Idee nach sollen Zinsswaps der Absicherung des Zinsrisikos bei Finanzierungen dienen. Wie bei allen Derivaten, deren Grundidee die Absicherung von Preisschwankungen / wirtschaftlichen Risiken war, werden aber gerade die Zinsswaps von Spekulanten mit dem Ziel eingesetzt, durch hochriskanten Geschäfte Spekulationsgewinne zu generieren.

III. Risiken und Chancen
Vor allem in Niedrigzinsphasen scheint eine Anlage, in der durch relativ geringen Kapitaleinsatz mitunter hohe Gewinne erwirtschaftet werden können, für Anleger attraktiv zu sein.
Privatanleger sollten bei dem Thema Derivate allerdings größte Sorgfalt walten lassen und im Zweifelsfall von dem Abschluss solcher Geschäfte Abstand nehmen, insbesondere wenn sie über keine Erfahrungen auf dem Finanzmarkt verfügen.
Derivate gehören zu den hochriskanten Finanzinstrumenten, die neben hohen Gewinnen auch enorme Verluste bescheren können. Oft sind die Risiken für private Investoren kaum überschaubar oder kalkulierbar, gerade da die Produkte teils hochkomplex sind und sich die Funktionsweisen oftmals nur ausgewiesenen Marktkennern – mit entsprechenden finanziellen Rücklagen - erschließen.
Für den durchschnittlichen Kleinanleger ist diese Art der Geldanlage aufgrund der Risiken in der Regel nicht zu empfehlen, insbesondere nicht für den Aufbau eines sicheren Vermögensstocks oder gar der Altersvorsorge.
Es empfiehlt sich vor einer entsprechenden Investition sich unabhängigen Rat einzuholen.


Autor dieses Rechtstipps

Rechtsanwalt
Karsten Eckhardt

WiBaR-Kanzlei für Wirtschafts- und Bankrecht

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