Neues zum Ausgleichsanspruch im Rotationssystem

12.11.2013, Autor: Frau Anke Winter / Lesedauer ca. 3 Min. (615 mal gelesen)
Änderung des § 89b HGB: Hoffnung für Handelsvertreter im Rotationssystem

Bisher: Ausgleichsanspruch konnte nicht höher sein als Provisionsverluste

Der Ausgleichsanspruch konnte bisher nicht höher sein als die Provisionen, die der Handelsvertreter mit den von ihm geworbenen Neukunden nach Ausspruch der Kündigung verdient hätte. (gedanklich wird unterstellt, der Vertrag bestünde fort und der Handelsvertreter bekäme weiterhin Provision aus den Geschäften seiner Neukunden). So stand es bis zum 1. August 2009 im HGB.

Dies führte zu einem sehr niedrigen Ausgleichsanspruch für alle Handelsvertreter, die kurz vor Ausspruch der Kündigung ihr Gebiet gewechselt hatten. Es wurden nämlich nur die Kunden berücksichtigt, für die der Handelsvertreter im letzten Jahr Provisionen erhalten hatte. Kunden, die der Handelsvertreter in den Jahren zuvor für das Unternehmen geworben hatte, wurden nicht berücksichtigt, wenn diese nicht mehr vom Handelsvertreter betreut wurden. Auch dann nicht, wenn feststeht, dass diese noch die nächsten 20 Jahre nachkaufen werden und der Unternehmer daher aus der Geschäftsbeziehung noch lange Vorteile ziehen wird. Der Bundesgerichtshof hat dies damit begründet, wolle man diese Kunden bei der Berechnung des Ausgleichs berücksichtigen, so entferne sich die Berechnungsweise doch zu weit von derjenigen Situation, die die Parteien durch die gewählte Vertragsgestaltung selbst geschaffen haben (BGH NJW 1999, 2669).

Eine missliche Situation für den Handelsvertreter. Hat er 20 Jahre ein Gebiet erfolgreich bearbeitet und sich einen großen Neukundenstamm aufgebaut und ist dann im letzten Jahr in ein neues Gebiet versetzt worden und hat hier keinen einzigen Neukunden geworben, so betrug sein Ausgleichsanspruch exakt 0,00 €.

Einige Unternehmer haben diese Rechtslage ausgenutzt und Handelsvertreter im Rotationssystem eingesetzt, mit der Folge, dass diese nie einen ordentlichen Ausgleichsanspruch aufbauen konnten.

Die Änderung: Ausgleichsanspruch kann höher sein als Provisionsverluste.


Seit dem 1. August 2009 ist § 89b HGB geändert worden. Nun ist der Provisionsverlust des Handelsvertreters nicht mehr die obere Grenze seines Ausgleichsanspruches. Entscheidend für die Höhe des Ausgleichsanspruches ist jetzt der Vorteil, der dem Unternehmer aus der Geschäftsbeziehung mit sämtlichen vom Handelsvertreter geworbenen Neukunden verbleibt. (Die Provisionsverluste werden nur noch im Rahmen der Billigkeitsprüfung berücksichtigt).

Dies bedeutet für den Handelsvertreter im Rotationssystem: Alle von ihm geworbenen Neukunden sind bei der Berechnung des Ausgleichsanspruches zu berücksichtigen. Auch dann, wenn er im letzten Jahr in einem anderen Gebiet tätig war. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1999 ist durch diese Änderung nicht mehr aktuell.

Auch ein Handelsvertreter, der im Rotationssystem arbeitet, hat seit Neuem einen erheblichen Ausgleichsanspruch.

Wer profitiert?

Das Gesetz ist seit 1. August 2009 geändert. Jeder Handelsvertreter, der danach gekündigt wurde, profitiert.

Aber auch ein Handelsvertreter, der vor dem 1. August 2009 gekündigt wurde und über dessen Anspruch noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, kann sich darauf berufen. Denn Grund für die Tätigkeit des Gesetzgebers war eine Entscheidung des EuGH. Dieser entschied, dass die alte Fassung des § 89b HGB europarechtswidrig war (EuGH C 348/07-Tamoil). Mit dem europäischen Recht ist es nicht zu vereinbaren, dass die Provisionsverluste des Handelsvertreters die Obergrenze des Ausgleichsanspruches sind. Dies bedeutet: Die Gerichte müssen in allen jetzt anhängigen Verfahren, auch dann wenn die Kündigung vor dem 1. August 2009 erfolgt ist, den Ausgleichsanspruch nach dem europäischen Recht berechnen.

Zusammenfassung:

Das Gesetz ist zugunsten der Handelsvertreter, die im Rotationssystem arbeiten, geändert worden. Jeder Kunde, der vom Handelsvertreter geworben wurde und noch Kunde ist, wird beim Ausgleichsanspruch berücksichtigt. Dies gilt jetzt auch, wenn der Handelsvertreter ihn im letzten Jahr nicht betreut hat.