BPatG, Beschl. 14.3.2023 - 3 Ni 12/22 (EP)

Unzureichende Sicherheit führt zur Klagerücknahme im Patentnichtigkeitsverfahren

Autor: Dr. Ilja Czernik, Leiter des Stabsbereiches Regelkonformität einer Bundesbehörde in Berlin (Die Ausführungen spiegeln ausschließlich die private Meinung des Autors wieder.)
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 06/2023
Eine Prozesskostenbürgschaft darf nicht dahingehend beschränkt werden, dass eine Vorausabtretung des gesicherten, aufschiebend bedingten Kostenerstattungsanspruchs von der Zustimmung des Bürgschaftsschuldners abhängig ist. Insoweit genügt die Prozessbürgschaft nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 81 Abs. 6, § 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 108 ZPOGenügt eine Prozesskostenbürgschaft nicht den gesetzlichen Anforderungen, ordnet § 81 Abs. 6 S. 3 PatG als lex specialis gegenüber § 113 ZPO die Fiktion der Klagerücknahme als gesetzlich zwingende Rechtsfolge an, weswegen es hierfür keines Antrages des Beklagten nach § 113 Abs. 2 ZPO bedarf. Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand kommt nur in Betracht, wenn eine Rechtsauslegung (hier die Zulässigkeit der beschränkten Prozesskostenbürgschaft) einhellig vertreten wurde, nicht aber, wenn diese bislang in Rechtsprechung und Literatur gar nicht erörtert wurde.

PatG §§ 81 Abs. 6, 99 Abs. 1; ZPO §§ 108, 113; BGB §§ 399, 404, 505

Das Problem

Der Klägerin war in einem Patentnichtigkeitsverfahren aufgegeben worden, eine Prozesskostenbürgschaft zu stellen. Dem kam die Klägerin mittels Bankbürgschaft einer Sparkasse nach, der folgende Konditionen zugrunde lagen:

„Dies vorausgeschickt, übernehmen wir, die Sparkasse, (...) hiermit im Auftrag der Klägerin gegenüber der Beklagten als Bürgschaftsgläubigerin zur Sicherung etwaiger Kostenerstattungsansprüche der Beklagten gegen die Klägerin aus dem oben genannten Rechtsstreit die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft unter Verzicht auf die Einreden der Vorausklage (§ 771 BGB), der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit (§ 770 BGB) bis zum Höchstbetrage von EUR 60.000,00 (in Worten: Euro sechzigtausend) einschließlich sämtlicher Nebenforderungen (insbesondere Zinsen und Kosten) mit der Maßgabe, dass wir aus dieser Bürgschaft nur auf Zahlung von Geld in Anspruch genommen werden können.

(...)

Diese Bürgschaft ist auf die Beklagte persönlich ausgestellt und nicht übertragbar. Im Fall der Abtretung der durch die Bürgschaft gesicherten Forderungen an einen Dritten gehen die Rechte aus dieser Bürgschaft nur mit unserer vorherigen schriftlichen Zustimmung auf den Dritten über, wobei eine solche Zustimmung nicht unbillig verweigert werden darf.“

Die im letzten Abschnitt genannte Einschränkung der Übertragbarkeit der Bankbürgschaft und das damit verbundene Schriftformerfordernis sei jedoch nach Einschätzung der Beklagten mit den gesetzlichen Anforderungen unvereinbar. Da insoweit innerhalb der gerichtlichen Frist keine ausreichende Prozesskostensicherheit erbracht worden sei, ist sie der Meinung, die Klage sei von Gesetzes wegen als zurückgenommen anzusehen, da § 81 Abs. 6 Satz 3 PatG insoweit als § 113 ZPO als lex specialis vorgehe. Die Klägerin ist demgegenüber der Auffassung, die Prozesskostensicherheit sei hinreichend, da der Klägerin lediglich aufgegeben worden war,

„der Beklagten wegen der Kosten des Verfahrens“

Sicherheit zu leisten. Wegen dieser namentlichen Erwähnung sei von einer Einschränkung der personellen Absicherung auf die Beklagte auszugehen, weswegen die zustimmungsgebundene Übertragbarkeit des potentiellen Kostenanspruchs an einen nicht benannten Dritten unschädlich sei. Hilfsweise beantragt die Klägerin zugleich Wiedereinsetzung mittels neuer Bankbürgschaft und unter der Begründung, dass die Streitfrage bislang nicht in Rechtsprechung und Literatur erörtert worden sei.

Die Entscheidung

Das BPatG folgt dem Vortrag der Beklagten. Nach Meinung des BPatG sei vorliegend wegen § 81 Abs. 6 Satz 3 PatG von einer gesetzlichen angeordneten Klagerücknahme auszugehen, die gerichtsseitig lediglich noch deklaratorisch festzustellen sei. Denn der unmittelbar anzuwendende § 81 Abs. 6 Satz 3 PatG gehe als lex specialis der ansonsten über § 99 Abs. 1 PatG möglichen Anwendbarkeit des § 113 ZPO vor.



Soweit das Gericht hier in Ausübung seines Bestimmungsrechtes aus § 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts gefordert habe, fehle es hieran. Denn eine schädliche Bedingung sei auch dann anzunehmen, wenn die Bürgschaftsleistung im Bürgschaftsfall von Voraussetzungen abhängig gemacht werde, die vom gesetzlichen Regelfall abweichen würden. Hiervon sei wegen des Zustimmungserfordernisses indes auszugehen, da das Abtretungsrecht nach § 401 Abs. 1 BGB, das die Mitabtretung der Sicherungsrechte vorsehe, beschränkt werde. Infolgedessen fehle es an einer unbedingten Prozesskostensicherheit i.S.d. § 108 ZPO. Dem stehe auch keine vermeintlich höchstpersönliche Natur der Sicherheit entgegen, die einer Abtretbarkeit wegen §§ 399, 500 BGB zuwiderlaufe. Eine solche sei im Falle der Prozesskostensicherheit nicht gegeben. So sei zwar die Prozesskostensicherheit auf den Kostenerstattungsanspruch der Beklagten bezogen, daraus folge jedoch keine gesetzliche Beschränkung der materiell-rechtlichen Abtretbarkeit. Insofern schließe das Gesetz gerade keine Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs durch einen Rechtsnachfolger aus, auch nicht nach (Voraus-) Abtretung der Forderung durch den Zessionar.

Eine Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren. Die Prozessvertretung der Klägerin sei angehalten gewesen, den risikoärmsten Weg und die für die eigene Position schädlichste Gesetzesauslegung zugrunde zu legen. Daraus, dass die Frage bislang nicht behandelt worden sei, hätte sie nicht schließen können, dass die Sache zu ihren Gunsten ausgegangen wäre. Ein zulässiger Wiedereinsetzungsgrund sei nur anzunehmen gewesen, wenn die Frage einhellig in Rechtsprechung und Literatur im Sinne der Klägerin beantwortet gewesen wäre.


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