Der Zwilling der „Almased-Frau” – unlautere Herkunftstäuschung trotz anderer Produktbezeichnung

Autor: Rechtsanwalt Moritz Vohwinkel, LLR Legerlotz Laschet Rechtsanwälte, Köln, www.llr.de
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 09/2015
Wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz hat bei lange und umfangreich beworbenen Produkten keine überhöhten Anforderungen. Die Schwächung der wettbewerblichen Eigenart jahrzehntelang vertriebener Produkte durch ähnliche Konkurrenzprodukte setzt nicht innerhalb weniger Monate nach deren Markteinführung ein.Abweichende Herstellerangaben sprechen gegen eine Herkunftstäuschung. Das gilt aber nicht, wenn es sich bei als solchen erkennbaren Handelsmarke für Produkte mehrerer Hersteller.Abweichende Produktbezeichnungen können als Zweitmarke des Herstellers missverstanden werden und schließen dann eine Herkunftstäuschung nicht aus.

OLG Köln, Urt. v. 12.12.2014 - 6 U 28/14 „Almased-Diätdrink”

Vorinstanz: LG Köln, Urt. v. 16.1.2014 - 81 O 92/13

UWG §§ 3, 4 Nr. 9a, b, 8 Abs. 1, 3 Nr. 1

Das Problem

Ein Discounter bietet einen Diätdrink an, dessen Verpackung an das bekannte Produkt des Marktführers erinnert:

Die auf der Verpackung abgebildete Frau ähnelt zudem der Frau aus der Almased-Werbung:

Der Marktführer klagt wegen unlauterer Nachahmung auf Unterlassung und Schadensersatz. Das LG hatte die Klage abgewiesen, weil der Verkehr die Unterschiede der Produkte erkenne.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG Köln hat den Discounter zu Unterlassung und Schadensersatz verurteilt.

Wettbewerbliche Eigenart: Die „Almased”-Dose des Marktführers weise eine gesteigerte wettbewerbliche Eigenart auf. Der Verkehr lege Wert auf die betriebliche Herkunft solcher Produkte. Hinzu komme die gesteigerte Bekanntheit von Almased infolge der hohen Marktanteile von 80 % und der intensiven Bewerbung des Produkts seit mindestens zehn Jahren in kerngleicher Ausstattung. Diese Bekanntheit führe zu einer erheblichen Steigerung der originär durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart, die dementsprechend im Ergebnis schon als hoch angesehen werden könne.

Eine Schwächung der wettbewerblichen Eigenart durch Produkte Dritter mit ähnlicher Aufmachung liege nicht vor. Sofern einzelne ähnliche Produkte nur knapp ein Jahr vor Markteinführung von VITA-SED aufgekommen sind, so könnte diese noch keine Schwächung der Eigenart des jahrzehntelang vertriebenen Almased bewirken.

Nachahmung: Die Aufmachung von VITA-SED beschränke sich nicht auf eine bloße – für sich genommen zulässige – Übernahme der gestalterischen Grundidee, die drei Inhaltsstoffe Soja, Joghurt und Honig anzugeben. Vielmehr nähere der Discounter sich auch der konkreten Umsetzung der diesbezüglichen Gestaltung an durch die mittig platzierte stilisierte Wiedergabe der Stoffe in Kreisform mit den ineinander verweisenden Kreisen. Auch die Produktbezeichnungen seien von der Silbenzahl her identisch, von der Vokalfolge her ähnlich und enthielten beide das Suffix -SED, von dem eine häufige Verwendung für andere Produkte nicht festgestellt werden könne.

Vermeidbare Herkunftstäuschung: Auf dieser Grundlage hat das Gericht zwar verneint, dass der Verkehr die Produkte unmittelbar miteinander verwechsle. Jedoch denke der Verbraucher, dass es sich bei VITA-SED um eine Zweitmarke i.S.e. Ausstattungsvariante des Marktführers handele. Zumindest gehe er davon aus, dass VITA-SED mit Zustimmung des Marktführers vertrieben werde. Zwar könnte eine solche Fehlvorstellung durch die klare und auffällige Angabe eines anderweitigen Herstellers kompensiert werden. Dazu sei aber die Angabe „Multinorm” nicht geeignet, weil von dieser Handelsmarke bekannt sei, dass darunter Produkte unterschiedlicher Hersteller vertrieben werden.

Unlautere Ausnutzung der Wertschätzung: Zudem nutze VITA-SED die vom Verkehr mit Almased verbundenen Gütevorstellungen unlauter aus. Angesichts der hohen wettbewerblichen Eigenart, seien keine erhöhten Anforderungen an die Unlauterkeit zu stellen. Die Anlehnung an die verkehrsbekannten Merkmale begünstige einen Imagetransfer. Die Aufmachung von VITA-SED gehe weit darüber hinaus, bloße Assoziationen mit Almased hervorzurufen. Vielmehr bemühe der Discounter sich aktiv um die Ausnutzung des Images von Almased. Dies nicht zuletzt durch Verwendung des Fotos einer Frau, die ein Zwilling der Almased-Frau aus der Werbung des Marktführers sein könnte.


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