BGH, Urt. 26.1.2023 - I ZR 27/22

(Keine) Haftung für Affiliates

Autor: RA Elmar Kloss, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Fachanwalt für IT-Recht, Dr. Caspers Mock & Partner, Koblenz
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 03/2023
Der Merchant (hier: Amazon) ist für Affiliates gem. § 8 Abs. 2 UWG nur verantwortlich, wenn die Handlungen des Affiliates dem Merchant wie eine Erweiterung des Geschäftsbetriebs zugutekommen. Wenn Affiliates frei darin sind, welche Werbemaßnahmen sie entwickeln und gestalten, um damit selbst Provisionen zu verdienen, handelt es sich nicht um eine Erweiterung des Geschäftsbetriebs des Merchants.

UWG § 8 Abs. 2

Das Problem

Werbemittler werden seit jeher eingesetzt, inzwischen gerne unter den Buzz-Words Affiliate oder Influencer. Ebenso seit jeher möchten Unternehmen einerseits von der Werbung der Werbemittler profitieren, andererseits aber nicht die rechtliche Verantwortung für die dem Unternehmen wirtschaftlich zugutekommenden Werbegestaltungen übernehmen.

Das Geschäftsmodell hat mit dem Internet einen großen Aufschwung erlebt. Jedermann kann von überall auf der Welt aus Banner oder Webseiten gestalten, die Besucher zur Webseite des Merchant bringen und dort Umsatz generieren. Praktisch wird dies natürlich nur stattfinden, wenn der Merchant dafür Provisionen zahlt (pay per lead, pay per click, pay per sale usw.). Mit den modernen technischen Mitteln lässt sich das hervorragend skalieren und weitgehend anonym abwickeln, insbesondere wenn der Merchant ausdrücklich erklärt, dass er weder die Affiliates noch deren Gestaltungen vorab prüfen wird. Entsprechend hoch ist der Anreiz für die Affiliates, ggf. auch wettbewerbsrechtlich unlautere Mittel einzusetzen. Dafür setzen sie dann gerne Briefkastenfirmen im Ausland ein, die im Fall einer Beanstandung rasch ausgetauscht werden

Um den lauteren Wettbewerb und damit nicht zuletzt die Verbraucher effektiv schützen zu können, wäre es hilfreich, wenn der Merchant in die Verantwortung genommen werden könnte. Denn schließlich kommen die wettbewerbswidrigen Gestaltungen i.E. (auch) dem Merchant zugute und der Merchant könnte dem Spuk ein Ende setzen, indem er nicht ungeprüft jegliche Werbemaßnahme vergüten würde.

Aufgrund der überragenden Markbedeutung des Amazon Marketplace wurden dessen Affiliate-Programm in den letzten Jahren in einer Vielzahl von Instanz-Gerichtsverfahren geprüft. Dessen wesentliches Merkmal ist (abgesehen von der hier nicht weiter interessierenden Verteilung der Aufgaben auf mehrere Konzerngesellschaften), dass der Affiliate völlig „frei Hand“ erhält: Ein Affiliate kann sich selbst bei Amazon anmelden; es findet keine Prüfung des Affiliate oder seiner Internetseite durch Amazon statt. Der Affiliate ist vollständig weisungsfrei, ob und wie er wirbt. Es ist jedoch ausdrücklich vereinbart, dass der Affiliate als unabhängiger Vertriebspartner gewährleisten soll, dass seine Gestaltungen nicht gegen anwendbare gesetzliche Bestimmungen oder ähnliches verstoßen. Für den Fall einer Nichteinhaltung der Vereinbarung behält sich Amazon u.a. vor, die sonst geschuldete Vergütung einzubehalten.

Das (vorläufige) Schlusswort dazu hat nun der BGH gesprochen.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH weist die Klage – wie auch schon die Vorinstanzen (LG Köln, Urt. v. 20.5.2021 – 81 O 62/20; OLG Köln, Urt. v. 11.2.2022 – 6 U 84/21, s. dazu Anm. Kloss, IPRB 2022, 79 ff.) – ab. Beim beurteilten Partnerprogramm ist Amazon nicht für seine Affiliates veranwortlich.

Der BGH stellt zunächst (Rz. 10-17) ausführlich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte und die Anwendbarkeit deutschen Rechts fest. Revisionsrechtlich war vorauszusetzen, dass eine selbstständige Wettbewerbsverletzung eines Affiliate vorlag, während Amazon nicht als Täter oder Teilnehmer verantwortlich war und auch keine Verletzung von Verkehrspflichten vorlag. Der BGH prüft deswegen eine Verantwortung ausschließlich nach § 8 Abs. 2 UWG, also des Merchant für einen „Beauftragten“ (verwendet dagegen kein Wort darauf, dass gem. Art. 2 lit. b der UGP-RL „jede Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt“ Bestandteil der Definition des „Gewerbetreibenden“ ist, vgl. dazu bereits Kloss, IPRB 2022, 80, 81).

Gemäß § 8 Abs. 2 UWG werden nach gefestigter Rechtsprechung dem Merchant Zuwiderhandlungen seiner Beauftragten wie eigene Handlungen zugerechnet, weil die arbeitsteilige Organisation des Unternehmens die Verantwortung für die geschäftliche Tätigkeit nicht beseitigen soll. Der Merchant, dem die Geschäftstätigkeit seiner Beauftragten zugutekommt, soll sich bei seiner Haftung nicht hinter den von ihm abhängigen Dritten verstecken können. Der innere Grund für die Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Beauftragten liege vor allem in einer dem Merchant zugutekommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs durch den Merchant. Deshalb ist es unerheblich, wie die Beteiligten ihre Rechtsbeziehungen ausgestaltet haben. Insbesondere kommt es nicht darauf an, welchen Einfluss sich der Merchant gesichert hat, sondern welchen Einfluss er sich sichern konnte und musste. Der Merchant haftet daher gegebenenfalls auch für ohne sein Wissen und gegen seinen Willen von einem Beauftragten begangene Rechtsverstöße.

Entscheidend ist aber, dass der Werbepartner in die betriebliche Organisation des Merchant in der Weise eingegliedert ist, dass der Erfolg der Geschäftstätigkeit des beauftragten Unternehmens dem Merchant zugutekommt. Der Merchant haftet dagegen nicht nach § 8 Abs. 2 UWG, wenn das geschäftliche Handeln des Dritten im konkreten Fall nicht der Geschäftsorganisation des Merchant, sondern derjenigen eines Dritten oder des Beauftragten selbst zuzurechnen ist.

Im konkreten Fall kann der BGH eine Eingliederung des Affiliate in den Geschäftsbetrieb des Merchant nicht feststellen. Die entscheidende Passage findet sich in Rz. 27, wo der BGH ausführt, der Merchant habe keine grundsätzlich ihm selbst obliegende Aufgabe an den Affiliate ausgelagert. Denn die Affiliates hätten es übernommen, nach eigenem Ermessen Webseiten zu gestalten, um damit Provisionen für sich selbst zu verdienen. Diese Webseiten der Affiliates seien deswegen eigene Produkte der Affiliates, keine Auslagerung von eigenen Tätigkeiten des Merchants. In dieser Situation müsse sich der Merchant auch keine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Tätigkeit der Affiliates sichern (Rz. 34).


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