EuG, Beschl. 29.4.2025 - T-319/24
Keine Nichtigkeit der EDSA-Stellungnahme zu „Consent or Pay“
Autor: RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 10/2025
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 10/2025
Gegen Stellungnahmen i.S.v. Art. 64 Abs. 2 DSGVO ist eine Nichtigkeitsklage i.S.v. Art. 263 AEUV unzulässig.
AEUV Art. 263; DSGVO Art. 64 Abs. 2
Kein verbindlicher Inhalt:Eine Nichtigkeitsklage i.S.v. Art. 263 AEUV setze verbindliche Rechtswirkungen angegriffenen Unionshandelns voraus. Die StN 8/2024 enthalte nur ein Prüfraster für die Einzelfallprüfung durch Aufsichtsbehörden. Die enthaltene Annahme zumeist unwirksamer Einwilligung bei fehlender VnA setze mehrere Faktoren voraus (z.B. wichtige Bedeutung des Diensts für Nutzer oder unangemessen hohes Entgelt bei Abo). Die VoA werde dort nicht generell verurteilt (Rz. 21 ff.).
Partiell unverbindliches Kohärenzverfahren:Die StN 8/2024 sei i.S.v. Art. 64 Abs. 2 DSGVO aufgrund einer „Angelegenheit mit allgemeiner Geltung“ und nicht wegen Differenzen unter Aufsichtsbehörden erfolgt. Die Verpflichtung gem. Abs. 7, einer Stellungnahme „weitestgehend Rechnung“ zu tragen, gelte für Stellungnahmen i.S.v. Abs. 1 zu bestimmten Beschlussentwürfen, die dem EDSA für einen verbindlichen Beschluss nach Abs. 8 mitzuteilen seien, und nicht für allgemeine Fragen i.S.v. Abs. 2. Neben einem verbindlichen Beschluss gem. Art. 65 Abs. 1 lit. c DSGVO könne der EDSA bei Stellungnahmen zu allgemeinen Sachfragen, wenn i.R.e. Verfahrens zu grenzüberschreitenden Datenverarbeitungen die federführende Aufsichtsbehörde von der Stellungnahme durch einen Beschlussentwurf i.S.v. Art. 60 Abs. 3 DSGVO abweiche, die erörterte Frage erneut durch verbindlichen Beschluss gem. Art. 65 Abs. 1 lit. a DSGVO prüfen. Die isolierte Stellungnahme i.S.v. Art. 64 Abs. 2 DSGVO sei aber nicht verbindlich. Auch die Regeln für die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsbehörden sähen eine solche beratende Vorphase vor (Rz. 25–29).
Keine anfechtbare Handlung:Die StN 8/2024 könne ohne vollständige Fallwürdigung nicht verbindlich sein. Auch wenn deren Prüfraster Meta oder die DPC anwenden würden, seien sie hierzu nicht verpflichtet. Die Berücksichtigung der StN 8/2024 i.R.d. Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden gem. Art. 57 Abs. 1 lit. g DSGVO führe trotz zulässiger Neubewertung i.R.e. späteren verbindlichen Beschlusses nicht per se zu verbindlicher Wirkung. Entsprechendes gelte, wenn die maßgebliche Bewertung des EuGH verkannt worden sein sollte. Mangels eigenständiger Verbindlichkeit könne Art. 47 GRC nicht tangiert sein. Es fehle an unmittelbarer und individueller Betroffenheit von Meta (Rz. 31–37 m.w.N.).
Inhärente Minderung der Einheit des Unionsrechts:Nach Art. 108 Abs. 2 EWR-Abkommen und Art. 34 EFTA-Abkommen könne der EFTA-Gerichtshof von Gerichten des EWR angerufen werden, während für Gerichte der EU das Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH in Betracht komme (vgl. i.Ü. zur Streitbeilegung mit dem EuGH Art. 111 EWR-Abkommen). Würde man die Nichtigkeitsklage zur Vermeidung unterschiedlicher Ergebnisse zulassen, würden die Voraussetzungen des Art. 263 AEUV ausgehebelt (Rz. 38–41 m.w.N.).
Offensichtlich unbegründeter Schadensersatzantrag:Die außervertragliche Haftung i.S.v. Art. 340 Abs. 2 AEUV setze den Nachweis eines Schadens aufgrund Rechtsverstoßes von Unionsstellen voraus. Ein rein hypothetischer und unbestimmter Schaden begründe keinen Ersatzanspruch. Ein erforderlicher sicherer Schaden liege vor, wenn der Schaden unmittelbar bevorstehe und hinreichend vorhersehbar sei, auch wenn er noch nicht genau beziffert werden könne. Der hier geltend gemachte Schaden bestehe im Rückgang der Werbe- und Abonnementeinnahmen durch die Nutzerwahl der angeblich von der StN 8/2024 geforderten VnA, die die DPC entweder freiwillig oder nach verbindlichem Beschluss i.S.v. Art. 65 Abs. 1 lit. c DSGVO vorschreibe. Angesichts der Unverbindlichkeit könne die StN 8/2024 keine unmittelbare Schadensursache sein (Rz. 44, 47, 50–57 m.w.N.).
