Die Marke „Fucking hell” verstößt gegen die guten Sitten

Autor: Rechtsanwalt Raffael Greiffenberg, von BOETTICHER Rechtsanwälte
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 07/2014
Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt vor bei Begriffen, die von dem angesprochenen Verkehr als derbe Flüche verstanden werden.

BPatG, Beschl. v. 17.12.2013 - 27 W (pat) 507/13

MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 5

Das Problem:

Die Anmelder beantragten die Eintragung der Bezeichnung „Fucking hell” als nationale Wortmarke u.a. für die Dienstleistungen „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten” nach Klasse 35 und „Verpflegung und Beherbergung von Gästen” nach Klasse 43. Die zuständige Markenstelle des DPMA wies die Anmeldung wegen Verstoßes gegen die guten Sitten zurück. Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelder. Die Markenstelle ist der Ansicht, der Durchschnittsverbraucher messe dem englischsprachigen Begriff „Fucking hell” hauptsächlich die Bedeutung „verdammte Scheiße” bei und verstehe die angemeldete Wortkombination dementsprechend als Schimpfwort. Derartige derbe Ausdrücke mit unhöflicher und geschmackloser Bedeutung, so die Markenstelle, widersprechen selbst nach den heute geltenden Maßstäben den gesellschaftlichen Sittenvorstellungen. Nach Ansicht der Anmelder hingegen verstehe der angesprochene Durchschnittsverbraucher den Begriff mangels entsprechender Englischkenntnisse nicht sofort als Schimpfwort. Dementsprechend sei die Bedeutung der Wortkombination unklar und interpretationsbedürftig. So könne der angesprochene Durchschnittsverbraucher die angemeldete Bezeichnung bspw. interpretieren als den Geburtsort des Teufels, als ein Bier Münchener Brauart aus dem österreichischen Dorf „Fucking”, als einen deutschen Familiennamen, bei falscher Übersetzung als „verdammt hell” oder als „verdammt noch mal”. Davon abgesehen sei der angesprochene Verkehr an reißerische Werbung gewöhnt und verstehe das Kennzeichen deshalb nicht als Schimpfwort, sondern eher als Aufmerksamkeitsinstrument, das mit den Grenzen des guten Geschmacks spiele. Außerdem seien Begriffe wie „Fucking” oder „Ficken” infolge der Verwendung durch US-Präsidenten, Sänger, Schriftsteller oder im Zusammenhang mit Theaterstücken abgenutzt, weshalb der Verkehr sie kaum noch als anstößig oder provozierend verstehe. Schließlich habe der 26. Senat des BPatG entschieden, dass die Eintragung der Marke „FICKEN” u.a. für Bekleidungsstücke, Biere und andere alkoholische Getränke gerade nicht gegen die guten Sitten verstoße (BPatG, Beschl. v. 3.8.2011 – 26 W (pat) 116/10). Das DPMA und HABM wiederum haben die streitgegenständliche Bezeichnung „Fucking Hell” als Marke für ein Bier Münchener Brauart aus dem österreichischen Dorf „Fucking” u.a. für Biere in deren Register eingetragen.

Die Entscheidung des Gerichts:

Der 27. Senat des BPatG weist die Beschwerde der Anmelder zurück.

Nach gefestigter Rechtsprechung verstoßen Marken gegen die guten Sitten, die das Empfinden eines beachtlichen Teils der beteiligten Verkehrskreise zu verletzen geeignet sind, indem sie sittlich, politisch oder religiös anstößig wirken oder eine grobe Geschmacksverletzung enthalten (BGH, Urt. v. 2.12.2012 – I ZB 89/11, GRUR 2013, 729 – Rz. 9 m.w.N.). Nach Ansicht des 27. Senats liege ein derartiger Sittenverstoß nicht nur vor, wenn ein Zeichen Aussagen enthalte, die diskriminierend seien oder die Menschenwürde beeinträchtigen. Vielmehr sei von einem Verstoß gegen die guten Sitten bereits auszugehen, wenn gravierend gegen den gesellschaftlichen Konsens und den guten Geschmack verstoßen werde. Der gesellschaftliche Konsens und der gute Geschmack spiegelten sich in dem Sozialverhalten wider, das im Geschäftsleben und bei der Kindererziehung als angemessen gelte. Deshalb liege ein Verstoß gegen die guten Sitten stets vor, wenn der angesprochene Verkehr die jeweiligen Begriffe als derbe Flüche verstehe. Nach Ansicht des 27. Senats sei dies bei der Wortkombination „Fucking hell” der Fall, da der überwiegende Teil des inländischen Publikums Ausdrücke mit dem Wortbestandteil „Fucking...” nur als eine vulgäre Beschimpfung und damit als derben Fluch verstehe. Auch eine Abnutzung des Begriffs liege nicht vor, da der Einsatz von Worten wie „Fucking” oder ähnlicher Begriffe bewusst provozieren solle. Dementsprechend verstehe der deutsche Durchschnittsverbraucher das Wort „Fucking” in erster Linie als Schimpfwort.

Der 27. Senat verneint auch eine Bindungswirkung anderer Entscheidungen über die Schutzfähigkeit identischer oder vergleichbarer Marken, insbesondere hält sich der 27. Senat im Einklang mit seiner ständigen Rechtsprechung weder an die von den Anmeldern zitierte Entscheidung des 26. Senats gebunden noch an eine Eintragung der streitgegenständlichen Marke „Fucking Hell” durch das DPMA und das HABM. Auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG liege nicht vor, da keine willkürliche Amtspraxis des DPMA zu erkennen sei.

Allerdings lässt das Gericht gegen seine Entscheidung die Rechtsbeschwerde zu, da dies zur Rechtsfortbildung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bei der Beurteilung von derben Schimpfwörtern erforderlich sei.


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