Nutzungsausfallentschädigung nach einem Verkehrsunfall – Was steht dem Geschädigten zu?

04.11.2023, Autor: Herr Daniel Tabaka / Lesedauer ca. 7 Min. (138 mal gelesen)
Mietwagenkosten oder alternativ dazu die sog. Nutzungsausfallentschädigung stellen erstattungsfähige Schadenspositionen nach dem Unfall dar.

Alternativ zu einem Mietwagen kann der Unfallgeschädigte eine sog. Nutzungsausfallentschädigung von der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung fordern, d.h. eine Entschädigung dafür, dass er das Fahrzeug für eine bestimmte Zeit (bspw., bis das Fahrzeug repariert ist) trotz entsprechendem Nutzungswillen und theoretischer Nutzungsmöglichkeit nicht nutzen kann.

Dauer

Die Länge der zu zahlenden Nutzungsausfallentschädigung richtet sich danach, wie lange das Fahrzeug unfallbedingt trotz entsprechendem Nutzungswillen des Unfallgeschädigten nicht genutzt werden konnte. In diesem Zusammenhang trifft den Unfallgeschädigten jedoch eine Schadensminderungspflicht, d.h. er darf den Zeitraum der Nichtnutzbarkeit des Fahrzeuges nicht schuldhaft in die Länge ziehen (bspw. durch Hinauszögerung der sach- und fachgerechten Reparatur bzw. der erforderlichen Ersatzbeschaffung bei einem wirtschaftlichen Totalschaden).

In der Regel ist mindestens einmal für folgende Zeiträume eine Nutzungsausfallentschädigung zu zahlen:

  • Zeitraum von dem Unfall bis zum Vorliegen des Sachverständigengutachtens
  • Ggfs. angemessene Überlegungszeit, ob eine Reparatur oder eine Ersatzbeschaffung erfolgt (insb. bei wirtschaftlichen Totalschäden; in der Regel drei Tage Überlegungszeit)
  • Dauer der Reparatur (bei einem Reparaturschaden) bzw. Wiederbeschaffungsdauer für ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug (bei einem (wirtschaftlichen) Totalschaden)

Reparatur- bzw. Wiederbeschaffungsdauer ermittelt ein Kfz-Sachverständiger im Rahmen seines Schadengutachtens.

Die Dauer der zu zahlenden Nutzungsausfallentschädigung kann sich aufgrund bestimmter Umstände verlängern, wenn sich die Wiederbeschaffung bzw. Reparatur ohne ein schuldhaftes Verhalten des Unfallgeschädigten aufwendiger gestaltet als von dem Kfz-Sachverständigen in seinem Schadengutachten prognostiziert. Dies ist beispielsweise und nicht abschließend in folgenden Fällen denkbar:

  • Die Suche nach einem gleichwertigen Ersatzfahrzeug auf dem regionalen und überregionalen Gebrauchtwagenmarkt gestaltet sich schwieriger als angenommen.
  • Es treten unerwartete Lieferschwierigkeiten in Hinblick auf Ersatzteile auf, die zwingend für eine sach- und fachgerechte Instandsetzung des Fahrzeuges benötigt werden.
  • Im Zuge der sach- und fachgerechten Instandsetzung treten weitere unfallbedingte Schäden zu Tage, die zunächst nicht erkennbar war und zu einer Verlängerung der ursprünglich prognostizierten Reparaturdauer führen.
  • Die sach- und fachgerechte Reparatur kann aufgrund Auslastung und Auftragslage der Werkstätten nicht sofort und ohne Wartezeit erfolgen.

Hierbei gilt, dass der Unfallgeschädigte als Anspruchsteller für solche Umstände darlegungs- und beweisbelastet ist. D.h. der Unfallgeschädigte muss im Zweifel Nachweise dafür erbringen, warum und weshalb ihm für einen längeren Zeitraum eine Nutzungsausfallentschädigung zustehen soll.



