BGH, Beschl. 21.7.2020 - 5 StR 146/19

Identitätstäuschung bei eBay

Autor: RA, FA IT-Recht Dr. Kay Oelschlägel, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 01/2021
Auch bei Vorlage der Fotokopie oder Übersendung elektronischer Daten von echten Personalausweisen zu Täuschungszwecken kann ein Gebrauchen von Ausweispapieren i.S.d. § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB gegeben sein. Insofern ist eine Gleichstellung mit der Begriffsbestimmung in § 267 StGB geboten. Eine Fälschung beweiserheblicher Daten gem. § 269 StGB (schon) durch die Anmeldung auf einer Verkaufsplattform unter Angabe falscher Personalien liegt vor, wenn die persönlichen Daten abgefragt werden.

StGB §§ 281 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 1

Das Problem

Ein Straftäter hatte ein eBay‑, eBay-Kleinanzeigen- und Chrono24-Mitgliedskonto mit falschen Personalien eingerichtet, um auf diesem Weg Luxusgüter – zumeist hochwertige Armbanduhren – zum Kauf anzubieten, obwohl er diese weder liefern konnte noch wollte. Er übermittelte Kaufinteressenten elektronische Dateien fremder Personalausweise, um sie über seine Identität zu täuschen. Zahlreiche Käufer überwiesen daraufhin den vereinbarten Kaufpreis vorab, erhielten jedoch keine Gegenleistung. In der Vorinstanz wurde der Angeklagte vom LG Hamburg zu drei Jahren und 10 Monaten Freiheitsstrafe – u.a. wegen Betrugs und Missbrauchs von Ausweispapieren – verurteilt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision zum BGH.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH hat die Revision in nahezu allen angeklagten Fällen zurückgewiesen.

Missbrauch von Ausweispapieren: Durch die Übersendung elektronischer Dateien fremder Personalausweise habe sich der Angeklagte gem. § 281 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Er habe ein echtes Ausweispapier, das für einen anderen ausgestellt sei, gebraucht, um einen Vertragspartner zu einem rechtserheblichen Verhalten zu veranlassen. Der Begriff des Gebrauchens in § 281 Abs. 1 StGB sei wie in § 267 Abs. 1 StGB auszulegen. Danach mache von einer Urkunde Gebrauch, wer dem zu Täuschenden die sinnliche Wahrnehmung der Urkunde ermögliche (BGH v. 11.12.1951 – 1 StR 567/51). Dies könne nicht nur durch die Vorlage der Urkunde selbst, sondern auch dadurch geschehen, dass der Täter dem Getäuschten eine Kopie oder ein Lichtbild einer Urkunde zugänglich mache. Auch dann werde die sinnliche Wahrnehmung der Urkunde selbst ermöglicht (BGH, Urt. v. 30.11.1953 – 1 StR 318/53). Diese Argumentation sei – entgegen bisheriger Rechtsprechung – auf § 281 StGB übertragbar. Aus dem Wortlaut des § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB ergäben sich keine Einschränkungen der Tathandlung auf besondere Formen des Gebrauchs eines Ausweispapiers. Maßgeblich sei die Ermöglichung der sinnlichen Wahrnehmung, auch wenn dies vermittelt durch die Vorlage eines Abbildes geschehe. Dies ergebe sich schon aus der Gesetzessystematik: Die gleichlautende Verwendung desselben Begriffs in zwei Strafnormen im selben Abschnitt des besonderen Teils des StGB spreche für eine gleiche Auslegung beider Begriffe. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck des § 281 StGB. Die Norm diene dem Schutz des Rechtsverkehrs durch Identitätsschutz. Den Tatbestand erfülle, wer sich die besondere Beweisfunktion eines echten Ausweispapieres zunutze mache, was nicht nur bei Vorlage des Originals geschehe. Der Rechtsverkehr vertraue darauf, dass nur derjenige zum Identitätsnachweis ein Ausweispapier nutze, der berechtigter Inhaber sei. Dieses Vertrauen sei auch bei Vorlage einer Kopie verletzt. Wegen veränderter technischer, wirtschaftliche und rechtlicher Rahmenbedingungen stehe die Vorlage einer Kopie der Vorlage des Originals heutzutage gleich.

Fälschung beweiserheblicher Daten zur Kontoeinrichtung: Nach § 269 StGB mache sich strafbar, wer beweiserhebliche Daten so speichere oder verändere, dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde, oder wer derartige Daten gebrauche. Es falle schon die Einrichtung eines eBay-Kontos mit falschen Personalien darunter, denn mit Einrichten des Kontos durch Ausfüllen und Absenden des entsprechenden Onlineformulars gebe der Kunde die Gedankenerklärung ab, dass die angegebene Person mit den angegebenen Personalien einen Nutzungsvertrag schließen wolle. Diese Erklärung sei zum Beweis geeignet und bestimmt; eine besondere Erklärung der Authentizität der bei der Anmeldung angegebenen Personalien sei nicht erforderlich. Auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen lägen bereits bei der Anmeldung vor. Die Daten würden so gespeichert, dass bei ihrer Kenntnisnahme durch Kaufinteressenten eine unechte Urkunde vorliege. Auch habe der Täter im Rechtsverkehr gehandelt, da er nicht nur eBay getäuscht, sondern über das Konto auch betrügerische Verkäufe abgewickelt habe.

Fälschung beweiserheblicher Daten bei Abgabe eines Verkaufsangebots: Anders als bei eBay stelle die bloße Erstellung eines Nutzerkontos mit falschen Personalien bei eBay-Kleinanzeigen und Chrono24 keinen Verstoß gegen § 269 StGB dar. Auf diesen Plattformen würden die persönlichen Daten bei der Anmeldung nicht abgefragt, es reiche schon die Angabe einer E‑Mail und eines Passworts. Jedoch habe sich der Beklagte auch hier spätestens zu dem Zeitpunkt strafbar gemacht, zu dem er unter falschem Namen konkrete Verkaufsangebote kommuniziert habe. Bei konkreten Vertragsverhandlungen sei es für den Vertragspartner essenziell, den echten Namen des Verkäufers zu kennen. Deshalb liege auch nicht nur eine straflose Namenstäuschung vor.


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