BPatG, Beschl. 11.3.2020 - 29 W (pat) 37/17

Zur Auslegung eines Warenverzeichnisses im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren

Autor: RA und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz Dr. Kristofer Bott, Frankfurt/M.
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 08/2020
Bei der Auslegung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses einer Marke kommt es nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Anmelders an, sondern auf objektive Umstände. Zu diesen gehört aber auch die tatsächliche Produktpalette des Anmelders.

MarkenG §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 43, 26

Das Problem

Gegen die Eintragung der Wort-/Bild-Marke

ist Widerspruch eingelegt aus der Wortmarke „ALLIANCE“. Die Marken sind u.a. für jedenfalls ähnliche Waren in Klasse 5 eingetragen, die Widerspruchsmarke für „Pharmazeutische Präparate, ausgenommen jedoch ... chemische Präparate für pharmazeutische Zwecke.“ Die Anmelderin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Zu entscheiden war in erster Linie, ob die Widersprechende ihre Marke rechtserhaltend benutzt hatte und ob die Zeichen hinreichend ähnlich waren. Fraglich in diesem Zusammenhang war, ob die Waren, für welche die Widersprechende eine Benutzung nachweisen konnte, überhaupt vom Verzeichnis der Widerspruchsmarke angesichts dessen einschränkenden Zusatzes erfasst waren, und welche Unterscheidungskraft den Begriffen „Alliance“ und „Healthcare“ zukommt. Das DPMA hatte eine Verwechslungsgefahr wegen noch ausreichenden Abstands der Zeichen bei unterstellter Benutzung verneint und deshalb die Frage der rechtserhaltenden Benutzung auf sich beruhen lassen.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BPatG gab der Beschwerde der Widersprechenden statt und ordnete die Löschung der Marke im angegriffenen Umfang an.

Die Widerspruchsmarke sei für teils identische, teils ähnliche Waren eingetragen und auch genutzt worden. Den – in einem „pharmazeutische Präparate“ enthaltenden Verzeichnis widersprüchlich anmutenden – Zusatz „ausgenommen ... chemische Präparate für pharmazeutische Zwecke“ müsse man objektiv, aber mit Rücksicht auf die tatsächlich von der Widersprechenden vertriebenen Produkte verstehen. Darunter fielen nicht nur nicht-chemische, also pflanzliche pharmazeutische Präparate, sondern auch Arzneimittel auf chemischer Basis, allerdings – wegen der Beschränkung – nicht Reinsubstanzen. Für Waren, die einem so verstandenen Verzeichnis entsprächen, sei die Benutzung nachgewiesen. Dabei kam der Widersprechenden die sog. erweiterte Minimallösung zugute, wonach die Benutzung für bestimmte Waren die Marke nicht nur für diese erhält, sondern auch für einen minimal erweiterten, diese Waren einschließenden Warenbegriff. Die Zeichen seien schließlich auch ähnlich. Bei identischem und nicht beschreibendem Wortbestandteil „Alliance“ einerseits, glatt beschreibenden und deshalb die angegriffene Marke nicht mitbestimmendem Bestandteil „Healthcare“ andererseits bestehe wegen dieser Ähnlichkeit eine unmittelbare Verwechslungsgefahr.


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