Höhe

Die Höhe der kalendertäglich zu zahlenden Nutzungsausfallentschädigung bemisst sich danach, in welche Fahrzeugklasse das beschädigte Fahrzeug einzuordnen ist. Dies stellt der Kfz-Sachverständige im Zuge der Schadensermittlung in seinem Schadengutachten unter Beachtung bzw. Hinzuziehung von Mietwagen- bzw. Nutzungsausfalltabellen fest, anhand dessen das beschädigte Fahrzeug mittels der fahrzeugspezifischen Daten (bspw. Modell, Motor, Alter und Ausstattung) in eine konkrete Nutzungsausfall- bzw. Mietwagenklasse eingestuft werden kann, für die sodann ein bestimmter Tagessatz (€) gilt.

Allgemein kann festgehalten werden, dass ein teureres und hochwertigeres Fahrzeug auch in eine höhere Mietwagen- bzw. Nutzungsausfallklasse einzustufen ist, sodass für ein solches Fahrzeug im Ergebnis auch eine höhere Nutzungsausfallentschädigung zu zahlen ist.

Ein Kfz-Sachverständiger stellt die Einstufung des Fahrzeuges und die kalendertäglich zu zahlende Nutzungsausfallentschädigung in seinem Schadengutachten beispielsweise wie folgt dar:

„Für den Fall, dass Nutzungsausfallkosten anfallen, ergibt sich unter Zugrundelegung der aktuellen Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch eine Einstufung des Fahrzeuges in die Nutzungsausfallklasse H. Dies entspricht einem Betrag von 65,00 EUR pro Tag. Eine eventuelle Abstufung auf Grund des Fahrzeugalters wurde bereits berücksichtigt. Laut aktueller Schwacke-Einstufung befindet sich das Fahrzeug in der Mietwagenklasse 8.“

Für die Berechnung der Nutzungsausfallentschädigung gilt schon seit Jahrzehnten die Nutzungsausfalltabelle von Sanden, Danner, Küppersbusch, die auch unter EurotaxSchwacke bekannt ist. Danach wird man beispielsweise einen kleinen Renault Twingo in die niedrigste Klasse A einstufen, für die kalendertäglich eine Nutzungsausfallentschädigung von lediglich etwas mehr als 20,- € zu zahlen ist (Stand 2023), während ein Porsche 911 in die höchste Klasse L einzuordnen ist, für die ein Tagessatz von mehr als 170 € vorgesehen ist (Stand 2023).

Ist das beschädigte Fahrzeug älter als fünf Jahre, erfolgt in der Regel eine Zurückstufung um eine Gruppe. Bei Fahrzeugen, die älter als zehn Jahre sind, kommt auch eine Rückstufung um zwei Klassen in Betracht. Nicht selten verweisen die gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherungen auf das Alter des beschädigten Fahrzeuges und stufen das Fahrzeug ein oder zwei Klassen niedriger ein als in dem Schadengutachten des Kfz-Sachverständigen ausgewiesen, um weniger Nutzungsausfallentschädigung zahlen zu müssen. Hier lohnt sich ein genauer Blick in das Schadengutachten des Kfz-Sachverständigen, der die Nutzungsausfallklasse ermittelt hat – in aller Regel wurde das Alter des beschädigten Fahrzeuges bereits bei der Einstufung durch den Kfz-Sachverständigen berücksichtigt (vgl. obiges Beispiel), sodass ein weiterer Abzug durch eine niedrigere Einstufung ungerechtfertigt ist.

Ist das beschädigte Fahrzeug bereits über zehn Jahre alt, kann ein Abzug bis auf die realen oder angemessenen Vorhaltekosten erfolgen. D.h. die Nutzungsausfallentschädigung beschränkt sich dann auf die Erstattung der anteiligen Kosten, die der Geschädigte als Halter während des Ausfallzeitraumes, in dem er das Fahrzeug nicht nutzen kann, für die Unterhaltung des beschädigten und nicht nutzbaren Fahrzeuges aufbringen muss (anteilige Betriebskosten, Versicherung, Kfz-Steuer usw., die für den Ausfallzeitraum anfallen).

