BGH, Urt. 12.1.2023 - I ZR 49/22

Wegfall der Wiederholungsgefahr bei Unterwerfung per E‑Mail

Autor: RA Guido Aßhoff, LL.M., Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Fachanwalt für IT-Recht, LST Schuhmacher & Partner, Köln
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 05/2023
Eine von einem Kaufmann abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung unterliegt der Formfreiheit i.S.d. §§ 343 Abs. 1, 350 HGB. In der Regel fehlt es auch nicht an der Ernstlichkeit der Unterlassungserklärung, wenn der Unterlassungsschuldner innerhalb der gesetzten Frist keine unterschriebene Unterlassungserklärung im Original, sondern stattdessen fristgemäß eine unterschriebene Erklärung als PDF-Datei per E‑Mail übersendet.

BGB §§ 126 Abs. 1, 126b, 339, 780 S. 1, 781 S. 1, 1004 Abs. 1 S. 2; HGB § 343 Abs. 1, 350

Das Problem

Die klagende Gewerbetreibende erhielt ohne ihre Zustimmung auf betrieblich genutzte E‑Mailadressen Werbemails des Beklagten. Die Klägerin mahnte den Beklagten mit E‑Mail ab und forderte ihn auf, bis zum 18.5.2021 eine unterschriebene Unterlassungsverpflichtungserklärung zu übersenden. In der Abmahnung wies sie darauf hin, dass eine Versendung der Erklärung vorab per Fax oder E‑Mail genüge, sofern das entsprechende Original spätestens am 20.5.2021 eingehe.

Am 18.5.2021 übersandte der Beklagte per E‑Mail eine inhaltlich ausreichende Unterlassungserklärung sowie eine der E‑Mail beigefügte unterschriebene Erklärung als PDF-Datei.

Am 21.5.2021 beauftragte die Klägerin ihren Rechtsanwalt mit der Erhebung der vorliegenden Klage und teilte dem Beklagten in einer E‑Mail mit, dass die Angelegenheit mit der Übersendung der Unterlassungsverpflichtungserklärung mit E‑Mail vom 18.5.2021 nicht erledigt sei, sondern man den Vorgang zur Klageerhebung weitergeleitet habe.

Nachdem der Beklagte sodann während des erstinstanzlichen Verfahrens eine unterschriebene Unterlassungsverpflichtungserklärung im Original übersandt hatte, hat die Klägerin die auf Unterlassung der unaufgeforderten E‑Mail-Werbung gerichtete Klage für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen.

Das AG hat antragsgemäß festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist und dem Beklagten die Kosten auferlegt (AG Kirchheim unter Teck, Urt. v. 14.10.2021 – 1 C 216/21).

Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des AG abgeändert und die Klage abgewiesen (LG Stuttgart, Urt. v. 30.3.2022 – 4 S 230/21). Die Klägerin hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der sie die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebt.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Revision hat Erfolg.

Der I. Zivilsenat befasst sich in seiner Entscheidung insbesondere mit der Frage, ob die Übersendung einer Unterlassungserklärung in Textform (E‑Mail), die zusätzlich der E‑Mail als PDF-Datei angehängt war, ausreichend ist, um die Wiederholungsgefahr für einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch auszuräumen.

Das Berufungsgericht hat diese Frage in seiner Entscheidung bejaht und sah in der Übersendung der Unterlassungserklärung per Mail ein erledigendes Ereignis vor Einleitung des Hauptsacheverfahren. Der I. Zivilsenat teilt diese Ansicht zwar im Hinblick auf die Ernsthaftigkeit der Unterlassungserklärung, hat aber gleichwohl angenommen, dass die Wiederholungsgefahr im konkreten Fall durch die Erklärung vom 18.5.2021 nicht ausgeräumt wurde, da der Unterlassungsgläubiger die Annahme verweigert hat und kein wirksamer Unterlassungsvertrag zustande gekommen ist.

Ausgangspunkt für die Überlegungen des 1. Senats ist der Umstand, dass eine unerlaubte Handlung die Vermutung für das Vorliegen von Wiederholungsgefahr begründet, die hinsichtlich des damit einhergehenden Unterlassungsanspruchs nur durch Abgabe einer eindeutig und hinreichend bestimmten sowie den ernstlichen Willen des Schuldners erkennen lassenden Unterlassungserklärung ausgeräumt werden kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 8.3.1990 – I ZR 116/88 – Unterwerfung durch Fernschreiben; Urt. v. 1.12.2022 – I ZR 144/21 – Wegfall der Wiederholungsgefahr III, IPRB 2023, 5).

