Abrechnung bei Kündigung eines Internet-System-Vertrags

Autor: RA Thomas Elteste, LL.M., Frankfurt/M.
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 04/2015
Hat der Auftraggeber eines Internet-System-Vertrags Voraus- oder Abschlagszahlungen geleistet, folgt ein etwaiger Rückzahlungsanspruch bei vor Leistungserbringung ausgesprochener Kündigung aus dem Vertrag. Der Auftragnehmer muss eine Abrechnung auf Basis kalkulatorischer Grundlagen erstellen, die dem darlegungs- und beweisbelasteten Besteller eine sachgerechte Rechtswahrung ermöglicht.

BGH, Urt. v. 8.1.2015 - VII ZR 6/14

Vorinstanz: OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.12.2013 - I-5 U 58/13
Vorinstanz: LG Düsseldorf, Urt. v. 15.3.2013 - 15 O 406/11

BGB § 649

Das Problem

Ein Internetdienstleister und ein Ingenieurbüro hatten einen Internet-System-Vertrag über Erstellung, Nutzungsüberlassung, Hosting und Betreuung einer Internetpräsenz geschlossen. Das Ingenieurbüro schob die Ausführung mit Zustimmung des Internetdienstleisters zunächst auf, kündigte schließlich nach § 649 Satz 1 BGB und forderte geleistete Vorauszahlungen zurück. Der Internetdienstleister zog in seiner Abrechnung daraufhin voraussichtliche Aufwendungen wie Fahrtkosten für Medienberater, Porto, Registrierungs- und Hostingkosten, Kosten für Büromaterial und den Einsatz freier Mitarbeiter, die er für die Erfüllung hätte aufwenden müssen, als ersparte Aufwendungen ab, nicht jedoch Aufwendungen für das bei ihm fest angestellte Personal, da er insoweit nichts erspart habe. Zu Recht?

Die Entscheidung des Gerichts

Ja. Der Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Voraus- oder Abschlagszahlungen bei Kündigung eines Internet-System-Vertrags nach § 649 Satz 1 BGB durch den Besteller sei ein vertraglicher Anspruch und kein Bereicherungsanspruch. Der Umfang der sekundären Darlegungslast richte sich einerseits nach der Intensität des Sachvortrags der beweisbelasteten Partei und finde andererseits seine Grenzen in der Zumutbarkeit der den Prozessgegner treffenden Offenbarungspflicht.

Vertraglicher Anspruch: Hätten die Parteien eines Werkvertrags Voraus- oder Abschlagszahlungen vereinbart, folge ein etwaiger Rückzahlungsanspruch aufgrund eines sich nach einer Abrechnung ergebenden Überschusses aus dem Vertrag und nicht aus Bereicherungsrecht. Der Besteller habe ein berechtigtes Interesse daran (und Anspruch aus dem Vertrag darauf), dass der Unternehmer die ihm zustehende endgültige Vergütung unter Berücksichtigung geleisteter Voraus- oder Abschlagszahlungen in einer endgültigen Rechnung abrechne.

Beweislast: Der Besteller habe dabei schlüssig die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Auszahlung eines Saldoüberschusses aus einer Schlussabrechnung vorzutragen. Dazu könne er sich auf eine vorhandene Abrechnung des Unternehmers beziehen und darlegen, dass sich daraus ein Überschuss ergebe oder nach Korrektur etwaiger Fehler ergeben müsste. Ausreichend sei eine Abrechnung, die deutlich mache, in welcher Höhe der Besteller Voraus- und Abschlagszahlungen geleistet habe und dass diesen Zahlungen ein entsprechender endgültiger Vergütungsanspruch des Unternehmers nicht gegenüberstehe. Habe der Besteller nach diesen Grundsätzen ausreichend vorgetragen, müsse der Unternehmer darlegen und beweisen, dass er berechtigt sei, die Voraus- und Abschlagszahlungen endgültig zu behalten. Auch bereits vorab bei Vertragsschluss fällige Anschlusskosten seien in der Regel Entgelt für die vertragliche Leistung des Werkunternehmers.

Anforderungen an die Abrechnung: Die Anforderungen an die Abrechnung des gekündigten Werkvertrags ergäben sich daraus, welche Angaben der Besteller zur Wahrung seines Interesses an sachgerechter Verteidigung benötige. Der Unternehmer müsse zu den kalkulatorischen Grundlagen der Abrechnung so viel vortragen, dass dem für höhere ersparte Aufwendungen darlegungs- und beweisbelasteten Besteller eine sachgerechte Rechtswahrung ermöglicht werde. Diesen Anforderungen sei der Unternehmer vorliegend gerecht geworden. Er habe den kalkulierten Ablauf des Vertragsverhältnisses mit dem Auftraggeber skizziert und die voraussichtlich ersparten Aufwendungen dargelegt. Dabei habe er auf eine durchschnittliche Kalkulation für jeden Vertrag abstellen dürfen, weil über den Durchschnitt hinausgehende anfallende Betreuungsleistungen für den Kunden gerade nicht kalkuliert werden könnten.

Kein anderweitiger Erwerb: Es reiche grundsätzlich aus, wenn sich der Unternehmer dazu wahrheitsgemäß, nachvollziehbar und ohne Widerspruch zu den Vertragsumständen ausdrücklich oder auch konkludent erkläre. Je wahrscheinlicher ein anderweitiger Erwerb sei, umso ausführlicher müssten die Angaben sein. Der Besteller könne jedoch grundsätzlich nicht verlangen, dass der Unternehmer von vornherein seine gesamte Geschäftsstruktur offenlege, um ihm die Beurteilung zu ermöglichen, welche Aufträge auch ohne die Kündigung akquiriert worden wären. Hier habe der Unternehmer dargelegt, dass er neben den von ihm im Einzelnen beschriebenen Arbeitsschritten, für die er sich Ersparnisse anrechnen lasse, die Vertragsdurchführung mit fest angestellten Mitarbeitern erledige und aufgrund der Kündigung keine Mitarbeiter entlassen habe. Durch die dauerhafte Vorhaltung der materiellen und personellen Ressourcen sei er auch unabhängig von der Kündigung einzelner Verträge in der Lage sei, neue Vertragsverhältnisse abzuschließen.


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