Im Ergebnis wird die zu zahlende Nutzungsausfallentschädigung daher wie folgt berechnet:

Die Dauer des unfallbedingten Nutzungsausfalles (in Tagen) multipliziert mit dem anhand einer Nutzungsausfalltabelle ermittelten Tagessatz (in €) ergibt die Summe der zu erstattenden Nutzungsausfallentschädigung.



Darlegungs- und Beweislast

Der Unfallgeschädigte als Anspruchsteller ist darlegungs- und im Zweifel auch beweisbelastet dafür, dass die Voraussetzungen für die von ihm geltend gemachte Nutzungsausfallentschädigung vorliegen.

Voraussetzung für die Zahlung einer angemessenen Nutzungsausfallentschädigung ist ein Nutzungswille des Geschädigten und eine Nutzungsmöglichkeit während des Zeitraumes, für den Nutzungsausfallentschädigung geltend gemacht wird.

In der Regel hat der Geschädigte eine entsprechende Nutzungsmöglichkeit und ist in der Lage, ein Fahrzeug zu benutzen, wenn er nicht gerade aufgrund unfallbedingter Verletzungen oder sonstiger Gründe außer Stande ist, ein Fahrzeug zu führen.

Das Nutzungswille ist unproblematisch mit Vorlage eines Kaufvertrages für ein beschafftes Ersatzfahrzeug (bei einem (wirtschaftlichen) Totalschaden) oder einer Reparaturrechnung (bei einem Reparaturschaden) bzw. eine Bescheinigung des Kfz-Sachverständigen über eine sach- und fachgerecht vorgenommene (Eigen-)Reparatur dargelegt und bewiesen.

Jedoch kann das Vorliegen eines Nutzungswillen fraglich sein, wenn sich der Geschädigte zunächst gar kein Ersatzfahrzeug beschafft bzw. keine Reparatur des beschädigten Fahrzeuges durchgeführt wird:

In diesem Fall unterstellen Kfz-Haftpflichtversicherungen oftmals, dass es an einem Nutzungswillen des Geschädigten fehlen würde. Anders gesagt: Wenn sich der Geschädigte kein Ersatzfahrzeug beschafft bzw. das beschädigte Fahrzeug nicht repariert wird, spreche dies dafür, dass der Geschädigte gar kein Fahrzeug (mehr) benötige und demnach auch keinen Nutzungswillen habe, sodass ihm in Bezug auf die fehlende Verfügbarkeit eines Fahrzeugs nach dem Verkehrsunfall gar keine spürbare Beeinträchtigung und damit kein erstattungsfähiger (Vermögens-)Schaden entstanden sei. Versicherer verlangen oftmals zunächst einen Kaufvertrag über den Erwerb eines Ersatzfahrzeuges oder eine Reparaturrechnung als Nachweis für einen Nutzungswillen des Geschädigten. Andernfalls wird die Zahlung einer angemessen Nutzungsausfallentschädigung verweigert.

Allerdings wird nach geltendem Recht für einen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung erst einmal nur ganz allgemein ein Nutzungswille und eine Nutzungsmöglichkeit des Geschädigten vorausgesetzt – mehr nicht. Daher haben der Bundesgerichtshof sowie vielzählige Oberlandes-, Land- und Amtsgerichte in der Vergangenheit mehrfach einen Anspruch des Geschädigten auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung bestätigt, auch wenn er sich (zunächst) gar kein Ersatzfahrzeug beschafft bzw. sein beschädigtes Fahrzeug erst einmal gar nicht instand setzen lässt (und deshalb einen Kaufvertrag oder eine Reparaturrechnung nicht vorlegen kann):

