BGH, Beschl. 22.7.2021 - I ZB 16/20

Rechtsprechungsänderung: Markeninhaber muss im Löschungsverfahren diejenigen Umstände nachweisen, aus denen sich der Fortbestand seiner Marke ergibt

Autor: RA Dr. Geert Johann Seelig, Fachanwalt für gewerblichen RechtsschutzLuther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 02/2022
Im Regelfall fehlt bei abstrakten Farbmarken die für eine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft. Die hohe Bekanntheit einer nicht unterscheidungskräftigen Farbmarke reicht für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung nicht aus. Für die Feststellung wird in aller Regel ein Gutachten benötigt.Zweifel an der Verkehrsdurchsetzung einer Marke gehen zu Lasten des Markeninhabers und nicht des Antragstellers im Löschungsverfahren. Daher trägt der Markeninhaber die Darlegungs- und Beweislast.

MarkenG §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, 50

Das Problem

Die abstrakte Farbmarke des Beck-Verlags „NJW-Orange“ wurde im Februar 2009 als verkehrsdurchgesetzte Marke für juristische Zeitschriften im Register des DPMA eingetragen. Der Farbton ist nach dem international anerkannten L*a*b*-System eindeutig definiert und wird von keiner anderen juristischen Fachzeitschrift in Deutschland verwendet. Im Oktober 2015 stellte die Antragstellerin einen Löschungsantrag beim DPMA mit der Begründung, dass die Voraussetzungen einer Verkehrsdurchsetzung der nicht unterscheidungskräftigen Marke nicht vorlägen.

Das DPMA wies den Löschungsantrag zurück, wogegen die Antragstellerin erfolglos Beschwerde beim BPatG erhob. Dieses führte aus, dass es aufgrund der fehlenden Unterscheidungskraft der Farbmarke auf die Verkehrsdurchsetzung ankomme. Für eine solche sprächen Umsatz, Marktanteil, Intensität, geografische Verbreitung und Dauer der Benutzung der Marke. Zwar stehe eine Verkehrsdurchsetzung damit noch nicht endgültig fest. Letzte Zweifel gingen jedoch zu Lasten der Antragstellerin. Bei dieser Beweislastregel konnte sich das BPatG auf die bisherige BGH-Rechtsprechung stützen. Deren Konformität mit der Rechtsprechung des EuGH war jedoch zumindest fraglich.

Die Entscheidung des Gerichts

Auf die von der Antragstellerin eingelegte Rechtsbeschwerde änderte der BGH nunmehr seine Ansicht und schloss sich der Linie des EuGH an. Er hob den Beschluss des BPatG auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Keine originäre Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG:

Ausgehend von der Feststellung, dass abstrakten Farbmarken die erforderliche originäre Unterscheidungskraft im Allgemeinen fehle, was auch für die Farbmarke „NJW-Orange“ gelte, hatte das BPatG geprüft, ob hier besondere Umstände vorlagen, die ausnahmsweise die Unterscheidungskraft begründen könnten, wie eine geringe Zahl von angebotenen Waren oder ein spezifischer Markt. Das BPatG kam zu dem, von der Beschwerde nicht angegriffenen und laut BGH auch rechtsfehlerfreien Ergebnis, dass der Farbmarke „NJW-Orange“ keine originäre Unterscheidungskraft zukomme. Die beanspruchten Waren der angegriffenen Farbmarke („juristische Fachzeitschriften“) umfassten zwar einen engen und überschaubaren Bereich und daher ein spezifisches Marktsegment. Jedoch habe sich der Verkehr – hier das juristische Fachpublikum – an die herkunftshinweisende Verwendung abstrakter Farben auf dem Gebiet der juristischen Fachzeitschriften nicht gewöhnt.

Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung:

Gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG sei eine Markenanmeldung nicht infolge fehlender Unterscheidungskraft zurückzuweisen, wenn die Marke sich vor dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung infolge ihrer Benutzung für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden sei, in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt habe.

Bei der Prüfung, ob eine Marke infolge der Benutzung Unterscheidungskraft erlangt habe, seien der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geographische Verbreitung, die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke und Erklärungen von Berufsverbänden zu berücksichtigen. Führe eine Gesamtbetrachtung dieser Umstände zu dem Ergebnis, dass ein erheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise (hier: das juristische Fachpublikum) die Ware bzw. Dienstleistung aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkenne, lägen die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung vor.

Jedenfalls habe die Markeninhaberin das „NJW-Orange“ im Anmeldezeitpunkt markenmäßig verwendet. Die Farbe werde, laut der von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellung des BPatG, von den angesprochenen Juristen als Herkunftshinweis erkannt. Die Markeninhaberin habe seit Jahrzehnten in stets gleichbleibender Weise den Farbton für die „NJW“ derart benutzt, dass die Farbe die Umschläge der Fachzeitschrift dominiere und auch nicht durch etwaige Schriftzüge („NJW“) in den Hintergrund gedrängt werde. Das BPatG habe nicht verkannt, dass eine Verwendung von Farben auf der Ware oder deren Verpackung nur ausnahmsweise markenmäßig sei.

Fehlender Nachweis für die Verkehrsdurchsetzung:

Jedoch sei die Begründung, mit der das BPatG einen Herkunftshinweis für eine bestimmte juristische Fachzeitschrift kraft Verkehrsdurchsetzung in Juristenkreisen, angenommen habe, unzureichend. Die Feststellung der Verkehrsdurchsetzung bereite besondere Schwierigkeiten, wenn der Markenschutz für ein Zeichen beansprucht werde, das nicht isoliert, sondern nur in Kombination mit anderen Elementen benutzt worden sei – wie bei der Farbmarke. Dann ließen die Umstände (Umsätze, Marktanteile, Werbeaufwendungen), die sonst auf eine Verkehrsdurchsetzung hinweisen könnten, lediglich den Rückschluss zu, dass die durch mehrere Merkmale gekennzeichnete Gestaltung durchgesetzt sei. Erst die Einholung eines Gutachtens könne Klarheit schaffen.

Das BPatG habe Indizien und Tatsachen festgestellt, die eine Verkehrsdurchsetzung der Farbmarke lediglich nahelegten. Dazu zählten die jahrzehntelange Benutzung der Marke für die NJW, das eng umgrenzte, wirtschaftliche eigenständige Marktsegment sowie eine erhebliche Auflagenhöhe von etwa 43.000 zum Zeitpunkt der Markenanmeldung. Zudem gäbe es kaum einen Juristen, der die orangefarbene Titelseite der NJW nicht kenne. Allerdings stünde durch die hohe Bekanntheit noch nicht fest, dass sich die Marke zum Anmeldezeitpunkt im Verkehr durchgesetzt habe.

Solche Zweifel gingen – entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BGH, auf die sich das BPatG noch berufen habe – zu Lasten des Markeninhabers und nicht des Antragstellers des Löschungsverfahrens (Rechtsprechungsänderung). Dies decke sich mit der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urt. v. 19.6.2014 – C-217/13, GRUR 2014, 776 – Oberbank u.a.). Zudem habe der Senat seine Rechtsprechung, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Verfalls die Klagepartei und nicht den Inhaber der angegriffenen Marke treffe, mit Blick auf neuere Rechtsprechung des EuGH, aufgegeben (BGH, Urt. v. 14.1.2021 – I ZR 40/20, GRUR 2021, 736 Rz. 22 – STELLA). Dies sei auch auf die Frage nach der Verkehrsdurchsetzung im Anmelde- und Löschungsverfahren zu übertragen. Denn bei der Verkehrsdurchsetzung handele es sich um eine Ausnahme von den Eintragungshindernissen.


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