Haus abgebrannt: Muss der Nachbar Schadensersatz zahlen?

18.08.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Feuer,Hausbrand,Nachbar,Haftung Brennt bei einem Feuer das Nachbarhaus mit ab, drohen hohe Kosten. © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Anspruchsgrundlagen für Schadensersatz: § 823 BGB deckt vorsätzliche oder fahrlässige Schäden ab, während der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch aus § 906 BGB auch ohne Verschulden greifen kann, wie im Fall eines übergreifenden Hausbrandes.

2. Haftung auch ohne Verschulden: Selbst wenn der Hauseigentümer keine direkte Schuld am Brand trägt, kann er nach dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet sein, da er als "Störer" gilt.

3. Schadensabwicklung: Nach einem Brandschaden übernimmt zunächst die Gebäudeversicherung des Geschädigten die Kosten. Die Versicherung kann dann Schadensersatzansprüche gegen den Verursacher geltend machen. Hauseigentümer sollten sicherstellen, dass die Beseitigung von Brandschutt in ihrer Versicherung abgedeckt ist.
Von Schadensersatz hört man oft. Eigentlich ein Begriff mit alltäglicher Bedeutung – doch woraus ergibt sich, welche Schäden ersetzt werden und wie hoch der Schadensersatz ist? Rechtlich benötigt man für einen Anspruch auf Schadensersatz erst einmal eine sogenannte Anspruchsgrundlage. Dies kann jede Rechtsvorschrift sein, die einem Geschädigten den Ersatz des erlittenen Schadens zubilligt. Viele Schadensersatzansprüche beruhen zum Beispiel auf § 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Danach muss jeder, der "vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt", diesem den erlittenen Schaden ersetzen. Ebenso kann die Verletzung eines Gesetzes, das den Schutz eines anderen bezweckt, nach dieser Vorschrift einen Anspruch auf Schadensersatz begründen. Zur Höhe des Schadensersatzes steht darin jedoch nichts.

Worum ging es im Fall des abgebrannten Nachbarhauses?


Ein Handwerker war beauftragt worden, etwas am Flachdach eines Einfamilienhauses zu reparieren. Dabei führte er Heißklebearbeiten mit einem Brenner durch. Unbemerkt entstand ein Glutnest unter den Dachbahnen. Stunden später fing das Dach an dieser Stelle Feuer. Zwar konnten sich die Hauseigentümer rechtzeitig vor dem Brand in Sicherheit bringen, das Gebäude brannte jedoch komplett nieder.

Ebenso brannte auch das Nachbarhaus ab. Dieses war direkt an das andere Gebäude angebaut. Zwar zahlte die Gebäudeversicherung der Nachbarin den Schaden, wollte sich das Geld jedoch von den Verantwortlichen zurückholen. Die Versicherung machte den eigentlich ihrer Kundin zustehenden Schadensersatzanspruch geltend, da dieser nach § 86 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) mit der Zahlung auf sie übergegangen war. Zunächst verklagte sie den verantwortlichen Handwerker. Dieser wurde zur Zahlung von knapp 100.000 Euro verurteilt und meldete umgehend Verbraucherinsolvenz an. Anschließend verklagte die Versicherung dessen Auftraggeber, also die Hauseigentümer des Nachbarhauses.

Brandschaden: Wie haften Nachbarn untereinander?


Hier sind zwei Anspruchsgrundlagen möglich. Einmal der bereits angesprochene § 823 BGB (widerrechtliche Schädigung fremden Eigentums), dann der sogenannte nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch aus § 906 BGB. § 823 BGB setzt ein Verschulden voraus. Ein solches konnte dem Hauseigentümer hier jedoch nicht angelastet werden. Wenn ein Feuer von einem Haus auf ein anderes übergreift, wenden die Gerichte jedoch gerne den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 BGB an.

Welchen Hintergrund hat der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch?


Jeder Grundstückseigentümer hat das Recht, eine vom Nachbargrundstück ausgehende Störung seines Eigentums zu unterbinden. Gesetzlich geregelt ist dies in § 1004 BGB. Danach hat man also gegen seinen Nachbarn einen Unterlassungsanspruch, der zum Beispiel bei Lärmbelästigungen zur Anwendung kommen kann. Eingeschränkt wird dieser Anspruch durch § 906 BGB.
Nach § 906 müssen Nachbarn nämlich bestimmte unkörperliche Einwirkungen auf ihr Grundstück – etwa Rauch, Lärm oder Gestank – dulden, sofern diese unwesentlich sind oder unter den gesetzlichen Grenzwerten liegen. Sie müssen sogar wesentliche Beeinträchtigungen ihres Grundstücks hinnehmen, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

- die Beeinträchtigung ist ortsüblich (z.B. ein krähender Hahn im Bauerndorf),
- sie ist nicht durch Maßnahmen zu verhindern, die dem Grundstücksnutzer wirtschaftlich noch zumutbar sind.

Dann hat der Nachbar also Beeinträchtigungen seines Grundstücks zu dulden. Als Trostpflaster gibt ihm § 906 Abs. 2 BGB den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch: Wenn die Beeinträchtigung das zumutbare Maß überschreitet, kann er eine Entschädigung fordern.

