Eilrechtsschutz bei presserechtlichem Auskunftsanspruch

Autor: RA Prof. Dr. Elmar Schuhmacher, FA Urheber- und Medienrecht, FA Handels- und Gesellschaftsrecht, LLS Lungerich Lenz Schuhmacher, Köln
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 02/2015
An die Gewährung eines Eilrechtsschutzes bei presserechtlichen Auskunftsansprüchen dürfen keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Nach Art. 19 Abs. 4 GG genügt es grundsätzlich, wenn ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen. Eine Beschränkung auf unaufschiebbare Fälle, beispielsweise die Aufdeckung von schweren Rechtsbrüchen staatlicher Stellen, greift unverhältnismäßig in die Pressefreiheit ein.

BVerfG, Beschl. v. 8.9.2014 - 1 BvR 23/14

Vorinstanz: BVerwG, Beschl. v. 26.11.2013 - 6 VR 3.13

GG Art. 5 Abs. 2, 19 Abs. 4; VwGO §§ 50 Abs. 1 Nr. 4, 123

Das Problem

Der Redakteur einer Tageszeitung ersucht im September 2013 den BND um Auskunft zu Stellungnahmen des BND 2010 gegenüber dem Ausfuhrausschuss der Bundesregierung zum Export sog. Dual-Use-Güter, die für die Herstellung von Waffen geeignet sein können, nach Syrien in der Zeit von 2002–2011. Der BND verweigert die erbetenen Angaben, da er dazu ausschließlich der Bundesregierung und den zuständigen Gremien des Bundestags berichte und der Ausfuhrausschuss der Bundesregierung nicht öffentlich tage. Im Oktober 2013 beantragt der Redakteur daraufhin vorläufigen Rechtsschutz beim BVerwG. Dieses lehnt – in erstinstanzlicher Zuständigkeit (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO) – den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung einer nicht hinreichenden Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes ab. Mit seinem Antrag begehre der Redakteur keine vorläufige Maßnahme, sondern eine endgültige Vorwegnahme der in einem künftigen Hauptsacheverfahren erstrebten Entscheidung. Solchen Anträgen sei nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise stattzugeben, wenn ein Abwarten in der Hauptsache für den Beschwerdeführer schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Diese Voraussetzungen seien hier aber nicht glaubhaft gemacht worden. Durch diese Entscheidung sieht der Redakteur seine Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 sowie aus Art. 19 Abs. 4 GG als verletzt an und wendet sich dagegen im Wege der Verfassungsbeschwerde, die er mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbindet.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BVerfG nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.

Grundrechtskonforme Auslegung: Gerichte seien gehalten, bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über einstweiligen Rechtsschutz der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Die für den vorliegenden Fall insoweit aufgestellten Maßstäbe durch das BVerwG seien mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG nicht frei von Bedenken, letztlich aber noch verfassungsmäßig.

Verfassungsrechtlich gebotener Maßstab: Verfassungsrechtlich bedenklich sei es, wenn das BVerwG davon ausgehe, dass eine gewisse Aktualitätseinbuße von der Presse regelmäßig hinzunehmen sei und eine Ausnahme „allenfalls” dann vorliege, wenn Vorgänge in Rede stünden, die unabweisbar einer sofortigen, keinen Aufschub duldenden journalistischen Aufklärung bedürften, etwa wenn manifeste Hinweise auf aktuelle schwere Rechtsbrüche staatlicher Stellen vorlägen oder ein unmittelbares staatliches Handeln zur Abwehr von Gemeinwohlgefahren dringend gefordert sein könnte. Diese Auslegung sei mit Blick auf den schweren Nachteil zu eng und lege damit einen Maßstab an, der die Aufgabe der Presse in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat nicht hinreichend berücksichtige. Zwar genüge es, wenn Eilrechtsschutz nur gewährt werde, wo ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen. Dies könne jedoch nicht deshalb verneint werden, weil die Berichterstattung nicht auf unaufschiebbare Berichte wie die Aufdeckung von schweren Rechtsbrüchen staatlicher Entscheidungen abziele und sie im Übrigen auch später möglich bleibe. Letzteres sei angesichts der Fähigkeit der Presse, selbst Themen zu setzen, immer denkbar. Vielmehr könne die Presse ihre Kontroll- und Vermittlungsfunktion nur wahrnehmen, wenn an den Eilrechtsschutz in Auskunftsverfahren auch hinsichtlich der Aktualität einer Berichterstattung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.

Darlegung der Eilbedürftigkeit: Zu Recht sei das BVerwG aber davon ausgegangen, dass der Redakteur nicht hinreichend deutlich gemacht habe, warum seiner Anfrage eine solche Eile zukomme, dass hierüber nur im Wege einstweiligen Rechtsschutzes, zumal unter einer Vorwegnahme der Hauptsache, entschieden werden könne. Zwar könnten auch zurückliegende Vorgänge unter veränderten Umständen plötzlich eine Relevanz bekommen, die eine Eilbedürftigkeit begründe. Es sei dann aber Sache des Informationsverlangenden, näher dazu vorzutragen, warum er für die jetzige Berichterstattungsabsicht sogleich Einsicht in diese Dokumente benötige und warum diese Berichterstattung ohne diese Dokumente in nicht hinzunehmender Weise erschwert werde. Es sei insoweit auch zumutbar, näher darzulegen, warum gerade die angefragten Dokumente für eine effektive Presseberichterstattung sofort benötigt würden. Insoweit genüge es nicht, lediglich darauf zu verweisen, dass aktuell über das entsprechende Thema berichtet werde und eine solche Berichterstattung im öffentlichen Interesse läge.


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