BGH, Beschl. 18.5.2017 - I ZR 3/16

Vorlagebeschluss zu UBER Black und unionsrechtlicher Dienstleistungsfreiheit

Autor: RA Thomas Elteste, LL.M., Frankfurt/M.
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 11/2017
Die unmittelbare Auftragserteilung an Fahrer von Mietwagen bei UBER Black verstößt gegen das personenbeförderungsrechtliche Rückkehrgebot (§ 49 Abs. 4 PBefG). UBER ist dabei zumindest Teilnehmer am Wettbewerbsverstoß der Mietwagenunternehmer. Dem EuGH ist die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob auch UBER Black nicht der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit unterliegende Verkehrsdienstleistungen erbringt oder diese Dienstleistungen hier zumindest unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der öffentlichen Ordnung untersagt werden können.

BGH, Beschl. v. 18.5.2017 - I ZR 3/16

Vorinstanz: LG Berlin, Urt. v. 9.2.2015 - 101 O 125/124
Vorinstanz: KG, Urt. v. 11.12.2015 - 5 U 31/15

RL 2006/123/EG Art. 2 Abs. 2 Buchst. d, Art. 16 Abs. 1; UWG § 3a; PBefG § 49 Abs. 4

Das Problem

Die niederländische Tochter von UBER stellte in Kooperation mit zur Personenbeförderung zugelassenen Mietwagenunternehmen eine Smartphone-Applikation bereit, über die Nutzer Mietwagen mit Fahrern bestellen können (UBER Black). UBER leitete dabei die eingehenden Bestellungen von einem niederländischen Server an den Fahrer des nächstgelegenen Mietfahrzeuges weiter. Zeitgleich benachrichtigte UBER dessen Mietwagenunternehmen. UBER bestimmte insb. die Preisgestaltung, die Abwicklung des Zahlungsverkehrs und die Beförderungsbedingungen und warb für die von UBER vermittelten Fahrzeuge unter seiner Unternehmensbezeichnung sowie mit einheitlichen Rabattaktionen. UBER forderte per E?Mail die Fahrer der Mietwagenunternehmen auf, sich an kundenträchtigen Orten aufzuhalten. Dabei berief das Unternehmen sich u.a. darauf, dass die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit einem auf das Rückkehrgebot für Mietwagen nach § 49 Abs. 4 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) gestützten wettbewerbsrechtlichen Verbot von UBER Black entgegensteht. Zu Recht?

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH nimmt einen Verstoß gegen das personenförderungsrechtlichen Rückkehrgebot an, legt jedoch dem EuGH die Frage zur Entscheidung vor, ob das Rückkehrgebot für Mietwagen nach § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG mit der unionsrechtlich verankerten Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist. Das Gericht bejaht das Vorliegen einer Marktverhaltensregelung, der Förderung fremden Wettbewerbs durch UBER wie auch eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zum klagenden Berliner Taxiunternehmer.

Unvereinbarkeit mit personenbeförderungsrechtlichem Rückkehrgebot: Die Smartphone-Applikation UBER Black sei mit dem Rückkehrgebot unvereinbar. Demnach dürften Mietwagen nur Beförderungsverträge ausführen, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen seien. Nach Ausführung des Beförderungsauftrags habe der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er habe vor oder während der Fahrt von seinem Betriebssitz einen neuen Beförderungsauftrag erhalten. Entscheidendes Abgrenzungsmerkmal zwischen Taxen- und Mietwagenverkehr sei, dass die unmittelbare Annahme von Beförderungsaufträgen durch den Fahrer während der Fahrt Taxen vorbehalten sei, während ein Auftrag den Fahrer eines Mietwagens nur über den Betriebssitz (oder die Wohnung) des Mietwagenunternehmers erreiche. Dabei handle es sich um eine – wie 1989 vom BVerfG festgestellt – verfassungsrechtlich unbedenkliche Berufsausübungsregelung, die es allein der betriebswirtschaftlichen Disposition des Unternehmers überlasse, seinen Betrieb so einzurichten, dass er in der Lage sei, Fahrern während der Beförderung oder auf der Rückfahrt neue Aufträge zu übermitteln, die zuvor am Betriebssitz eingegangen seien.