Wie hat der Bundesgerichtshof zum Brandschaden am Nachbarhaus entschieden?


Nun gilt das Niederbrennen von Häusern bis auf die Grundmauern sicherlich nirgendwo als ortsüblich und ist auch in keinem Fall "zu dulden". Daher hat der Bundesgerichtshof hier § 906 Abs. 2 BGB auch nicht im wörtlichen Sinne, sondern nur entsprechend angewandt. Dies ist gängig, wenn vom anderen Grundstück eine Beeinträchtigung ausgeht, die der Nachbar nicht dulden muss, die man aber aus bestimmten Gründen auch nicht verhindern kann, und die für den geschädigten Grundstückseigentümer nicht zumutbar ist. Ein solcher Fall liegt vor beim Übergreifen eines Hausbrandes auf das Nachbarhaus. Dann greift der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, und der geschädigte Hauseigentümer kann Schadensersatz für den Brandschaden fordern.

Was, wenn der Nachbar gar nichts für den Schaden kann?


Ob der Eigentümer des Hauses, auf dem der Handwerker tätig war, irgendeine Schuld trägt, hat für den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch keine Bedeutung. Der benachbarte Hauseigentümer muss lediglich als "Störer" im Sinne von § 1004 BGB fungieren, das bedeutet, dass er die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks in irgendeiner Weise auch nur indirekt verursacht hat. Dabei reicht es für den Bundesgerichtshof völlig aus, dass der Hauseigentümer hier durch die Erteilung des Auftrags für Dacharbeiten eine Gefahr geschaffen hatte. Immerhin hätte er ja auch den Nutzen aus den erfolgreichen Dacharbeiten gehabt. Damit stammte das mit den Dachdeckerarbeiten einhergehende Risiko aus seinem Einflussbereich, und er musste letztendlich dafür gerade stehen. Für das Gericht spielte es hier auch keine Rolle, ob er den Handwerker sorgfältig ausgesucht hatte, oder nicht – ob er also darauf geachtet hatte, dass es sich um eine seriöse oder erfahrene Firma handelte. Der Hauseigentümer – bzw., um genau zu sein – mittlerweile die Erben des ursprünglichen Eigentümer-Paares – mussten hier also den Brandschaden am Nachbarhaus zahlen.

Woraus ergibt sich die Höhe des Schadensersatzes unter Nachbarn?


Dazu hat der Gesetzgeber mit § 249 BGB eine Grundregel geschaffen. Diese gilt für alle Anspruchsgrundlagen gleichermaßen und sie lautet: "Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre." Dies bezeichnet man auch als sie "Naturalrestitution". Die Herstellung des ursprünglichen Zustandes kann allerdings auch durch Zahlung einer Entschädigung in Geld stattfinden.

Bei Häusern hat die Rechtsprechung bisher nicht ganz so klare Grundsätze entwickelt, wie zum Beispiel bei Autos. Geht es um ein abgebranntes Haus, muss der Verursacher grundsätzlich den Zustand herstellen, der ohne das Feuer bestanden hätte. Dann müsste er also die Kosten des Wiederaufbaus bezahlen, aber auch zum Beispiel die Kosten der Beseitigung des Brandschutts, die wegen des dabei anfallenden Sonderabfalls sehr hoch sein können. Ersatzfähig kann auch ein entgangener Gewinn sein, etwa durch Mieteinnahmen. Der tatsächlich entstandene Schaden des Hauseigentümers darf dabei nicht mit der gezahlten Versicherungsleistung verwechselt werden. Diese richtet sich ausschließlich nach dem Inhalt des Versicherungsvertrages.

Hier stellte der Bundesgerichtshof zwar fest, wer den Schaden zahlen musste, fällte aber kein endgültiges Urteil. Zur Feststellung der Schadenshöhe verwies er den Fall an die Vorinstanz zurück (BGH, Urteil vom 9. Februar 2018, Az. V ZR 311/16).

Praxistipp zum Brandschaden am Nachbarhaus


Wenn es zu einem Brandschaden an einem Haus kommt, zahlt zunächst die Gebäudeversicherung des Hauseigentümers den Schaden an dessen Gebäude. Hauseigentümer sollten darauf achten, dass auch die Beseitigung des Brandschutts mitversichert ist. Das bewegliche Inventar ist über eine Hausratsversicherung des jeweiligen Bewohners abgedeckt. Wenn die Gebäudeversicherung gezahlt hat, gehen etwaige Schadensersatzansprüche ihres Kunden gegen den Brandverursacher per Gesetz auf die Versicherung über. Diese kann den Verursacher dann auf Schadensersatz verklagen.
Fängt bei einem Hausbrand das Nachbarhaus Feuer, haftet der Eigentümer des zuerst brennenden Hauses in der Regel auch ohne eigenes Verschulden aufgrund des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruches. Bei Brandschäden kann Ihnen ein Anwalt mit Rat und Tat zur Seite stehen, der im Zivilrecht tätig ist oder sich auf das Versicherungsrecht spezialisiert hat.

(Bu)


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 Stephan Buch
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