Lebensversicherung als Geldanlage – was muss man wissen?

23.07.2018, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Lebensversicherung als Geldanlage – was muss man wissen? © Bu - Anwalt-Suchservice

Viele Menschen in Deutschland haben eine Lebensversicherung. Als Anlageform oder als Altersvorsorge wird die Lebensversicherung jedoch oft kritisiert. Hier einige Informationen für anlagewillige Verbraucher.

Früher schloss man eine Lebensversicherung ab, um die Angehörigen für den Fall des eigenen Todes abzusichern. Diese Variante nennt man Risikolebensversicherung. Die Lebensversicherung wurde jedoch immer stärker zu einer Kapitalanlage und auch als solche beworben. Eine Kapitallebensversicherung sieht Auszahlungen zu einem festen Zeitpunkt sowie oft zusätzlich Leistungen im Todesfall vor. Auch private Rentenversicherungen werden oft als eine Variante der Lebensversicherung bezeichnet.
Zeitweise waren Lebensversicherungen das Lieblings-Finanzprodukt der Deutschen. Doch heute sind sie zunehmend in der Kritik: Hohe versteckte Kosten und niedrige Verzinsung machen viele Angebote unattraktiv. Mittlerweile wird in der Presse sogar über Geldprobleme vieler Lebensversicherer berichtet. Manche Gesellschaften haben bereits bekanntgegeben, dass sie den massenhaften Verkauf von Verträgen in Erwägung ziehen. So wurde 2018 bekannt, dass das Unternehmen Generali vier Millionen Lebensversicherungen an den britischen Abwicklungsspezialisten Viridium verkauft hat.

Was muss man zur Kapitallebensversicherung wissen?


Bei ihr handelt es sich um eine Mischform aus Risikoabsicherung für die Angehörigen und Geldanlage. Der Kunde bekommt – sofern es sich nicht um eine rein fondsgebundene Lebensversicherung handelt – einen Garantiezins zugesichert. Dieser bezieht sich aber nur auf den Sparanteil des Vertrages. Dazu kommen Beteiligungen an den erwirtschafteten Überschüssen und den Bewertungsreserven des Versicherungsunternehmens.
Bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung werden die Beiträge des Kunden in Investmentfonds investiert. Hier trägt der Kunde das Risiko, dass sich diese nicht wunschgemäß entwickeln. Auch fallen meist Kosten für die Fondsverwaltung an.

Was ist der Garantiezins und warum sorgt er für Unzufriedenheit?


Der Garantiezins oder Höchstrechnungszins ist die Verzinsung, die das Versicherungsunternehmen den Kunden garantiert. Er bleibt bis zum Vertragsende unverändert. Der Garantiezins ist gesetzlich gedeckelt. Während er im Jahr 2000 noch bei vier Prozent lag, beträgt er heute 0,9 Prozent. Einige Unternehmen haben ihn noch weiter reduziert. Der Garantiezins gilt nicht für den gesamten vom Kunden eingezahlten Betrag, sondern nur für den sogenannten Sparanteil. Dieser Sparanteil ist der eingezahlte Betrag minus Abschlussprovision, Verwaltungskosten und Risikoanteil, also der Auszahlung im Todesfall.
Die Abschlussprovision beträgt bis zu 900 Euro. Verwaltungskosten kommen hinzu. Als Verwaltungskosten können zwei Prozent pro Jahr anfallen, aber je nach Unternehmen auch mehr oder weniger.
Der Garantiezins ist also am Ende sehr niedrig.

Was versteht man unter der Überschussbeteiligung?


Die Gesamtverzinsung einer Kapitallebensversicherung besteht aus dem Garantiezins und der Überschussbeteiligung. Die laufende Überschussbeteiligung ist eine Beteiligung des Kunden an den Überschüssen, die das Unternehmen durch die Anlage seiner eingezahlten Gelder jedes Jahr erwirtschaftet. Natürlich steht zu Vertragsbeginn nicht fest, wie hoch die Überschussbeteiligung ist. Die Versicherungen setzen diese jedes Jahr neu fest. Allerdings ist auch die Überschussbeteiligung seit Jahren rückläufig. Denn einerseits sinken die Zinsen, und andererseits müssen die Unternehmen trotzdem Leistungen aus höher verzinsten Altverträgen erbringen. Dies schmälert die Überschüsse.
Die laufende Überschussbeteiligung muss der Versicherer jedoch nicht komplett dem Kunden gutschreiben. Teile davon kann er als “Sicherheitspuffer” einbehalten. Bleibt etwas übrig, werden die Kunden daran zum Vertragsende durch den sogenannten Schlussüberschuss beteiligt. Dessen Höhe wird nicht garantiert, sondern richtet sich danach, wie das Unternehmen zum Vertragsende finanziell dasteht.

Was sind Bewertungsreserven?


Bewertungsreserven oder stille Reserven entstehen, wenn der Marktwert eines noch gehaltenen Wertpapiers über dem Kaufpreis liegt; es wird also höher bewertet als mit dem Einkaufspreis. Da es aber nicht verkauft wird, ist dies nur eine theoretische Zahl in der Bilanz.
Versicherungen legen das Geld ihrer Kunden häufig in Staatsanleihen an. Sinken die Zinsen, steigt der Marktwert älterer, höher verzinster Anleihen, und es entstehen Bewertungsreserven. Das allgemeine Sinken der Zinsen hat also zu einem Anstieg der Bewertungsreserven geführt.
Lebensversicherungen müssen nun ihre Kunden am Vertragsende an den Bewertungsreserven beteiligen, indem sie eine Sonderausschüttung durchführen. Im Jahr 2014 wurde diese Ausschüttung allerdings per Gesetz eingeschränkt, um die Versicherer nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Offenbar befürchtete der Gesetzgeber, das sie allzu viele hoch verzinste Wertpapiere verkaufen müssten, um die Ausschüttungen zu bedienen – und am Ende zum Nachteil aller Versicherten in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten.