Schließlich spreche die unterbliebene Ersatzbeschaffung oder Reparatur noch nicht gegen einen Nutzungswillen und eine Nutzungsmöglichkeit, zumal der Geschädigte zum Zeitpunkt des Unfalls nun einmal in Besitz eines Fahrzeuges war und dieses auch aktiv im Straßenverkehr geführt wurde, als es zum Unfall kam. Der hypothetische Nutzungswille des privaten Halters bzw. Eigentümers sei grundsätzlich zu vermuten und die Erfahrung spreche für den Nutzungswillen, wäre der Unfall nicht eingetreten. Hinzu kommt, dass unmittelbar nach dem Unfall die Nutzungsbeeinträchtigung, die durch die Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung ausgeglichen werden soll, spürbar eintrete und keinesfalls fiktiv ist. Auch sei die Verfügbarkeit des Fahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet, Zeit und Kraft zu sparen und damit das Fortkommen im allgemeinsten Sinn zu fördern, sodass die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeuges grundsätzlich ein vermögenswertes Gut darstelle und als geldwerter Vorteil anzusehen sei.

Tatsache ist auch, dass der für die Nutzungsausfallentschädigung erforderliche Nutzungswille des Geschädigten schlicht auch auf andere Weise als durch Nachweis einer Ersatzbeschaffung oder Reparatur belegt werden kann. Wenn beispielsweise ein Freund oder ein Bekannter der Familie dem Geschädigten nach dem Verkehrsunfall freundlicherweise ein Fahrzeug für notwendige Fahrten leiht (bspw., um zur Arbeit zu kommen oder die Kinder von der Schule abzuholen), bekräftigt dies durchaus bereits einen entsprechenden Nutzungswillen des Geschädigten. Schließlich hätte der Geschädigte sein eigenes Fahrzeug für solche Fahrten verwendet, wäre es nicht durch den Unfall beschädigt worden. Insoweit kann dem Geschädigten auch nicht entgegengehalten werden, dass eine spürbare Nutzungsbeeinträchtigung gar nicht eingetreten sei, weil er sich nach dem Unfall anderweitig beholfen und eine Unterstützung Dritter erhalten habe. Insoweit gilt der Grundsatz, dass Leistungen Dritter den Schädiger nicht entlasten dürfen. Anders gesagt: Der Geschädigte muss es sich nicht anrechnen lassen, wenn er glücklicherweise Freunde und Bekannte hat, die ihm für notwendige und alltägliche Fahrten (vorübergehend oder in Einzelfällen) erst einmal ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung stellen können.

Dennoch gibt es etliche Gerichte, die offenbar den Behauptungen der Versicherer folgen und nicht ohne Weiteres eine Nutzungsausfallentschädigung bei unterbliebener Ersatzbeschaffung bzw. Reparatur zusprechen.

Je nach

  • Fahrzeugklasse,
  • Zeit für die Erstellung des Schadengutachtens (ggfs. mit anschließender Überlegungsfrist für den Geschädigten) und
  • voraussichtlicher Wiederbeschaffungs- bzw. Reparaturdauer

beträgt die Nutzungsausfallentschädigung schnell mehrere hundert Euro oder kann sogar im vierstelligen Bereich liegen. Es handelt sich also um eine nicht unerhebliche Vermögensposition.

Es ist daher zu empfehlen, die Nutzungsausfallentschädigung auch dann zu verlangen, wenn eine Ersatzbeschaffung oder Reparatur (noch) nicht erfolgt, und bei einer Weigerungshaltung der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung hartnäckig - unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung und sonstige Beweismittel (bspw. Zeugen; Familienangehörige oder Dritte, die dem Geschädigten ein Fahrzeug für notwendige Fahrten leihen; Belege für öffentliche Verkehrsmittel usw.) - einen Nutzungswillen und eine Nutzungsmöglichkeit zu behaupten.

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Autor dieses Rechtstipps

Rechtsanwalt
Daniel Tabaka

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