EuGH, Urt. 22.12.2022 - C-148/21 und C-184/21

Markenrechtsverletzung durch Plattformbetreiber bei einheitlicher Präsentation von Eigen- und Fremdangeboten

Autor: Guido Aßhoff, LL.M. Rechtsanwalt, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Fachanwalt für IT-Recht, LST Schuhmacher und Partner, Köln
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 02/2023
Der Betreiber einer Online-Verkaufsplattform benutzt eine Marke in rechtlich erheblicher Weise selbst, wenn Drittanbieter ohne die Zustimmung des Inhabers der Marke entsprechend gekennzeichnete Waren auf dem Marktplatz zum Verkauf anbieten, sofern ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Nutzer dieser Plattform eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen des Betreibers und dem fraglichen Zeichen herstellt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein solcher Nutzer in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls den Eindruck haben könnte, dass dieser Betreiber derjenige ist, der die mit diesem Zeichen versehenen Waren im eigenen Namen und für eigene Rechnung selbst vertreibt.

UMV Art. 9

Das Problem

Der Kläger ist Designer von Damenschuhen und verwendet seit den 90er Jahren eine rotfarbige Außensohle zur Kennzeichnung seiner Produkte. Diese Farbe ist als Benelux-Marke und als Unionsmarke geschützt. Mit seiner Klage richtet sich der Kläger gegen Anzeigen auf Amazon-Plattformen für rotbesohlte Schuhe, die der Kläger für markenrechtsverletzend hält, weil diese ohne seine Zustimmung in Verkehr gebracht werden. Die Besonderheit beim Geschäftsmodell von Amazon ist, dass Amazon, neben der reinen Bereitstellung eines Online-Marktplatzes, für angeschlossene Händler Fulfillment-Leistungen anbietet, in deren Rahmen die Einlagerung von Waren und der Versand durch Amazon direkt erfolgt, und Amazon auf der Plattform integriert für eigene und fremde Angebote wirbt.

Die Entscheidung des Gerichts

Der EuGH hat sich in seiner Entscheidung erneut mit der Frage auseinandersetzen müssen, wann Amazon als Plattformbetreiber für Markenrechtsverletzungen durch Drittanbieter verantwortlich ist, insbesondere ob ein Plattformbetreiber wie Amazon ein Kennzeichen, das mit einer fremden Unionsmarke identisch ist, selbst markenrechtlich benutzt, wenn Drittanbieter auf dem Marktplatz potentiell markenrechtsverletzende Waren zum Verkauf anbieten und welche weiteren Voraussetzungen dafür vorliegen müssen.

Eine Markenrechtsverletzung setzt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH voraus, dass der Verletzer die Marke nach Art. 9 UMV benutzt. Art. 9 UMV bezweckt in diesem Sinn, dem Markeninhaber ein rechtliches Instrument an die Hand zu geben, das es ihm ermöglicht, jegliche ohne seine Zustimmung erfolgende Benutzung seiner Marke durch einen Dritten zu verbieten, was aber voraussetzt, dass dieser Dritte unmittelbar oder mittelbar Herr über die Benutzungshandlung ist (EuGH, Urt. v. 2.4.2020 – C 567/18, Rz. 38 – Coty Germany). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Plattformbetreiber rechtsverletzende Waren anbietet, in Verkehr bringt oder Waren zu diesen Zwecken besitzt.

Ferner hat der EuGH entschieden, dass die Benutzung von Zeichen in Verkaufsangeboten, die auf einem Marktplatz angezeigt werden, ausschließlich durch die als Verkäufer auftretenden Kunden, nicht aber durch den Betreiber selbst erfolgt, sofern dieser das betreffende Zeichen nicht im Rahmen seiner eigenen kommerziellen Kommunikation benutzt (EuGH, Urt. v. 12.7.2011 – C 324/09 – L’Oréal). Ein reines eigenes kommerzielles Interesse des Plattformbetreibers – etwa durch Anbieten zusätzlicher Leistungen für Kunden – war somit nach der bisherigen Rechtsprechung grundsätzlich für das Vorliegen einer Markenverletzung durch diesen unerheblich. Gleiches gilt auch für das bloße Bereitstellen von Lagerplatz (EuGH, Urt. v. 2.4.2020 – C 567/18, Rz. 45 u. 53 – Coty Germany), wenn der Plattformbetreiber keine Kenntnis von der Lagerung rechtsverletzender Produkte hat.

Die zuvor dargestellte Rechtsprechung basiert nach den Ausführungen des EuGH letztlich auf den Sachverhaltsfeststellungen der seinerzeit vorlegenden Gerichte. Der EuGH hat sich daher bisher noch nicht mit der Frage befasst, wie sich die Umstände auswirken,
  • dass die fragliche Verkaufsplattform neben dem Online-Marktplatz auch Verkaufsangebote des Plattformbetreibers selbst umfassen,
  • die auf der Plattform veröffentlichten Verkaufsangebote einheitlich präsentiert werden, indem die eigenen Anzeigen des Plattformbetreibers unter Verwendung seines Logos zusammen mit den Anzeigen von Drittanbietern eingeblendet werden,
  • dass zusätzliche Dienstleistungen angeboten werden, wie z.B. Unterstützung bei der Präsentation von Anzeigen sowie Lagerung und Versand ihrer Waren.
Hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Sachverhaltskonstellation verweist der EuGH darauf, dass er bereits in den Entscheidungen EuGH, Urt. v. 12.7.2011 – C 324/09, Rz. 92 – L’Oréal, sowie EuGH v. 15.12.2011 – C 119/10, Rz. 32 – Frisdranken Industrie Winters festgestellt hat, dass ein Plattformbetreiber ein Kennzeichen verwendet, um für Waren zu werben, die einer seiner Kunden mit Hilfe dieser Dienstleistung vermarktet, wenn er es so verwendet, dass eine Verbindung zwischen dem Zeichen und den von ihm erbrachten Dienstleistungen hergestellt wird. Maßgeblich für eine Rechtsverletzung ist somit, ob ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Nutzer einer Plattform eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen des Betreibers und dem betreffenden Zeichen herstellt. Es ist folglich zu prüfen, ob eine Anzeige geeignet ist, eine Verbindung zwischen den von diesem Betreiber angebotenen Dienstleistungen und dem fraglichen Zeichen herzustellen, weil ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Nutzer glauben könnte, dass dieser Betreiber derjenige ist, der die Ware, für die das fragliche Zeichen benutzt wird, im eigenen Namen und für eigene Rechnung vertreibt.

Zur Beantwortung dieser Frage kommt es insbesondere auf die Art und Weise an, in der die Anzeigen sowohl einzeln als auch in ihrer Gesamtheit auf der fraglichen Plattform präsentiert werden, sowie der Art und dem Umfang der von ihrem Betreiber erbrachten Dienstleistungen besondere Bedeutung zu.

Für eine Markenrechtsverletzung ist es daher relevant, dass der Plattformbetreiber die auf seiner Plattform veröffentlichten Angebote einheitlich präsentiert, indem er die Anzeigen für die im eigenen Namen und für eigene Rechnung verkauften Waren zusammen mit den Anzeigen für die von Drittanbietern auf dem betreffenden Marktplatz angebotenen Waren einblendet, dass er bei all diesen Anzeigen sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber erscheinen lässt und dass er Drittanbietern im Rahmen des Vertriebs der mit dem fraglichen Zeichen versehenen Waren zusätzliche Dienstleistungen anbietet, die u.a. darin bestehen, diese Waren zu lagern und zu versenden.


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