Was hat der Bundesgerichtshof zu den Bewertungsreserven entschieden?


Der BGH hat sich 2018 mit dem Thema befasst. Ein Verbraucherschutzverband hatte den Fall eines Versicherungskunden vor Gericht gebracht. Diesem war noch im Juli 2014 für das Vertragsende im September 2014 eine Ausschüttung von rund 2.820 Euro aus Bewertungsreserven angekündigt worden. Er bekam statt dessen jedoch nur 148 Euro. Der Versicherungsnehmer hatte seine Ansprüche an den Verband abgetreten, der nun klagte.
Der Bundesgerichtshof bestätigte, dass die gesetzliche Regelung verfassungsgemäß sei. Der Versicherer darf demnach die Bewertungsreserven bei der Ausschüttung an den Kunden nur soweit berücksichtigen, wie sie einen etwaigen Sicherungsbedarf aus den Verträgen mit Zinsgarantie überschreiten. Grundsätzlich können die Versicherer also die Ausschüttung aus den Bewertungsreserven kräftig zusammenstreichen. Ob im konkreten Fall richtig gerechnet wurde, muss die Vorinstanz noch einmal prüfen (Urteil vom 27. Juni 2018, Az. IV ZR 201/17).

Was bedeutet Zillmerung?


Die Zillmerung ist ein Rechenverfahren, mit dem die Abschlusskosten des Versicherungsvertrages, unter anderem die Provision, auf die Vertragsdauer verteilt werden. Diese Kosten werden von den Beiträgen des Kunden bezahlt. Früher wurden die Abschlusskosten gleich zu Vertragsbeginn in Rechnung gestellt. Die ersten Beiträge wurden komplett dafür verwendet, und der Rückkaufswert des Vertrages war zu Anfang negativ, bis diese Kosten beglichen waren. Diese Praxis ist inzwischen unzulässig.
Nach zwei Urteilen des Bundesgerichtshofes sind Vertragsklauseln, nach denen die Abschlusskosten mit dem Zillmerverfahren mit den ersten Beiträgen des Versicherungsnehmers verrechnet werden, wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers unwirksam (Urteil vom 25. Juli 2012, Az. IV ZR 201/10).

Bei Lebensversicherungen, die zwischen 1994 und 2007 abgeschlossen wurden, muss der Rückkaufswert dem BGH zufolge mindestens der Hälfte des Betrages entsprechen, von dem die Versicherung Verwaltungskosten abgezogen hat. Abschlusskosten sind nicht abziehbar. Eine Gebühr für die vorzeitige Beendigung darf die Versicherung nicht erheben.
Für ab 2008 abgeschlossene Verträge gilt nach dem Versicherungsvertragsgesetz ein neues Berechnungsverfahren für den Rückkaufswert. Die Vertragsabschlusskosten sind über die ersten fünf Jahre zu verteilen.

Welche Kritik üben Verbraucherschützer an Lebensversicherungen?


Verbraucherschützer kritisieren vor allem die hohen Abschluss- und Verwaltungskosten, mangelnde Transparenz und die niedrige Verzinsung. Neue Policen lohnen sich aus ihrer Sicht wegen der von Anfang an niedrigen Zinsen kaum noch, während die Kündigung alter Verträge zu Verlusten führen kann. Viele Verbraucher würden die Verträge nicht über die lange Laufzeit hinweg finanzieren können.

Was können Verbraucher tun?


Neue Lebensversicherungen abzuschließen, lohnt sich derzeit aller Wahrscheinlichkeit nach nicht.
Der vorzeitige Ausstieg aus einem bestehenden, älteren Vertrag kann hohe Verluste bedeuten. Eine Kündigung ist daher eher nicht zu empfehlen. Alte Verträge haben oft einen hohen Garantiezins. Darüber hinaus droht bei der Kündigung auch der Verlust von Steuervorteilen.
Bei Geldmangel kann man eine Lebensversicherung auch beitragsfrei stellen.
Weitere Möglichkeiten bestehen darin, die Versicherung zu beleihen oder zu verkaufen. Spezialisierte Unternehmen kaufen Lebensversicherungen an.
Eine oft empfohlene Möglichkeit ist der Widerruf. Er ist grundsätzlich mit weniger finanziellen Nachteilen verbunden, als eine Kündigung. Die Vorschriften über die Widerrufserklärung und -Belehrung haben sich in den letzten Jahren wiederholt geändert. Viele Versicherungsunternehmen haben ungültige Widerrufsklauseln in ihren Verträgen verwendet. Deshalb ist ein Widerruf oft auch noch nach Ablauf der im Vertrag genannten Widerrufsfrist möglich. Dies hängt allerdings von den möglichen Fehlern im jeweiligen Vertrag ab.

Praxistipp


Möchten Sie aus einem Lebensversicherungs-Vertrag herauskommen, ist eine Beratung durch einen Fachanwalt für Versicherungsrecht zu empfehlen. Dieser kann am besten beurteilen, ob es für Sie überhaupt von Vorteil ist, den Vertrag loszuwerden. Auch die Chancen für einen Widerruf kann der Fachanwalt prüfen.

(Bu)


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 Stephan Buch
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