OLG Köln, Urt. 2.9.2022 - 6 U 71/22

Zulässige Verfügbarkeitseinschränkung für Kundenportal in AGB

Autor: RA Dr. Thomas Engels, LL.M., LEXEA Rechtsanwälte, Köln – www.lexea.de
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 12/2022
Eine Klausel in den AGB eines Energieversorgers, dass kurzzeitige Beeinträchtigungen der Verfügbarkeit des Kundenportals nicht zur fristlosen Kündigung berechtigen, stellt keinen unzulässigen Änderungsvorbehalt i.S.d. § 308 Nr. 4 BGB dar. Dass die Leistungseinschränkung nicht näher umschrieben wird, bildet keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

BGB §§ 307 Abs. 1 Satz 2, 308 Nr. 4

Das Problem

Verfügbarkeiten sind nicht nur im Rahmen von IT-Verträgen relevant, sondern erfassen auch immer mehr Bereiche des täglichen Lebens, insb. deshalb, weil Verträge mittlerweile teilweise auch per bereitgestellter Schaltfläche kündbar sein müssen. Die Regelungsgegenstände in IT-Verträgen zeigen aber, dass eine 100 % Verfügbarkeit immer ein Wunschziel bleiben wird und Ausfälle auftreten können.

Das OLG Köln hatte darüber zu entscheiden, ob eine Klausel in AGB eines Energieversorgers zulässig ist, die diese Verfügbarkeit adressiert. Konkret war dort bestimmt, dass die kurzfristige Nichtverfügbarkeit eines Kundenportals zumutbar ist und keinen Grund darstellt, den Vertrag fristlos zu kündigen.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht hat hier entschieden, dass die Klausel in den AGB rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Überprüfbarkeit: Zunächst sei die Klausel rechtlich überprüfbar. Nach § 307 Abs. 3 BGB würden zwar die Abs. 1 und 2 des § 307 BGB sowie die §§ 308 und 309 BGB nur für Bestimmungen in AGB gelten, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart würden. Hintergrund des § 307 Abs. 3 BGB sei, dass eine deklaratorische Klausel nicht nach § 307 BGB unwirksam sein solle, die sodann durch eine inhaltsgleiche gesetzliche Vorschrift ersetzt werde. Dies sei aber nur der Fall, wenn die Klausel in jeder Hinsicht mit den gültigen Rechtsvorschriften übereinstimme. Entscheidend sei die inhaltliche, nicht die wörtliche Übereinstimmung. Ergänze eine Klausel Rechtsvorschriften, indem sie entweder vom Gesetz eröffnete Spielräume ausfülle oder sich die zitierte Vorschrift als von vornherein ausfüllungsbedürftig erweise, könne kontrolliert werden, ob und wie der Verwender das Gesetz ergänzt habe.

Konkretisierung der gesetzlichen Vorgabe: So liege der Fall hier. Die streitgegenständliche Klausel beinhalte eine Regelung, nach der „kurzzeitige Beeinträchtigungen in der Verfügbarkeit des Kundenportals (...) zumutbar im Sinne des § 314 Abs. 1 BGB (sind) und (...) nicht zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages (berechtigen)“. Damit wiederhole die Klausel das Gesetz nicht alleine, sondern konkretisiere es. Denn die Frage, wann ein wichtiger Grund zu einer fristlosen Kündigung i.S.d. § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliege, werde durch die Klausel näher umschrieben und dahin definiert, dass in der konkret benannten Konstellation ein wichtiger Grund nicht vorliege.

Leistungsänderung: Nach § 308 Nr. 4 BGB sei in AGB eine Klausel unwirksam, die die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, beinhalte, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar sei. Im vorliegenden Fall werde mit der angegriffenen Klausel aber nicht das Recht kodifiziert, die versprochene Leistung zu ändern. Ein Recht zur Änderung der (unstreitig bestehenden) Nebenpflicht der Zurverfügungstellung eines Kundenportals sei nicht anzunehmen. Denn letztlich würden den Verbrauchern durch die Klausel nicht sämtliche Rechte im Fall einer kurzzeitigen Beeinträchtigung der Verfügbarkeit des Kundenportals entzogen, was einem Recht zur Leistungsänderung gleichstünde. Vielmehr werde allein das Recht zur fristlosen Kündigung in dem genannten Fall ausgeschlossen, so dass sämtliche weitere Rechte, die sich aus der Nichtverfügbarkeit des Kundenportals ergeben könnten, wie etwa ein Anspruch auf entsprechende Leistung oder insb. auch Schadensersatzansprüche, bestehen blieben. Die Verwenderin könne daher nicht ohne Konsequenzen über die Verfügbarkeit des Kundenportals bestimmen.

Zumutbarkeit: Jedenfalls sei die Klausel für den Kunden zumutbar. Die Zumutbarkeit ergebe sich daraus, dass eine Außerbetriebnahme des Kundenportals aufgrund eines technischen Fehlers oder wegen Wartungsarbeiten durch das Unternehmen kurzzeitig zwingend erforderlich sein könne. Dabei werde keine Hauptleistungspflicht beeinträchtigt. Vielmehr erfolge die Energielieferung, die für den Kunden von überragender Bedeutung sei, weiterhin, auch wenn das Kundenportal nicht zugänglich sei. Dem Kunden sei es lediglich kurz nicht möglich, über das Kundenportal mit der Lieferantin in Kontakt zu treten.

Transparenz: Die Klausel sei auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB aufgrund eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam. Bei der Beurteilung, ob das Transparenzgebot gewahrt sei, sei auf den durchschnittlichen Vertragspartner – hier damit auf den Durchschnittsverbraucher – abzustellen. Danach sei der Begriff der „kurzzeitigen Beeinträchtigung“ hinreichend bestimmt. Der durchschnittliche Verbraucher gehe davon aus, dass die Beeinträchtigung der Verfügbarkeit aufgrund der Klausel lediglich einen Zeitraum in Anspruch nehmen könne, der für die Wartung oder Instandsetzung des Kundenportals erforderlich sei. Dabei sei dem Verbraucher bekannt, dass diese Zeiträume unterschiedlich lang sein könnten.


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