BPatG (30. Senat), Beschl. 30.4.2020 - 30 W (pat) 507/17

Zergliedernde Betrachtung von Einwortzeichen; fehlende Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen „Hugomofell“ und „Hugo“

Autor: RA Dr. Geert Johann Seelig, Fachanwalt für gewerblichen RechtsschutzLuther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 02/2021
Die Kennzeichnungskraft einer Marke muss im Kontext des entscheidungserheblichen Warensektors beurteilt werden. Eine die Kennzeichnungskraft stärkende Benutzung muss sowohl im Prioritätszeitpunkt als auch im Entscheidungszeitpunkt noch vorliegen. Die Feststellung besonderer Umstände, die den Verkehr veranlassen, ein einteiliges Zeichen zergliedernd aufzufassen, ist ein eigenständiger Prüfungsschritt vor der Anwendung des Prägungsgrundsatzes. Anlass zur zergliedernden Wahrnehmung eines Einwortzeichens kann bestehen, wenn der erste Wortteil ein geläufiger Vorname ist und der zweite als Nachname aufgefasst wird. Bei der Verbindung eines häufigen Vornamens mit einem ungewöhnlichen Nachnamen, besteht für den Verkehr kein Anlass, den gewöhnlichen Namensbestandteil „herauszugreifen“.

MarkenG § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 3, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 43 Abs. 2, § 125 b Nr. 1

Das Problem

Die Beschwerdegegnerin meldete am 21.8.2015 die Wort-/Bildmarke „HUGOMOFELL“ für Waren der Klasse 9 (Spiegel [optisch]; Kneifer [Augengläser]; Sonnenbrillen; Brillenfassungen, -gestelle; Kneiferfassungen; Brillengläser; Korrektionslinsen [Optik]; Brillenetuis; Kneiferetuis) beim DPMA an. Die Marke wurde (entsprechend der Anmeldung) ins Register eingetragen. Gegen diese Eintragung erhob die Beschwerdeführerin Widerspruch aus ihrer Unionsmarke „HUGO“. Der Widerspruch war auf Waren der Klasse 9 (Brillen und deren Teile) Klasse 14 (u.a. Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren; Juwelierwaren) Klasse 18 (u.a. Leder und Lederimitationen) Klasse 25 (u.a. Herren‑, Damen‑, und Kinderbekleidung; Kopfbedeckungen; Handschuhe; Schuhe) gestützt. Mit Beschluss vom 4.10.2016 wies die zuständige Markenstelle den Widerspruch zurück. Es bestehe keine Verwechslungsgefahr i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie macht geltend, dass die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aufgrund intensiver Benutzung gesteigert sei. Zum Beleg reicht sie neben Google-Recherchen und verschiedenen Online-Artikeln auch eine eidesstattliche Versicherung des berechtigten Vertreters des Unternehmens vom Januar 2017 ein. Die Vergleichszeichen seien zudem hochgradig ähnlich, der Durchschnittsverbraucher würde die Marke als aus dem gebräuchlichen Vornamen „HUGO“ und der bedeutungslosen Endsilbe „MOFELL“ zusammengesetzt erkennen. Dabei werde der Verkehr allein das Element „HUGO“ als prägend ansehen. Letztlich sei zu berücksichtigen, dass die Widersprechende über eine Markenserie mit dem Bestandteil „HUGO“ verfüge, u.a. mit den Unionsmarken „HUGO BOSS“, „HUGO BOSS WOMAN“, „HUGO BOSS GOLF“, „HUGO WOMAN“. Die jüngere Marke würde als Teil der Markenserie mit dem Stammbestandteil „HUGO“ wahrgenommen werden.

Die Entscheidung des Gerichts

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Widerspruchsmarke verfüge über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft:

