Zur Zulässigkeit der Bildberichterstattung über einen Strafverteidiger

Autor: RA Dr. Carsten Brennecke, HÖCKER Rechtsanwälte, Köln, www.hoecker.eu
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 08/2011
In einer Berichterstattung über einen Aufsehen erregenden Strafprozess darf die Person des Strafverteidigers in einer Bildberichterstattung erkennbar gezeigt werden.

KG, Urt. v. 14.10.2010 - 10 O 79/09 (rkr.)

Vorinstanz: LG Berlin, Urt. v. 10.6.2010 - 27 O 439/09

GG Art. 2 Abs. 1, 5 Abs. 1; KUG §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2

Das Problem:

Ein prominenter Strafverteidiger verteidigt einen Wirt, dem die Förderung eines Wetttrinkens mit tödlichem Ausgang vorgeworfen wird, in einem Aufsehen erregenden Strafprozess. Nachdem das Medienunternehmen den Rechtsanwalt in einem Fernsehbericht über den Strafprozess auf seinem Weg zum Sitzungssaal erkennbar zeigte, nimmt der Rechtsanwalt das Medienunternehmen auf Unterlassung der Bildnisverbreitung in Anspruch. Nachdem das LG Berlin die Bildberichterstattung auf Antrag des Rechtsanwalts zunächst mit einstweiliger Verfügung verboten hat, wendet sich das Medienunternehmen in der Berufung gegen das Verbot.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das KG hebt die Verurteilung zur Unterlassung des LG auf und weist den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.

Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte: Die ausgestrahlten Bilder, die den Strafverteidiger auf dem Weg zum Gerichtssaal zeigen, seien Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Denn die Berichterstattung setze sich u.a. mit einem auf Antrag des Rechtsanwalts zunächst vom Vorsitzenden der Strafkammer in einer sitzungspolizeilichen Anordnung getroffenen Verbot von Lichtbild-/Fernsehaufnahmen des Wirtes und dessen Verteidiger auseinander, das vom BVerfG auf einen Eilantrag des Medienunternehmens aufgehoben wurde. Sowohl das Strafverfahren, welches aufgrund des Tatvorwurfs eine öffentliche Diskussion um den übermäßigen Alkoholgenuss Jugendlicher begründet habe, als auch der gescheiterte Versuch des Rechtsanwalts, über einen Antrag ein Verbot zur Fertigung von Lichtbildern des Wirtes und seiner Person durchzusetzen, begründeten ein gewichtiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit an dem in Rede stehenden Strafverfahren und dem als Organ der Rechtspflege daran beteiligten Rechtsanwalt.

Kein entgegenstehendes überwiegendes Interesse des Rechtsanwalts: Zwar sei die Veröffentlichung des Bildnisses des Rechtsanwalts nur zulässig, wenn kein überwiegendes berechtigtes Interesse des Anwalts entgegenstehe. Die seitens des Rechtsanwalts vorgetragenen Gesichtspunkte begründeten ein solches überwiegendes Interesse jedoch nicht:

Aufnahmen aus der Sozialsphäre: Der Umstand, dass die Bilder außerhalb des Gerichtssaals auf dem Weg zur Verhandlung gefertigt wurden, führe nicht zu einem Verwertungsverbot der Bilder. Denn diese Aufnahmen zeigten den Verteidiger in seiner Position als Organ der Rechtspflege in einem sachlichen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit. Hinzu käme, dass es sich vorliegend um einen prominenten Rechtsanwalt handele, der aufgrund seiner Tätigkeit in Aufsehen erregenden Strafprozessen immer wieder im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehe. Da der Rechtsanwalt immer wieder gezielt die öffentliche Wahrnehmung suche, könne er sich nicht darauf berufen, die öffentliche Wahrnehmung seiner Person im Zusammenhang mit dem Verfahren könne zu einer negativen Prangerwirkung führen.

Verstoß gegen sitzungspolizeiliche Anordnungen des Richters unerheblich: Der Zulässigkeit der Verbreitung der Bilder stünde auch nicht entgegen, dass der zuständige Richter in einer sitzungspolizeilichen Anordnung bestimmt habe, dass im Bereich vor dem Sitzungssaal Bilder nur mit Zustimmung des Gerichtsvorsitzenden gefertigt werden dürfen und das Medienunternehmen gegen diese Anordnung verstoßen habe, indem es ohne Zustimmung des Vorsitzenden gefilmt habe. Zwar sei im Rahmen der Abwägung durchaus zu berücksichtigen, ob ein Foto unter Verstoß gegen eine sitzungspolizeiliche Anordnung rechtswidrig erlangt wurde. Im vorliegenden Fall führe dies alleine jedoch in der Abwägung nicht dazu, dass das Bildnis des Rechtsanwalts nicht gezeigt werden dürfe. Denn der Verteidiger könne sich aufgrund seiner Tätigkeit als Organ der Rechtspflege in einem Aufsehen erregenden Strafverfahren und aufgrund der Tatsache, dass er ständig bewusst die öffentliche Wahrnehmung sucht, nicht darauf berufen, anonym zu bleiben.


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