Schiedsverfahren: sind schneller und günstiger als Gerichtsprozesse

31.08.2014, Autor: Herr Hermann Kulzer / Lesedauer ca. 6 Min. (806 mal gelesen)
Auf Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. In einem Schiedsverfahren kann man im Unterschied dazu auf die Auswahl der Schiedsrichter Einfluss nehmen.
Das Verfahren ist nicht öffentlich, schneller und günstiger als lange Gerichtsprozesse. Einzelheiten:

1. Streitigkeiten aus Geschäften in Deutschland können - je nach örtlicher Zuständigkeit- vor jedes deutsche Gericht gebracht werden. Dauer und Kosten des Instanzenweges sind nicht absehbar. Ob Richter auch den technischen oder wirtschaftlich erforderlichen Sachverstand haben, ist offen.
Gerichtsverfahren sind öffentlich, im schlimmsten Fall werden durch die Öffentlichkeit der Ruf oder Betriebsgeheimnisse geschädigt. In vielen Fällen empfiehlt sich daher die Vereinbarung eines Schiedsverfahrens als Alternative. Gerade im Wirtschaftsverkehr ist der Einsatz von Spezialisten für eine Entscheidung erforderlich und ein Schiedsverfahren ein weit verbreitete Streiterledigungsmethode.
Ein Schiedsgericht kann nur dann rechtswirksam tätig werden, wenn seine Zuständigkeit von den Parteien vereinbart wurde. Dies geschieht in der Regel bei Vertragsschluss, da im Streitfall die Einigung auf eine Schiedsinstitution nicht mehr möglich ist.
Die Parteien müssen daher entsprechende Schiedsklauseln in ihre Verträge aufnehmen.

Ein Schiedsverfahren ähnelt im Ablauf einem staatlichen Gerichtsverfahren.
Zunächst beginnt das Schiedsverfahren in der Regel durch die Einreichung der Schiedsklage.
Die Parteien korrespondieren mit dem Schiedsgericht, tauschen Schriftsätze aus und es findet in der Regel eine mündliche Verhandlung mit der Möglichkeit einer Beweisaufnahme statt.
Am Ende des Verfahrens steht ein abschließender Schiedsspruch, der für die Parteien die gleichen Wirkungen entfaltet wie ein Urteil.
In der Verfahrensgestaltung sind die Schiedsrichter flexibler und freier als die Richter eines staatlichen Gerichts. Die Parteien haben einen stärkeren Einfluss auf das Verfahren.
Sie können die Auswahl der Schiedsrichter mitbestimmten und können den Verhandlungsort einvernehmlich regeln.

2. Dauer von Streitigkeiten
Die Dauer gerichtlicher Auseinandersetzungen vor ordentlichen Gerichten ist meist nicht kalkulierbar. Ein Rechtsstreit kann sich durch mehrere Instanzen ziehen. Die Kosten steigen mit jeder Instanz. Ein Schiedsverfahren verläuft wesentliche kürzer. Die Kosten sind klar.
Es gibt nur eine Instanz -außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit.

3. Formerfordernisse und Erlöschen der Schiedsvereinbarung
Für Schiedsverfahren lässt § 1031 ZPO neben beiderseits gezeichneten Dokumenten auch Schriftverkehr, Fernkopie oder jede andere Form der Nachrichtenübermittlung zu, die einen Nachweis der Vereinbarung sicherstellt. Besondere Sorgfalt ist bei der Einbeziehung von Schiedsgerichtsverfahren in Verbraucherverträgen geboten.
Schiedsvereinbarungen können erlöschen durch/bei:

Aufhebung
Austritt
Eintritt einer auflösenden Bedingung
Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB
Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung
Ergehen eines Schiedsspruchs oder eines Urteils

4. Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs und Unabhängigkeit der Schiedsrichter
4.1. Neben das schiedsrechtliche Gleichbehandlungsgebot tritt als prozessuales Grundrecht der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs in § 1042 Abs.1 Satz 2 ZPO.
4.2. Auch im Schiedsverfahren gilt die Unabhängigkeit der Schiedsrichter von die Streitparteien.
Die Ablehnung eines Schiedsrichters wegen Befangenheit ist auch im Schiedsgerichtsverfahren möglich. Dabei sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes an die Unparteilichkeit des Schiedsrichters die gleichen Anforderungen zu stellen als an die gesetzlichen Richters, BGH, Urteil v. 28.02.1972 – II ZR 151/69 –, NJW 1972, 827.
Die aktuelle anwaltliche Tätigkeitfür begründet die Parteilichkeit.
Die frühere anwaltliche Tätigkeit soll für sich genommen noch keine Befangenheit begründen.
4.3. Befangenheit ua.
Allein eine unzutreffende Rechtsanwendung rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit, es sei denn, die mögliche Fehlerhaftigkeit beruhte auf einer unsachlichen Einstellung des Richters oder auf Willkür (BAG NJW 1993, 879).
Auch nahe persönliche oder wirtschaftliche Beziehungen zwischen einem Richter und einer Partei können bei einer vernünftigen und besonnenen Partei die Befürchtung erwecken, der Richter stehe ihrer Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Allgemeine soziale Kontakte oder die Mitgliedschaft im gleichen Verein genügen jedoch nicht (vgl. Zöller/Vollkommer § 42 Rn. 12 ff.).

5. Arten von Schiedsgerichten

institutionelle Schiedsgerichte (Industrie- und Handelskammer, Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) ua. Die Institutionen stellen eine Verfahrens- und meistens auch eine Kostenordnung bereit.
ad-hoc-Schiedsverfahren (ohne Unterstützung einer Institution) in Eigenregie der Parteien.

6. Gesetzliche Bestimmungen
Nach der 1998 reformierten ZPO ist die Schiedsvereinbarung der Oberbegriff für alle Verträge über die Durchführung eines Schiedsverfahrens. Nach § 1029 Abs.1 ZPO ist die Schiedsvereinbarung eine Vereinbarung zwischen den Parteien, eine Streitigkeit unter Ausschluss der Zuständigkeit staatlicher Gerichte durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen. Für die Beteiligten eines Schiedsverfahrens gelten die §§ 1025 – 1066 der ZPO.
Diese Regelungen können aber einvernehmlich abgewählt, abgeändert oder ergänzt werden.

7. (Keine) Rechtsmittelinstanz
Schiedsgerichte entscheiden abschließend ohne Berufungs- oder Revisionsmöglichkeit.
Nur bei schweren Formfehlern oder bei einem Verstoß gegen fundamentale Rechtssätze ("ordre public") können Schiedssprüche von staatlichen Gerichten aufgehoben werden.
Ordre Public. was ist das? Artikel 6 EGBGB Öffentliche Ordnung (ordre public)

Eine Rechtsnorm eines anderen Staates ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist insbesondere nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist.

Gemäß § 1059 BGB kann man einen Aufhebungsantrag stellen

Gegen einen Schiedsspruch kann nur der Antrag auf gerichtliche Aufhebung nach den Absätzen 2 und 3 gestellt werden.
Ein Schiedsspruch kann z.B. aufgehoben werden,
wenn er von der Bestellung eines Schiedsrichters oder von dem schiedsrichterlichen Verfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt worden ist
oder
dass er aus einem anderen Grund seine Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht hat geltend machen können
oder
der Schiedsspruch eine Streitigkeit betrifft, die in der Schiedsabrede nicht erwähnt ist oder
nicht unter die Bestimmungen der Schiedsklausel fällt,
oder
dass er Entscheidungen enthält, welche die Grenzen der Schiedsvereinbarung überschreiten; kann jedoch der Teil des Schiedsspruchs, der sich auf Streitpunkte bezieht, die dem schiedsrichterlichen Verfahren unterworfen waren, von dem Teil, der Streitpunkte betrifft, die ihm nicht unterworfen waren, getrennt werden, so kann nur der letztgenannte Teil des Schiedsspruchs aufgehoben werden;
oder
die Bildung des Schiedsgerichts oder das schiedsrichterliche Verfahren einer Bestimmung dieses Buches oder einer zulässigen Vereinbarung der Parteien nicht entsprochen hat und anzunehmen ist, dass sich dies auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat
oder
die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht.