Vornamen wie HUGO käme von Haus aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Für den relevanten Warensektor „Brillen; Brillenzubehör“ könne auch nicht von gesteigerter Kennzeichnungskraft wegen intensiver Benutzung ausgegangen werden. Für die Annahme erhöhter Kennzeichnungskraft durch gesteigerte Verkehrsbekanntheit bedürfe es u.a. hinreichend konkreter Angaben zum Marktanteil, zu Intensität, geografischer Verbreitung und Dauer der Benutzung der Marke und zum Werbeaufwand des Unternehmens inklusive des Investitionsumfangs zur Förderung der Marke. Die von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen in Form von Markenrankings, Google-Trefferlisten bzw. einer Verkehrsumfrage aus dem Jahr 2010 („Spiegel-QC“-Studie) genügten diesen Anforderungen nicht. Die Unterlagen seien auf den Zeitraum bis max. 2014/2015 beschränkt. Eine die Kennzeichnungskraft stärkende Benutzung müsse aber sowohl im Prioritätszeitpunkt der jüngeren Marke, als auch im Entscheidungszeitpunkt noch vorliegen. Die Unterlagen seien auch ihrem Inhalt nach nicht geeignet, eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit zu belegen. Die vorgelegten Marken-Rankings und Studien aus den Jahren 2012 bzw. 2011 seien nicht mehr geeignet Rückschlüsse auf die maßgeblichen Zeitpunkte fünf bis zehn Jahre später zuzulassen. Schließlich bezögen sich die Dokumente ihrem Inhalt nach nicht spezifisch auf den Warenbereich der „Brillen“ und des „Brillenzubehörs“. Daher könnten sie keine Rückschlüsse auf die Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarke im entscheidungserheblichen Warensektor zulassen. Angaben zum entscheidungserheblichen Warensektor erhalte nur die eidesstattliche Versicherung des berechtigten Vertreters. Diese lasse jedoch geringe Netto-Jahreseinkünfte und geringe Verkaufszahlen für den Bereich „Brillen“ und „Brillenzubehör“ im Inland erkennen. Daher könne auf ein niedriges Niveau der Verkehrsbekanntheit in diesem Warenbereich geschlossen werden.

Geringe Zeichenähnlichkeit:

Die angegriffene Marke hebe sich bei Vornahme eines Gesamtvergleichs in klanglicher, schriftbildlicher und Begrifflicher Hinsicht trotz des identischen Wortanfangs hinreichend deutlich ab. Ähnlichkeit könne nur dann bejaht werden, wenn die zu Kombinationsmarken entwickelten Grundsätze auf die angegriffene Marke anwendbar wären und entsprechend geprüft werden könnte, ob der Gesamteindruck allein von dem Bestandteil HUGO geprägt wird oder ob HUGO innerhalb der angegriffenen Marke eine selbstständig kennzeichnende Stellung hat. Voraussetzung für die Anwendung der für Kombinationsmarken entwickelten Grundsätze sei, dass der Verkehr aufgrund besonderer Umstände Anlass habe, das aus einem Wort bestehende Zeichen zergliedernd aufzufassen. Ein Anlass bestehe vorliegend, weil der Verkehr in HUGO einen geläufigen Vornamen erkenne und sich die angegriffene Marke als Gesamtname bestehend aus Vor- und Nachname erschließe („HUGO MOFELL“). Es könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass die angegriffene Marke als Gesamtname alleine durch den Vornamen geprägt werde bzw. dass „HUGO“ innerhalb der Marke eine selbstständig kennzeichnende Stellung habe. Der Vorname „Hugo“ sei auch im Deutschen geläufig. „Mofell“ demgegenüber sei originell und prägnant. Bei der Verbindung eines häufigen Vornamens mit einem ungewöhnlichen Nachnamen, bestehe für den Verkehr kein Anlass, den gewöhnlichen Namensbestandteil „herauszugreifen“. Eine Abweichung von dem allgemeinen Erfahrungssatz, nach dem sich der Verkehr bei Zeichen, die aus Vor- und Nachnamen bestehen, am Gesamtnamen orientiere, sei deshalb nicht geboten.

Keine Gefahr des gedanklichen In-Verbindung-Bringens unter dem Aspekt des Serienzeichens oder des Sonderschutzes bekannter Marken:

Die Widersprechende habe zunächst nichts zu einer „liquiden“ Verwendung der in Betracht kommenden HUGO-Serienmarken im Anmeldezeitpunkt der jüngeren Marke vorgetragen. Selbst wenn von einer Benutzung ausgegangen werde, füge sich der zusätzliche Bestandteil „MOFELL“, der auf eine Person mit diesem Nachnamen hinweise, nicht in die serienmäßige Bezeichnungspraxis (HUGO i.V.m. beschreibenden Elementen) der Widersprechenden ein. Es komme eine Löschung auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Sonderschutzes der bekannten Marke nach §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG in Betracht. Da die angegriffene Marke „HUGOMOFELL“ vom Verkehr jedoch als Gesamtname wahrgenommen werde, bestehe bereits keine Veranlassung des Verkehrs, eine gedankliche Verknüpfung zu der – unterstellt – bekannten Marke der Widersprechenden herzustellen.


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