Keine Berufung auf Herkunftslandprinzip: UBER könne sich auch nicht auf das in § 3 Abs. 3 Satz 1 TMG und Art. 3 Abs. 1, 2 RL 2000/31/EG geregelte Herkunftslandprinzip berufen. Die über eine Smartphone-Applikation angebotene Vermittlungsleistung sei zwar selbst ein Dienst der Informationsgesellschaft. Die dadurch vermittelte Beförderungsleistung werde aber nicht im Fernabsatz, sondern bei physischer Anwesenheit beider Vertragsparteien erbracht und werde auch dadurch nicht zu einem Dienst der Informationsgesellschaft, dass sie auf elektronischem Weg, etwa über eine App, vermittelt werde. Die für die Erbringung der physischen Dienstleistung geltenden Vorschriften blieben in einem solchen Fall anwendbar.

Keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit: Auch die durch Art. 49 AEUV gewährleistete Niederlassungsfreiheit werde durch die wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit der Smartphone-Applikation nicht berührt. Die dauerhafte Erbringung grenzüberschreitender, auch elektronischer Dienstleistungen begründe für sich allein keine Niederlassung und UBER trage auch nicht vor, feste Einrichtungen in Deutschland aufbauen zu wollen. Es stehe UBER frei, seinen Unternehmenssitz oder eine Zweigniederlassung in Deutschland zu errichten oder von den Niederlanden aus im Rahmen der für alle Marktteilnehmer geltenden Gesetze in Deutschland tätig zu werden.

Dienstleistungsfreiheit: Fraglich sei jedoch, ob ein Verbot der Smartphone-Applikation UBER Black mit der Dienstleistungsfreiheit nach Art 56 Abs. 1 AEUV und der RL 2006/123/EG vereinbar sei. Dabei stelle sich zunächst die Frage, ob die angebotene Dienstleistung eine vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommene Verkehrsdienstleistung i.S.v. Art. 58 Abs. 1 AEUV und Art. 2 Abs. 2 Buchst. D RL 2006/123/EG darstelle; dies sei dem Unionsrecht und der Rechtsprechung des EuGH nicht mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, auch wenn der Taxiverkehr selbst ausdrücklich im Erwgrd. der Richtlinie als Verkehrsdienstleistung bezeichnet werde. Zwar erfasse nach der Rechtsprechung des EuGH der Ausschluss auch jede Dienstleistung, die naturgemäß mit der Beförderung von Personen oder Waren von einem Ort zum anderen mittels eines Land-, Luft- oder Wasserfahrzeugs verbunden sei. Die elektronische Vermittlung von Fahraufträgen an Mietwagen als solche sei aber für das Geschäft der Vermietung von Kraftfahrzeugen mit Fahrern weder unverzichtbar noch naturgemäß mit dieser verbunden. Mietwagen seien auch künftig in der Lage, ihrem Gewerbe unabhängig von UBER Black nachzugehen.

Verkehrsdienstleistung: Besondere Umstände könnten es jedoch rechtfertigen, die Tätigkeit von UBER als Dienstleistung auf dem Gebiet des Verkehrs anzusehen. UBER organisiere den Marktauftritt der gebundenen Flotte mit Fahrern im Hinblick auf die Preisgestaltung, Abwicklung des Zahlungsverkehrs und Werbung mit für die gesamte Flotte gültigen Rabattaktionen so einheitlich, dass es die zur Flotte gehörenden Fahrzeuge als UBER bezeichne. Die enge Verbindung der Organisationsleistung mit dem eigentlichen Beförderungsvorgang spreche dafür, die mit UBER Black erbrachten Dienstleistungen als Dienstleistungen auf dem Gebiet des Verkehrs anzusehen. Andernfalls stelle sich die Frage, ob aufgrund des Ziels, Wettbewerbs- und Funktionsfähigkeit des Taxenverkehrs zu erhalten, das Verbot einer Dienstleistung in der vorliegenden Ausgestaltung nach Art 16 Abs. 1 der RL 2006/123/EG unter dem Aspekt des Schutzes der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt sein könne, bei dem den Mitgliedstaaten ein Beurteilungsspielraum innerhalb der durch Unionsrecht gesetzten Grenzen zugebilligt werde.

Allgemeininteresse: Nach der Rechtsprechung des BVerfG diene die gesetzliche Abgrenzung der Berufsbilder des Mietwagen- und Taxiunternehmers dem Schutz der Existenz- und Funktionsfähigkeit des Taxenverkehrs, an dem im Hinblick auf die dafür geltenden festen Tarife für individuelle Fahrten mit Beförderungszwang ein wichtiges Interesse der Allgemeinheit bestehe. Das Verbot sei weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Orts der Niederlassung. Es sei erforderlich und geeignet; neuartige Verkehrsangebote könnten den Taxenverkehr zwar ergänzen, nicht aber ersetzen.


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