8. Vertraulichkeit
Meist wird Vertraulichkeit vereinbart, sofern sie nicht schon in den Schiedsordnungen festgeschrieben ist. Anders als beim öffentlichen Gerichtsverfahren können vertrauliche oder rufschädigende Details, Geschäftsgeheimnisse sowie der Schiedsspruch selbst nicht nach außen dringen. Die Vertraulichkeit erleichtert auch die Fortführung bestehender Geschäftsbeziehungen, zumal Schiedsverfahren ohnehin oft mit einer einvernehmlichen Einigung enden.

9. Kosten
Viele Schiedsinstitutionen haben festgelegte Verfahrens- und Schiedsrichterkosten.
Die Kosten liegen meist erheblich geringer als die Summe der Gerichtskosten bei Durchlaufen von zwei Instanzen. Aus Kostengründen empfiehlt sich machmal ein Einzelschiedsrichter – es sei denn, Streitwert oder Komplexität des Verfahrens sind besonders hoch. Dann sollte ein mehr-, in der Regel dreiköpfiges Schiedsrichtergremium gewählt werden.
Die Anwaltskosten müssen zusätzlich berücksichtigt werden.
Rechtsanwälte dürfen nach '§ 1042 Abs.2 ZPO nicht bei Schiedsverfahren ausgeschlossen werden. Es gilt das Verbot des Ausschlusses der anwaltlichen Vertretung.

10. Auswahl der Richter und Unabhängigkeit
10.1. Auswahl
Die Wahl von Schiedsinstitution, Schiedsrichtern und Schiedsort ist Sache der Parteien.
Möglich ist, die Qualifikation der Schiedsrichter im Vorfeld genau festzulegen, um zu einem für die beteiligten Parteien qualifiziertem Schiedsspruch zu gelangen.
Es kann sinnvoll sein, einen Schiedsrichter auszuwählen, der einer bestimmten Berufsgruppe angehört, z.B. Arzt.

10.2. Der Schiedsrichter muss unabhängig sein. In den einzelnen Schiedsordnungen ist die Unabhängigkeit ausführlich geregelt. Die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. regelt z.B. Folgendes in § 16 (Annahme des Schiedsrichteramtes)

16.1: Jede Person, die als Schiedsrichter benannt wird, hat sich unverzüglich der DIS-Geschäftsstelle über die Annahme des Schiedsrichteramts und die Erfüllung der von den Parteien vereinbarten Voraussetzungen zu erklären und alle Umstände offenzulegen, die Zweifel an ihrer Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken könnten. Die DIS-Geschäftsstelle unterrichtet die Parteien.
16.2: Ergibt sich aus der Erklärung eines Schiedsrichters ein Umstand, der Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit, oder der Erfüllung vereinbarter Voraussetzungen wecken könnte, gibt die DIS-Geschäftsstelle den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist.
16.3: Ein Schiedsrichter ist auch während des schiedsrichterlichen Verfahrens verpflichtet, Umstände, die Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken könnten, den Parteien und der DIS-Geschäftsstelle unverzüglich offenzulegen.

11. Alternativen zum Schiedsverfahren

Einholung eines Schiedsgutachtens
Die Parteien erhalten so eine verbindliche Klärung der Streitfrage, die später auch vor Gerichten grundsätzlich nicht mehr angegriffen werden kann.
Mediation
Die Parteien erarbeiten selbstständig und eigenverantwortlich die Lösung ihres Konfliktes.
Sie werden dabei von einem Mediator unterstützt, der als neutraler Dritter auftritt.
Die Entscheidungsgewalt liegt dabei einzig bei den beteiligten Parteien.
Im Gegensatz zum Schiedsrichter hat der Mediator keine Zwangs- und Entscheidungsgewalt.

12. Musterklauseln

IHK Frankfurt
"Alle Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit dem Vertrag .... (Bezeichnung des Vertrages) oder über seine Gültigkeit ergeben, werden nach der Schiedsgerichtsordnung der Industrie- und Handelskammer ..... unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig entschieden. Das gerichtliche Mahnverfahren bleibt aber zulässig."
Musterklausel der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V.
"Alle Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder über seine Gültigkeit ergeben, werden nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig entschieden."

13. Wesentlicher Inhalt der Schiedsgerichts-Klausel:

Ort des Schiedsverfahrens
Anzahl der Schiedsrichter
Sprache des Schiedsverfahrens
anwendbares materielles Recht