AEUV Art. 263; DSGVO Art. 64 Abs. 2
Das Problem
Nach der Stellungnahme des EDSA v. 17.4.2024 zu „Consent or Pay“-Modellen (auch „Okay or Pay“ oder „Pur-Abo“) großer Online-Plattformen (StN 8/2024) fehlt zumeist insb. die Freiwilligkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung in die Alternative verhaltensorientierter Werbung (VoA), wenn als „gleichwertige Alternative“ nur ein kostenpflichtiges Abo angeboten und auf eine kostenfreie verhaltensneutrale Alternative (VnA) – mit weniger personenbezogenen Daten – verzichtet wird (z.B. kontext‑, präferenzenorientierte oder allgemeine Werbung).Die Entscheidung des Gerichts
Die Klage von Meta gegen den EDSA auf Nichtigerklärung der StN 8/2024 werde als unzulässig und die auf Rücknahme, Schadensersatz sowie Feststellung unberechtigter Forderung einer VnA als offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrend abgewiesen.Kein verbindlicher Inhalt:Eine Nichtigkeitsklage i.S.v. Art. 263 AEUV setze verbindliche Rechtswirkungen angegriffenen Unionshandelns voraus. Die StN 8/2024 enthalte nur ein Prüfraster für die Einzelfallprüfung durch Aufsichtsbehörden. Die enthaltene Annahme zumeist unwirksamer Einwilligung bei fehlender VnA setze mehrere Faktoren voraus (z.B. wichtige Bedeutung des Diensts für Nutzer oder unangemessen hohes Entgelt bei Abo). Die VoA werde dort nicht generell verurteilt (Rz. 21 ff.).
Partiell unverbindliches Kohärenzverfahren:Die StN 8/2024 sei i.S.v. Art. 64 Abs. 2 DSGVO aufgrund einer „Angelegenheit mit allgemeiner Geltung“ und nicht wegen Differenzen unter Aufsichtsbehörden erfolgt. Die Verpflichtung gem. Abs. 7, einer Stellungnahme „weitestgehend Rechnung“ zu tragen, gelte für Stellungnahmen i.S.v. Abs. 1 zu bestimmten Beschlussentwürfen, die dem EDSA für einen verbindlichen Beschluss nach Abs. 8 mitzuteilen seien, und nicht für allgemeine Fragen i.S.v. Abs. 2. Neben einem verbindlichen Beschluss gem. Art. 65 Abs. 1 lit. c DSGVO könne der EDSA bei Stellungnahmen zu allgemeinen Sachfragen, wenn i.R.e. Verfahrens zu grenzüberschreitenden Datenverarbeitungen die federführende Aufsichtsbehörde von der Stellungnahme durch einen Beschlussentwurf i.S.v. Art. 60 Abs. 3 DSGVO abweiche, die erörterte Frage erneut durch verbindlichen Beschluss gem. Art. 65 Abs. 1 lit. a DSGVO prüfen. Die isolierte Stellungnahme i.S.v. Art. 64 Abs. 2 DSGVO sei aber nicht verbindlich. Auch die Regeln für die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsbehörden sähen eine solche beratende Vorphase vor (Rz. 25–29).
Keine anfechtbare Handlung:Die StN 8/2024 könne ohne vollständige Fallwürdigung nicht verbindlich sein. Auch wenn deren Prüfraster Meta oder die DPC anwenden würden, seien sie hierzu nicht verpflichtet. Die Berücksichtigung der StN 8/2024 i.R.d. Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden gem. Art. 57 Abs. 1 lit. g DSGVO führe trotz zulässiger Neubewertung i.R.e. späteren verbindlichen Beschlusses nicht per se zu verbindlicher Wirkung. Entsprechendes gelte, wenn die maßgebliche Bewertung des EuGH verkannt worden sein sollte. Mangels eigenständiger Verbindlichkeit könne Art. 47 GRC nicht tangiert sein. Es fehle an unmittelbarer und individueller Betroffenheit von Meta (Rz. 31–37 m.w.N.).
Inhärente Minderung der Einheit des Unionsrechts:Nach Art. 108 Abs. 2 EWR-Abkommen und Art. 34 EFTA-Abkommen könne der EFTA-Gerichtshof von Gerichten des EWR angerufen werden, während für Gerichte der EU das Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH in Betracht komme (vgl. i.Ü. zur Streitbeilegung mit dem EuGH Art. 111 EWR-Abkommen). Würde man die Nichtigkeitsklage zur Vermeidung unterschiedlicher Ergebnisse zulassen, würden die Voraussetzungen des Art. 263 AEUV ausgehebelt (Rz. 38–41 m.w.N.).
Offensichtlich unbegründeter Schadensersatzantrag:Die außervertragliche Haftung i.S.v. Art. 340 Abs. 2 AEUV setze den Nachweis eines Schadens aufgrund Rechtsverstoßes von Unionsstellen voraus. Ein rein hypothetischer und unbestimmter Schaden begründe keinen Ersatzanspruch. Ein erforderlicher sicherer Schaden liege vor, wenn der Schaden unmittelbar bevorstehe und hinreichend vorhersehbar sei, auch wenn er noch nicht genau beziffert werden könne. Der hier geltend gemachte Schaden bestehe im Rückgang der Werbe- und Abonnementeinnahmen durch die Nutzerwahl der angeblich von der StN 8/2024 geforderten VnA, die die DPC entweder freiwillig oder nach verbindlichem Beschluss i.S.v. Art. 65 Abs. 1 lit. c DSGVO vorschreibe. Angesichts der Unverbindlichkeit könne die StN 8/2024 keine unmittelbare Schadensursache sein (Rz. 44, 47, 50–57 m.w.N.).