Auskunftsanspruch auf Nennung des Verfassers bei einem persönlichkeitsrechtsverletzenden Blog-Beitrag

Autor: RA Prof. Dr. Elmar Schuhmacher, Lungerich Lenz Schuhmacher, Köln
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 08/2012
Ein Auskunftsanspruch gegen einen Blog-Betreiber auf Benennung des Verfassers einer persönlichkeitsrechtsverletzenden Äußerung kann sich aus § 242 BGB ergeben.

OLG Dresden, Beschl. v. 8.2.2012 - 4 U 1850/11

Vorinstanz: LG Leipzig, Urt. v. 28.10.2011 - 8 O 1142/11

BGB §§ 242, 259, 260, 810; MarkenG § 19; PatG § 140b; TMG § 13 Abs. 6; UKlaG §§ 13, 13a; UrhG § 101 II 1

Das Problem:

In einem Blog-Beitrag äußert sich ein Verfasser anonym zu vermeintlich unzulässigen Machenschaften einer Versicherungsvermittlerin. Diese verlangte daraufhin vom Betreiber des Blogs Auskunft über die Identität des Verfassers. Sie berief sich darauf, dass sie durch die entsprechenden Äußerungen in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Das LG wies die Klage ab. Hiergegen legte die Betroffene Berufung ein.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das OLG Dresden erteilt der Betroffenen den Hinweis, dass es beabsichtigt, ihre Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe und auch die übrigen Voraussetzungen für einen solchen Beschluss vorlägen.

Anspruchsgrundlage: Der Anspruch scheitere aber nicht am Vorliegen einer Anspruchsgrundlage. Spezialgesetzliche Drittauskunftsansprüche aus § 101 Abs. 2 Satz 1 UrhG, § 140b PatG und § 19 MarkenG seien zwar ebenso wenig einschlägig, wie der Auskunftsanspruch des „sonstigen Betroffenen” gem. §§ 13, 13a UKlaG. Auch auf § 810 BGB sei ein Auskunftsanspruch nicht zu stützen, da die Herausgabe von Nutzerdaten nicht mit der Einsicht in eine Urkunde gleichgestellt werden könne.

Allgemeiner Auskunftsanspruch: In Betracht käme allerdings der allgemeine bürgerlich-rechtliche Auskunftsanspruch gem. §§ 242, 259, 260 BGB, der auch auf Dritte als Nicht-Verletzer anwendbar sei (BGH v. 17.5.2001 – I ZR 291/98 – Entfernung der Herstellungsnummer II, MDR 2002, 228 = GRUR 2001, 841; Hartmann, Unterlassungsansprüche im Internet, S. 146). Er bestehe grundsätzlich in jedem Rechtsverhältnis, in dem der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechtes im Ungewissen und der Verpflichtete unschwer zur Auskunftserteilung in der Lage sei (BGHZ 10, 385). Unter diesen Voraussetzungen sei ein Anspruch auf Auskunftserteilung auch dann gegeben, wenn nicht der in Anspruch Genommene, sondern ein Dritter Schuldner des Hauptanspruchs sei, dessen Durchsetzung der Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung ermöglichen soll (BGH, Urt. v. 17.5.2001 – I ZR 291/98 – Entfernung der Herstellungsnummer II, MDR 2002, 228 = GRUR 2001, 841; Urt. v. 23.2.1995 – I ZR 75/93 – „Schwarze Liste”, CR 1995, 657 m. Anm. Schneider = GRUR 1995, 427; Urt. v. 24.3.1994 – I ZR 152/92 – Pulloverbeschriftung, MDR 1994, 676 = GRUR 1994, 635). Eine für den Anspruch erforderliche rechtliche Sonderverbindung folge dann aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis. Stelle sich ein Kommentar in einem Blog als rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verletzten dar, unterläge auch der Blogbetreiber ebenso wie ein Hostprovider unter bestimmten Voraussetzungen, namentlich bei Verletzung von Prüfpflichten der allgemeinen Störerhaftung (BGH, Urt. v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10, CR 2012, 103, zitiert nach Pressemitteilung; v. 17.12.2010 – V ZR 44/10, CR 2011, 325 = NJW 2011, 753; v. 12.5.2010 – I ZR 121/08, MDR 2010, 882 = CR 2010, 458 m. Anm. Hornung; OLG Hamm, Urt. v. 7.10.2011 – 4 U 919/11, n.v.). Der Auskunftsanspruch ergäbe sich dann als Minus zu den ansonsten bestehenden Ansprüchen auf Unterlassung und Löschung persönlichkeitsverletzender Einträge.

§ 13 Abs. 6 Satz 1 TMG: Ob diese Vorschrift dem Auskunftsanspruch entgegenstünde, erscheine zweifelhaft, sei für das vorliegende Verfahren jedoch nicht entscheidungserheblich.

Darlegungs- und Beweislast: Der Auskunftsanspruch gegenüber dem Blog-Betreiber bestehe hier schon deswegen nicht, weil sich der Blog-Kommentar in den verfassungsrechtlich zulässigen Grenzen gehalten habe und daher keine Pflicht zur Löschung bestehe. Auch sei die Betroffene dem Vorbringen des Blog-Betreibers nicht substantiiert entgegengetreten. Der Klarname des Verfassers des Kommentars sei ihm nicht bekannt, weil er über einen derartigen Kommentar lediglich mit einer E-Mail informiert werde, die nur die Daten, die der Kommentator dort selbst eingetragen habe, sowie dessen IP-Adresse enthalte und er die E-Mails mit Benachrichtigungen über Blogkommentare nach Kontrolle des jeweiligen Beitrages ausnahmslos lösche. Für das anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmal des Auskunftsanspruches nach § 242 BGB, wonach der Verpflichtete unschwer zur Auskunft in der Lage sein muss, trage aber die Betroffene die Beweislast. Seiner sekundären Darlegungslast habe der Blog-Betreiber durch den Vortrag, die Benachrichtigungsmail über den streitgegenständlichen Kommentar gelöscht zu haben, genügt. Ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen reiche demgegenüber nicht aus.


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