Erbrecht – aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung Teil II

05.09.2015, Autor: Herr Michael Wemmer / Lesedauer ca. 4 Min. (477 mal gelesen)
Diese Übersicht enthält einige Entscheidungen, die aus unserer Sicht für die Praxis und die Entwicklung des Rechts von Bedeutung sind. Auf Anfrage stellen wir Ihnen gerne den vollständigen Urteilstext, soweit vorhanden, zur Verfügung.

Umfang des pflichtteilsrechtlichen Auskunfts- und Wertermittlungsanspruchs bei einer Unternehmensbeteiligung (GmbH)

Eine bereits vorliegende Begutachtung und Bewertung von GmbH-Anteilen nach dem Stuttgarter Verfahren steht einer erneuten Begutachtung des Verkehrswertes im Rahmen eines pflichtteilsrechtlichen Auskunfts- und Wertermittlungsanspruchs nicht entgegen. Der beauftragte Sachverständige hat im Rahmen des §§ 2314 Absatz 1 S. 2 BGB selbstständig ein geeignetes Verfahren zu wählen. Dabei wird regelmäßig vom Ertragswert auszugehen sein.

Ein Gesellschaftsvertrag kann im Hinblick auf pflichtteilsrechtliche Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche nicht zwingend vorschreiben, dass für die Wertermittlung von Anteilen das Stuttgarter Verfahren maßgeblich sei. Der vom Pflichtteilsrecht erfasste Anteil am Nachlasswert ist der Dispositionsbefugnis von Todes wegen entzogen. Damit wäre es nicht in Einklang zu bringen, wenn der Erblasser mittelbar, etwa durch eine Regelung, wie ein Unternehmensanteil zu bewerten sei, auf den Wert des Nachlasses und damit auch auf die Höhe des Pflichtteils Einfluss nehmen könnte.

OLG Köln, Urteil vom 10.01.2014, 1 U 56/13



Voraussetzung für gerichtliche Vermittlung einer Erbauseinandersetzung

Der Antrag auf Durchführung eines Verfahrens der gerichtlichen Vermittlung einer Erbauseinandersetzung kann nicht bereits dann abgelehnt werden, wenn zwischen den Parteien über die Erbauseinandersetzung bereits Streit herrscht und einzelne Beteiligte schriftsätzlich vorab erklären, dieses Verfahren nicht zu wollen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Streitigkeiten nicht so verdichtet haben, dass ein eingeleitetes Ermittlungsverfahren zugleich zwingend auszusetzen wäre, weil eine gerichtliche Entscheidung über eine Rechtsfrage herbeigeführt werden muss.

OLG Schleswig, Beschluss vom 24.01.2013, 3 Wx 117/12



Amtspflichten des Notars bei der Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses

Bei Errichtung eines notariellen Nachlassverzeichnisses entscheidet der Notar unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände nach eigenem Ermessen, welche konkreten Ermittlungen er vornimmt. Das Ergebnis dieser eigenen Ermittlungen muss er in der Urkunde niederlegen und als eigene Erklärung zum Ausdruck bringen, dass nach diesen Ermittlungen weitere Nachlassgegenstände nicht vorhanden sind.

OLG Köln, Beschluss vom 18.03.2014, 2 W 495/13



Streit über die Echtheit eines Testaments

Da eine absolute Gewissheit der Echtheit eines Testamentes im naturwissenschaftlichen Sinne fast nie zu erreichen und die theoretische Möglichkeit des Gegenteils der Tatsache, die festgestellt werden soll, kaum einmal auszuschließen ist, genügt für die richterliche Überzeugung nach herrschender Rechtsprechung insoweit ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel ausschließt. Eine solche Gewissheit liegt auch im Erbscheinverfahren vor, wenn diese einen Grad erreicht hat, der den Zweifeln Einhalt gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu können. Es reicht daher aus, wenn das zur Entscheidung im Erkenntnisverfahren berufene Gericht nach diesen Grundsätzen keine vernünftigen Zweifel an der Echtheit des Testaments hat, auch wenn der Sachverständige in seinem wissenschaftlich begründeten Gutachten im Hinblick auf die objektiven Befundlücken nur von einfacher oder hoher Wahrscheinlichkeit der Urheberschaft des Erblassers ausgegangen ist. Das Beweismaß des Sachverständigen hat sich nämlich nach wissenschaftlichen Maßstäben zu richten, während für den Tatrichter das Beweismaß der persönlichen Überzeugung gilt, d. h. ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel ausschließt.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.03.2014, 3 W 62/13



Die Vererblichkeit des Ersatzanspruchs wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung

Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung ist grundsätzlich nicht vererblich. Ob anderes gilt, wenn der Anspruch noch zu Lebzeiten des Erblassers rechtshängig geworden ist, bleibt offen.

