BGH, Urt. 1.12.2022 - I ZR 144/21

Die Wiederholungsgefahr für einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch entfällt nicht, wenn der Gläubiger die Unterlassungserklärung ablehnt

Autor: RA und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz Dr. Kristofer Bott, GvW Graf von Westphalen, Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaft mbB, Frankfurt/M.
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 01/2023
Verstößt der Schuldner einer markenrechtlichen Unterlassungsverpflichtung gegen diese, beseitigt auch ein nach „Hamburger Brauch“ unbeziffertes Vertragsstrafeversprechen die Wiederholungsgefahr, sofern darüber ein Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner zustandekommt. Das ist nicht der Fall, und die Wiederholungsgefahr entfällt nicht, wenn der Gläubiger des Unterlassungsanspruchs die Unterlassungserklärung des Schuldners ablehnt. Allein der Zugang der Erklärung lässt dann die Wiederholungsgefahr nicht entfallen (Aufgabe von BGH, Urt. v. 31.5.1990 – I ZR 285/88).

Verordnung (EU) 2017/1001 Art. 9, Art. 17 Abs. 1, Art. 130 Abs. 1

Das Problem

Die AUDI AG klagt wegen einer Verletzung ihrer Marken auf Unterlassung, außerdem auf Zahlung einer Vertragsstrafe. Das beklagte Unternehmen hatte sich bereits strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet, dann aber erneut eine Verletzungshandlung begangen. Auf die zweite Abmahnung gab das beklagte Unternehmen erneut eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, nach „Hamburger Brauch“ mit einer in das billige Ermessen der AUDI AG gestellten Vertragsstrafe. AUDI AG lehnte die Annahme der Erklärung ab: Es müsse, da eine erneute Verletzung und ein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung vorliege, eine bezifferte Vertragsstrafe versprochen werden. Das Landgericht wies die darauf erhobene Unterlassungsklage ab (LG Braunschweig, Urt. v. 7.10.2020 – 9 O 7138/19), das Oberlandesgericht gab ihr teilweise statt: Auf die Annahme der Erklärung komme es nicht an, auch sei die erneut unbezifferte Vertragsstrafe unschädlich. Die Wiederholungsgefahr sei aber nur für identische, nicht für kerngleiche Handlungen entfallen (OLG Braunschweig, Urt. v. 13.9.2021 – 2 U 36/20).

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH hebt auf und verurteilt in vollem Umfang zur Unterlassung.

Ausgangspunkt ist Art. 130 (1) UMV, wonach die Unionsmarkengerichte, wenn eine Handlung eine Markenverletzung darstellt, diese zu verbieten haben, wenn nicht „besondere Gründe entgegenstehen“. Das deutsche Recht, so der BGH, entspricht dem, indem es ein Unterlassungsgebot vorsieht, wenn nicht die Wiederholungsgefahr entfallen ist, was entweder durch rechtskräftiges Unterlassungsurteil oder vertragsstrafebewehrte Unterlassungserklärung bewirkt werden kann. Eine solche Unterlassungserklärung ist ein „besonderer Grund“ i.S.d. Art. 130 UMV. Dass das beklagte Unternehmen „nur“ eine nicht bezifferte Erklärung abgegeben hatte, stand dem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht entgegen, entschied der BGH. Das war in der Rechtsprechung, auf die sich der Gläubiger berufen hatte, teils anders gesehen worden: Der Schuldner müsse jedenfalls eine Mindeststrafe versprechen. „Angemessen“, so der BGH, sei im Wiederholungsfall eben eine höhere Vertragsstrafe. Allerdings, so der BGH, entfällt die Wiederholungsgefahr nicht, wenn der Gläubiger – wie hier – das Angebot des Schuldners ablehnt, auch dann, wenn – wie hier – die Unterlassungserklärung formal und inhaltlich an sich geeignet war, die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen. Das hatte der BGH bisher anders beurteilt: Allein der Zugang eine solchen Erklärung reichte aus, die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen. Die Wiederholungsgefahr entfällt nicht ohne die Möglichkeit, im Verletzungsfall eine Vertragsstrafe durchsetzen zu können. Das setzt ein wirksames Vertragsstrafeversprechen, jedenfalls aber die Möglichkeit voraus, ein solches zu begründen, also ein unverändert bindendes Angebot des Schuldners. Das sagt der Allgemeine Teil des BGB. Wenn der Gläubiger des Unterlassungsanspruchs ablehnt, erlischt das Angebot (§ 146 BGB). Dann kann der Gläubiger keine Vertragsstrafe durchsetzen, und die Wiederholungsgefahr, mit ihr der Unterlassungsanspruch, bleibt bestehen. Der Schuldner könne aber, so der BGH, unbillige Ergebnisse – nämlich im Prozess zu unterliegen und die Kosten tragen zu müssen, obwohl dieser hätte vermieden werden können – vermeiden, indem er den Klageanspruch sofort anerkenne (§ 93 ZPO).


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