Das Erfordernis der Ernstlichkeit schließt demnach die Bereitschaft des Schuldners ein, dem Gläubiger die Erklärung auf dessen Verlangen auch in einer Form abzugeben, die im Streitfall die Durchsetzung ohne rechtliche Zweifel und Beweisschwierigkeiten ermöglicht.

Zweifel an der Ernstlichkeit der streitgegenständlichen Unterlassungserklärung ergeben sich laut BGH auch nicht aus dem Umstand, dass diese gesetzlichen Formanforderungen nicht genügt, weil eine Unterlassungserklärung jedenfalls im kaufmännischen Verkehr nach §§ 343 Abs. 1, 350 HGB keinem gesetzlichen Formzwang i.S.v. § 126 Abs. 1 BGB unterliegt.

An der Ernstlichkeit der Unterlassungserklärung fehle es auch nicht, weil der Beklagte die Unterlassungserklärung nicht innerhalb einer vom Gläubiger gesetzten Frist im Original übersendet hat. Im Gegensatz zur Übermittlung per Fernschreiben und der damit anzunehmenden Unsicherheit im Hinblick auf die rechtssichere Feststellung der Urheberschaft bestünden bei der Übersendung einer unterschriebenen Unterlassungserklärung per E‑Mail keine derartigen Zweifel der rechtlichen Urheberschaft. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass sich im Geschäfts- und Rechtsverkehr die vom Gesetzgeber in § 126b BGB geregelte Textform durchgesetzt hat, für die bereits eine einfache E‑Mail ausreicht. Insoweit ergeben sich auch keine Beweisschwierigkeiten für den Gläubiger des Unterlassungsanspruches.

Die Revision hat jedoch im Ergebnis Erfolg. Infolge der nach Erlass des Berufungsurteils geänderten Rechtsprechung des BGH konnte von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht mehr ausgegangen werden, weil es wegen der durch die Klägerin erklärten Ablehnung der Annahme der per E‑Mail übersandten strafbewehrten Unterlassungserklärung an der für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderlichen Abschreckungswirkung durch eine drohende Vertragsstrafeverpflichtung fehlte.

Der I. Senat geht seit seiner Entscheidung „Wegfall der Wiederholungsgefahr III“ (BGH, Urt. v. 1.12.2022 – I ZR 144/21; s. Anm. Bott, IPRB 2023, 5 f.) davon aus, dass es dann, wenn der Gläubiger die Annahme der strafbewehrten Unterlassungserklärung gegenüber dem Schuldner ablehnt, ab dem Zugang der Ablehnung an einer verhaltenssteuernden Vertragsstrafenandrohung fehlt, die den Schuldner von zukünftigen Verstößen abhalten soll, weil er nicht mehr damit rechnen muss, dass der Gläubiger durch die Annahme der strafbewehrten Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafeverpflichtung begründet hat. Durch die Ablehnung der per E‑Mail übermittelten Unterlassungserklärung musste der Beklagte davon ausgehen, dass kein wirksamer Unterlassungsvertrag zustande kommen würde.

Die Klägerin hat den Beklagten in der Abmahnung zudem aufgefordert, bis zum 18.5.2021 eine unterschriebene Unterlassungsverpflichtungserklärung zu übersenden und diesem die Versendung vorab per Telefax nachgelassen, wenn das Original spätestens 20.5.2021 eingehe. Der BGH misst insoweit der Abmahnung den Erklärungswert bei, dass die Klägerin den Beklagten zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags unter Einhaltung einer gewillkürten Schriftform gem. § 127 Abs. 1 BGB i.V.m. § 126 Abs. 1 BGB aufgefordert hat. Da die Beklagte dem nicht entsprochen, sondern zunächst nur die Unterwerfung per E‑Mail und PDF erklärt hat, sei von der Beklagten ein modifiziertes Unterlassungsverpflichtungs-Angebot ausgesprochen worden, das einer Annahme durch die Klägerin bedurfte, so dass ein Unterlassungsvertrag nicht bereits durch die Übersendung der Unterlassungserklärung per Mail anzunehmen war.


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