BGH, Urteil vom 29.04.2014, VI 246/12



Verjährung von Pflichtteilsansprüchen. Wann liegt ein Anerkenntnis vor?

In der Erfüllung eines Auskunftsverlangens gemäß § 2314 BGB kann nach den Umständen des Einzelfalles ein Anerkenntnis des Pflichtteilsrechts der die Auskunft fordernde Person liegen, das den Neubeginn der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs zur Folge hat. Ein solches Anerkenntnis umfasst jedoch keine Pflichtteilsergänzungsansprüche, die zuvor nicht geltend gemacht worden waren.

Trotz Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs kann ein umfassender Auskunftsanspruch gemäß § 2314 BGB gegeben sein, soweit an der Auskunftserteilung ein rechtliches Interesse - z. B. zur Vorbereitung eines Anwaltsregresses wegen der Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs - besteht.

OLG Hamburg, Beschluss vom 10.09.2013, 2 W /13



Umdeutung eines vom anderen Ehegatten nicht unterzeichneten gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament

Die Umdeutung eines vom anderen Ehegatten nicht unterzeichneten gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament erfordert die Feststellung, dass nach dem Willen des Testierenden seine Verfügung auch unabhängig vom Beitritt des anderen Ehegatten gelten sollte.

Sieht das unvollständige gemeinschaftliche Testament eine gegenseitige Alleineinsetzung und eine Schlusserbeneinsetzung von Verwandten beider Ehegatten zu gleichen Teilen vor, kann gegen einen solchen Willen sprechen, dass der Testierende selbst ohne den Beitritt des anderen Ehegatten nicht dessen Alleinerbe wäre und die angestrebte gleichmäßige Aufteilung des gemeinschaftlichen Vermögens bei Umdeutung in Vor- und Nacherbfolge nicht erreicht würde.

OLG München, Beschluss vom 23.04.2014, 31 Wx 22/14



Rückgriff eines Miterben gegen die Erbengemeinschaft wegen der Kosten des Führens eines Gerichtsverfahrens

Grundsätzlich liegt die Abwehr einer Nachlassverbindlichkeit im Interesse der Gemeinschaft als ganzer. Das Interesse der Erbengemeinschaft an der Prozessführung durch einen einzelnen Miterben kann nicht alleine deshalb verneint werden, weil er im Rechtsstreit unterlag. Für die Feststellung von Interesse und mutmaßlichem Willen der Erbengemeinschaft an der auftragslosen Geschäftsführung ist der Zeitpunkt der Übernahme - hier also der Klageerhebung - entscheidend. Dem Miterben steht ein Regressanspruch gegen die Erbengemeinschaft für die Prozesskosten zu, wenn er bei Klagerhebung davon ausgehen durfte, dass er für die Erbengemeinschaft obsiegen werde.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.04.2014, 1-7 U 296/12



Auskunftsanspruch im Hinblick auf pflichtteilsergänzungspflichtige Schenkungen

Voraussetzung eines Auskunftsanspruchs nach § 2314 Absatz 1 S. 1 i. V. m. § 2325 BGB ist nicht, dass das Vorliegen einer Schenkung feststeht. Bei ausreichenden Anhaltspunkten für möglicherweise pflichtteilsrelevante Vorgänge muss sich die Auskunft auf alle Umstände erstrecken, die für die Beurteilung, ob und in welcher Höhe ein Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht, bedeutsam sind.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.12.2014, 8 U 187/13



Kündigung eines Darlehensvertrages durch die Erbengemeinschaft

Der Wirksamkeit der von mehreren Miterben erklärten Kündigung eines Darlehensvertrages steht nicht entgegen, dass ein weiterer Miterbe an der Kündigung nicht mitgewirkt hat. Zwar stellt die Kündigung eines Vertrages eine Verfügung im Sinne von § 2040 Absatz 1 BGB dar. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat aber bereits entschieden, dass Erben ein Mietverhältnis über eine zum Nachlass gehörende Sache mit Stimmenmehrheit kündigen können, wenn sich die Kündigung als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung gemäß § 2038 Absatz 1 S. 2 HS 1 BGB darstellt. Dies gilt gleichermaßen für einen Darlehensvertrag.

BGH, Beschluss vom 03.12.2014, IV ZR 22/14

Michael Wemmer - WEISSKOPF Rechtsanwälte Partnerschaft
www.weisskopf-law.com