Pflichtverteidigung - Notwendige Verteidigung

28.09.2011, Autor: Frau Nina Wittrowski / Lesedauer ca. 3 Min. (3240 mal gelesen)
Seriöse Pflichtverteidigung = Verteidigung 2. Klasse?

Keinesfalls! Wird jemandem ein Pflichtverteidiger bestellt, bedeutet dies lediglich, dass ein Fall der sog. notwendigen Verteidigung vorliegt. Diese Fälle sind in § 140 Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Notwendige Verteidigung deshalb, weil ein mutmaßlicher Täter in diesen Fällen mit seiner Verteidigung nicht auf sich alleine gestellt werden soll und kann. Maßstab ist dabei beispielsweise die Bedeutung und/oder die rechtliche und tatsächliche Schwierigkeit der Angelegenheit, die zu erwartende Strafe, die Eingangsinstanz. Mit anderen Worten sind dies Fälle, in denen sich ohnehin niemand ohne anwaltliche Vertretung vor Gericht verantworten sollte. Hat jemand bereits einen (Wahl-)Anwalt, so wird zunächst auch nicht automatisch ein Pflichtverteidiger beigeordnet, weil ja dann bereits die Verteidigung gesichert ist. Der Wahlanwalt kann bei Bedarf einen Beiordnungsantrag stellen.

Ohne Verteidiger dürften die in § 140 StPO genannten Verfahren nicht gegen den Angeklagten geführt werden. Sinn und Zweck ist die Sicherstellung eines fairen Verfahrens, eine Waffengleichheit. Dies ist auch der Grund, weshalb ein Pflichtverteidiger zunächst aus der Landeskasse bezahlt wird, und im Nachhinein grundsätzlich diese Gebühren vom Verurteilten an das Land zurückzuzahlen sind.

Ein Pflichtverteidiger hat nicht mit der finanzielle Situation des Angeklagten zu tun, Geld spielt bei der Frage der Notwendigkeit der Verteidigung keine Rolle. Niemand hat in Deutschland das Recht auf einen Pflichtverteidiger nur weil er oder sie vermögenslos ist.

Die Pflichtverteidigergebühren liegen unter den Mittelgebühren des Wahlverteidigers. Das bedeutet aber nicht, dass er oder sie eine schlechtere Arbeit abliefert, also ein Verteidiger zweiter Klasse ist.

Wird man als Angeklagter aufgefordert einen Pflichtverteidiger zu benennen, so kann man den Anwalt seines Vertrauens fragen, ob er oder sie die Verteidigung übernehmen kann. Das ist natürlich praktisch, weil dann meist schon ein Vertrauensverhältnis besteht und man auf die Wahl des Verteidigers direkten Einfluss ausüben kann. Ein seriöser Rechtsanwalt lehnt eine Pflichtverteidigung ab, wenn er der Auffassung ist, den Mandanten nicht 100%ig vertreten zu können. Insoweit darf es in der Verteidigertätigkeit keinen Unterschied zu der Tätigkeit eines besser bezahlten Wahlverteidigers geben. Vertrauen und Transparenz sind hier wichtig. Niemand ist im Übrigen daran gehindert, seinem Verteidiger Vorschüsse oder zusätzliche Gebühren zu zahlen.
Hat man keinen Anwalt oder kennt man keinen Anwalt, so ordnet das Gericht einen Verteidiger bei. Dabei schöpft das Gericht aus einem Pool erfahrener Strafverteidiger.

Selbstverständlich übernehme auch ich Pflichtverteidigungen. Kontaktieren Sie mich:

Rechtsanwältin Nina Wittrowski, Berlin
https://www.kanzlei-wittrowski.de

Hier der Gesetzestext:

§ 140 Notwendige Verteidigung
(1) Die Mitwirkung eines Verteidigers ist notwendig, wenn
1. die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht oder dem Landgericht stattfindet;
2. dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3. das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4. gegen einen Beschuldigten Untersuchungshaft nach den §§ 112, 112a oder einstweilige Unterbringung nach § 126a oder § 275a Absatz 6 vollstreckt wird;
5. der Beschuldigte sich mindestens drei Monate auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befunden hat und nicht mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung entlassen wird;
6. zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7. ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8. der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist.
(2) In anderen Fällen bestellt der Vorsitzende auf Antrag oder von Amts wegen einen Verteidiger, wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann - namentlich, weil dem Verletzten nach den §§ 397a und 406g Abs. 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Dem Antrag eines hör- oder sprachbehinderten Beschuldigten ist zu entsprechen.
(3) Die Bestellung eines Verteidigers nach Absatz 1 Nr. 5 kann aufgehoben werden, wenn der Beschuldigte mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung aus der Anstalt entlassen wird. Die Bestellung des Verteidigers nach Absatz 1 Nr. 4 bleibt unter den in Absatz 1 Nr. 5 bezeichneten Voraussetzungen für das weitere Verfahren wirksam, wenn nicht ein anderer Verteidiger bestellt wird.


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