EuGH, Urt. 10.3.2022 - C-183/21

Zur Darlegungs- und Beweislast in Verfahren über die Löschung einer Marke wegen Verfalls

Autor: RA und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz Dr. Kristofer Bott, Frankfurt/M.
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 06/2022
Der Markeninhaber trägt im Verfallsverfahren die Darlegungslast bezüglich der rechtserhaltenden Benutzung seiner Marke. Der Kläger muss nicht die Ergebnisse einer Benutzungsrecherche vortragen.

MarkenG §§ 49, 55; RiL (EU) 2015/2436 Art. 19

Das Problem

Wer muss Umstände darlegen und ggf. beweisen, die die Löschung einer Marke wegen Nichtbenutzung rechtfertigen? Die Frage kann sich in verschiedenen Fallgestaltungen stellen: Der Markeninhaber kann selbst wegen Verletzung bei Gericht geklagt, bei einem Markenamt – DPMA oder EUIPO – gegen die Eintragung einer anderen Marke Widerspruch erhoben oder deren Löschung wegen älterer Rechte verlangt haben und nun mit dem Einwand konfrontiert sein, er habe seine Marke nicht benutzt und dürfe sie deshalb auch nicht gegen Dritte durchsetzen. Er kann aber auch selbst der Angegriffene sein, in einem Verfahren auf Löschung seiner Marke wegen Verfalls, d.h. aufgrund der Nichtbenutzung über einen Zeitraum von mehr als 5 Jahren, auch das ist – in Deutschland – sowohl vor Gericht, als auch beim DPMA möglich. Die Marke schließlich, auf deren Nutzung es ankommt, kann eine nationale oder eine EU-Marke sein. Sollen für alle Fallgestaltungen dieselben Regeln gelten, wenn ja, welche? Einerseits gilt allgemein, dass der „Angreifer“, also der Kläger, die Umstände vortragen und ggf. beweisen muss, die den geltend gemachten Anspruch begründen. Anderseits sind die Umstände bei der Löschung wegen Verfalls dem Markeninhaber im Prinzip besser zugänglich als jedem anderen, und ist die Benutzung im Markt – nach Ablauf der Schonfrist – die eigentliche Rechtfertigung für ein Ausschließlichkeitsrecht an Zeichen, von denen nicht mehr als „Unterscheidungskraft“ (als Marke) verlangt wird. Schließlich ist die Darlegungslast eines, die Beweislast ein anderes Thema, es kann gerecht sein, die Lasten ungleich zu verteilen. – Der EuGH hatte es, auf Vorlage des LG Saarbrücken (Beschl. v. 4.3.2021 – 7 O 181/19), mit einer dort anhängigen Löschungsklage gem. §§ 55, 49 MarkenG betreffend zwei deutsche Marken zu tun. Das LG fragt den EuGH, ob es mit dem Unionsrecht vereinbar sei, wenn das Gericht in einem solchen Verfahren dem Kläger die Darlegungslast für Umstände auferlege, die ihm zugänglich seien, insbesondere ihm die Durchführung einer Benutzungsrecherche und die Darlegung ihrer Ergebnisse abverlange. Das vorlegende Gericht führt dazu aus, das sei klärungsbedürftig, weil der BGH die prozessualen Regeln so handhabe, nämlich dem Markeninhaber eine nur sekundäre Darlegungslast auferlege. Es sei eigentlich auch nicht schlecht, weil bei der als Popularklage ausgestalteten Löschungsklage („jede Person“, § 55 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) die Gefahr missbräuchlicher Verfahrenseinleitung bestehe, missbräuchlich z.B. dann, wenn es dem Kläger nicht so sehr um die Löschung der – ggf. offensichtlich benutzten – Marke, sondern um mit dem Benutzungsnachweis zu offenbarende Geschäftsgeheimnisse gehe. Die vom LG Saarbrücken vorgelegte Frage hatte sich in der Sache tatsächlich durch das etwa zur selben Zeit verkündete, möglicherweise noch nicht veröffentlichte Urteil „STELLA“ des BGH (Urt. v. 14.1.2021 – I ZR 40/20) erledigt.

Die Entscheidung des Gerichts

Der EuGH entscheidet, kurz angebunden: Wer die Beweislast in diesem Fall habe – nach der hatte das vorlegende Gericht ausdrücklich nicht gefragt, sondern sich auf die Darlegungslast beschränkt –, dürfe nicht nach nationalem Verfahrensrecht entschieden werden, damit der Markenschutz EU-weit einheitlich gewährleistet werde (so schon in EuGH v. 22.10.2020 – C-720/18 und C-721/18 Rz. 76 – Ferrari/Testarossa). Was, m.a.W., sich der BGH zu primärer und sekundärer Beweislast zurechtgelegt haben mag – vor STELLA, s.o. –, spielt keine Rolle. Die Benutzung der Marke müsse der Inhaber beweisen. Das gebiete die Vernunft und sei ein elementares Erfordernis der Verfahrenseffizienz: Der Inhaber sei am Besten in der Lage, die Benutzung seiner Marke zu beweisen, und auch darzulegen. Rechtsmissbräuchlicher Verfahrenseinleitung, so der EuGH weiter, lasse sich auf verschiedenen Wegen begegnen, z.B. durch die Auferlegung von Kosten und Gebühren. Geschäftsgeheimnisse des Markeninhabers seien nicht betroffen, weil er zur rechtserhaltenden Benutzung der Marke im Markt, und keine Interna vortragen müsse.


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