BGH, Urt. 6.5.2021 - I ZR 61/20

Grenzen der Zurechnung fremder Markenverletzung

Autor: Dr. Anselm Brandi-Dohrn, maître en droit/FA für GewRS, von BOETTICHER Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 11/2021
Deliktsrechtliche Ansprüche setzen einen Zurechnungszusammenhang zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten und der Beeinträchtigung des geschützten Rechts voraus. Nach der insoweit anzuwendenden Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Besteht das vorgeworfene Verhalten in einem Unterlassen, ist zu fragen, ob eine pflichtgemäße Handlung den Eintritt der Rechtsgutverletzung verhindert hätte. Die Rechtsprechungsgrundsätze, wann Handlungen Dritter dem in Anspruch Genommenen zugerechnet werden, wenn er sich diese zu eigen gemacht hat, betreffen nicht die zunächst festzustellende Verursachung im Sinne der Äquivalenztheorie. Diese Grundsätze betreffen nur die der Feststellung äquivalenter Kausalität nachgelagerte Frage der normativen Zurechnung – nach welchen Kriterien bestimmt sich die Haftung, falls mehrere Personen einen äquivalent-kausalen Beitrag geleistet haben?

MarkenG § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 2; BGB § 830 Abs. 1 S. 1

Das Problem

Die Kläger sind Mitglieder einer Band „Die Filsbacher XXL“. Zu ihren Gunsten ist eine deutsche Marke „Die Filsbacher“ eingetragen. Der Kl. zu 1) trägt den Namen „Die Filsbacher XXL“. Nach dem Ausscheiden des Mitglieds P. aus der Band schlossen die Kläger mit diesem einen Vergleich, wonach keine Seite die Marke „Die Filsbacher“ in Alleinstellung verwenden dürfe, die Kläger aber den Namen „Die Filsbacher XXL“ und P. (und dessen Band) „S.P. und die Filsbacher“.

Der Beklagte tritt mit der Band von P. auf, ob als Mitglied oder als Gastmusiker ist streitig; er ist nicht Partei des Vergleichs.

Bei zwei Festen, auf denen P. und seine Band auftraten, wurde die Band als „Die Filsbacher“ angekündigt; die Webseite von P. enthält einen Hinweis auf eine Domain „Die-Filsbacher.de“, seine Facebook-Seite die Bezeichnung „Die Filsbacher“. Darauf nehmen die Kläger – gestützt auf Markenrecht bzw. die geschäftliche Bezeichnung „Die Filsbacher XXL“ den Beklagten in Anspruch. Die Kläger haben in den ersten beiden Instanzen Erfolg: Der Beklagte habe zwar keine der Verletzungen veranlasst, er müsse sich aber die Internetauftritte zurechnen lassen – denn er profitiere als Mitmusiker von den Darstellungen und habe selbst auch Fotos von sich hierfür zur Verfügung gestellt. Dies sei „adäquat kausal“ für die Markenverletzungen gewesen – jedenfalls aber sei er zumindest als Störer zur Beseitigung verpflichtet gewesen, sobald er von der Verletzung Kenntnis erhielt. Hiergegen wandte sich der Beklagte mit seiner Revision.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH gab der Revision des Beklagten statt.

Der Beklagte hafte nicht für die Verwendung des Kennzeichens im Internet/auf Facebook. Hier fehle es schon an der äquivalenten Kausalität, die Grundlage jeder Haftung sei – denn der Beklagte habe weder auf die Nutzung des Kennzeichens hingewirkt noch sei er hierfür mitursächlich geworden. Das bloße Zurverfügungstellen eigener Fotos sei nicht kausal für die Kennzeichenverletzung – denn das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, dass ohne die Fotos die Webseite nicht bzw. ohne die Kennzeichen betrieben worden wäre. Der Beklagte habe sich den Internetauftritt auch nicht zu eigen gemacht. Zwar könne eine Haftung resultieren, wenn der Betreffende die Verantwortung für die Handlung eines Dritten übernimmt oder den zurechenbaren Anschein erweckt, er identifiziere sich mit ihr; das setze aber zunächst voraus, dass überhaupt ein äquivalent-kausaler Beitrag geleistet wurde – denn das Kriterium des „Zu-eigen-Machens“ dient eigentlich der Einschränkung der sich aus der Äquivalenz-Theorie ergebenden (zu) weiten Haftung. Deshalb komme auch eine Haftung nur deshalb, weil er von der Werbewirkung der Internetseite mittelbar profitiere, nicht in Frage. Zuletzt liege auch kein äquivalent-kausales Unterlassen des Beklagten vor. Denn auch insoweit fehle es an Feststellungen, warum das Entfernen seiner Fotos irgendeinen Einfluss auf die fortdauernde Kennzeichenverletzung hätte haben können. Auf die nachgelagerte Frage einer Garantenstellung komme es daher von vornherein nicht an.

Der Beklagte sei auch nicht deliktsrechtlich für die Kennzeichenverletzung verantwortlich: Für eine Täterschaft – oder auch nur eine Mittäterschaft – fehle jede tatsächliche Feststellung. Eine Beihilfe scheitere schon (s. oben) an einem kausalen Tatbeitrag, daneben aber offenbar auch am Vorsatz der Beteiligung an einer rechtswidrigen Haupttat, da sich der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht um den Internetauftritt gekümmert habe. Zuletzt setze auch die Störerhaftung einen adäquat-kausalen Beitrag zur Rechtsverletzung voraus (BGH, Urt. v. 21.1.2021 – I ZR 20/17, Rz. 37 – Davidoff Hot Water IV).

Zweitens sei der Beklagte auch für die Verwendung des Kennzeichens in den Programmen der beiden Veranstaltungen nicht verantwortlich. Das Berufungsgericht habe angenommen, die Programmverantwortlichen hätten wohl das rechtsverletzende Kennzeichen aus der Internetseite des P. entnommen. Dabei komme es entgegen dem Berufungsgericht nicht darauf an, ob der Beklagte durch den Internetauftritt eine ihm zurechenbare „Gefahr geschaffen“ habe – denn es fehle schlicht an der adäquat-kausalen Verursachung. Auch eine Verursachung durch Unterlassung scheide aus, weil nicht ersichtlich sei, dass der Beklagte verpflichtet sei, den Internetauftritt oder Veranstaltungsprogramme auf Zeichenverletzungen zu überwachen.

Die pauschale Annahme des Berufungsgerichts, jedenfalls ab Kenntnis der Rechtsverletzung bestehe eine Pflicht des Beklagten, die Rechtsverletzung abzustellen sei falsch. Es gebe keine generelle Garantenstellung für Rechtsverletzungen eigenverantwortlich handelnder Dritter; das Mitspielen in einer fremden Band begründe diese jedenfalls nicht.


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