OLG Frankfurt, Beschl. 10.12.2020 - 6 W 126/20

Zu den Voraussetzungen einer Verfahrensaussetzung vor dem Hintergrund eines anhängigen Markenlöschungsverfahrens

Autor: RA und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz Michael Alber, von BOETTICHER Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 06/2021
Eine Vorgreiflichkeit des Löschungsverfahrens für den Verletzungsrechtsstreit kann nur dann vorliegen, wenn nicht der Rechtsstreit auch ohne die Entscheidung über den Bestand der Marke entscheidungsreif ist, weshalb das erstinstanzliche Gericht dies prüfen muss. Eine Verfahrensaussetzung nach § 148 ZPO kommt im Hinblick auf ein anhängiges Löschungsverfahren nach der Rechtsprechung des BGH bei dessen Vorgreiflichkeit dann in Betracht, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Löschung der Marke im registerrechtlichen Verfahren besteht, die die mit der Aussetzung verbundene Prozessverzögerung rechtfertigt. Bei dem hierfür erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit ist zu differenzieren: Bei durch die Erteilungsbehörden geprüften Löschungsgründen sind eher hohen Erfolgsaussichten zu verlangen. Die Durchsetzbarkeit des nach Prüfung erteilten Schutzrechts wäre erheblich reduziert, könnte durch eine Löschungsklage mit nur überwiegender Wahrscheinlichkeit die Wirkung des Rechts suspendiert werden. Bei Löschungsgründen wie dem der bösgläubigen Markenanmeldung, bei dem trotz des von Amts wegen zu ermittelnden Sachverhalts die Erkenntnismöglichkeiten des Amtes beschränkt sind, sind hingegen an die Erfolgsaussichten geringere Anforderungen zu stellen. Der auf § 4 Nr. 4 UWG gestützte Anspruch auf Löschung einer Marke wegen bösgläubiger Markenanmeldung ist grundsätzlich unabhängig von der Löschungsreife nach § 8 Abs. 2 Nr. 13 MarkenG. Ein Verletzungsrechtsstreit kann daher nicht im Hinblick auf ein anhängigen Löschungsverfahren ausgesetzt werden.

MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 13; UWG § 4 Nr. 4; ZPO § 148

Das Problem

Die Klägerin ist Inhaberin der deutsche Wortmarke „Ledar“, der Gemeinschafts-Wortmarke „Ledarc“ und der auf das Gebiet der Europäischen Union erstreckten IR-Wortmarke „Ledar“, die jeweils auch Schutz für Leuchtmittel genießen. Die Beklagte betreibt als Teil des Franchisesystems des IKEA-Konzerns – über die in den Niederlanden ansässige Franchisegeberin IKEA Systems B.V. – die IKEA Filialen in Deutschland und den deutschen IKEA Online-Shop. Dort vertreibt sie unter der Bezeichnung u.a. auch „Ledare“ Leuchtmittel. Die Klägerin hat die Beklagte deswegen im Klagewege, gestützt auf die drei Klagemarken (in der vorgenannten Reihenfolge) vor dem LG Frankfurt a. M. u.a. auf Unterlassung in Anspruch genommen. Daraufhin hat die IKEA Systems B.V. beim EUIPO einen Antrag auf Löschung der Klagemarke 2. sowie auf Nichtigerklärung der Schutzerstreckung der Klagemarke 3, jeweils gestützt auf Nichtigkeitsgründe der bösgläubigen Anmeldung, der fehlenden Unterscheidungskraft und der Beschreibungseignung beider Marken, gestellt. Gestützt auf dieselben Nichtigkeitsgründe hat sie zudem beim DPMA einen Löschungsantrag bezüglich der Klagemarke 1. gestellt. Im Klageverfahren vor dem LG Frankfurt hat die Beklagte widerklagend u.a. die Zustimmung der Klägerin in die Löschung der Klagemarke 1. und hilfsweise die Löschung der Klagemarken 2. und 3. beantragt. Dabei hat sie sich auf eine gezielte Behinderung durch die Klägerin in Form der Anmeldung eines Sperrzeichens i.S.d. § 4 Nr. 4 UWG berufen. Das LG Frankfurt hat das Klageverfahren daraufhin hinsichtlich des Hauptklageantrags und des Hauptwiderklageantrags gem. § 148 ZPO bis zur Entscheidung über das beim DPMA zur Klagemarke 1. anhängige Löschungsverfahren, das hinreichende Erfolgsaussichten besitze, ausgesetzt. Zur Begründung hat das LG auf die von der Beklagten vorgelegte Begründung des Löschungsantrags Bezug genommen und sich den dortigen Sach- und Rechtsvortrag der Beklagten zu eigen gemacht. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin beim OLG Frankfurt.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG Frankfurt half der sofortigen Beschwerde der Klägerin vollumfänglich ab.

Das LG Frankfurt a. M. habe – was die Verfahrensaussetzung bezüglich des Hauptklageantrags angehe – das im Rahmen der Entscheidung nach § 148 ZPO erforderliche Ermessen nicht richtig ausgeübt. Der pauschale Verweis auf den Vortrag der Beklagten im Löschungsverfahren vor dem DPMA stelle keine ausreichende Ermessensausübung dar, da der Vortrag in der ebenfalls vorliegenden Stellungnahme der Klägerin zum Löschungsantrag der Beklagten ohne erkennbare Berücksichtigung geblieben sei. Es sei somit unklar, ob die von der Klägerin dort vorgetragenen Aspekte im Rahmen der Ermessensentscheidung berücksichtigt worden seien. Der Aussetzungsbeschluss enthalte in seiner Begründung daher keine ausreichenden Erwägungen zur Ermessensentscheidung, anhand derer das Beschwerdegericht deren Richtigkeit überprüfen könne. Eine Reduzierung des gerichtlichen Ermessens auf Null, etwa im Rahmen einer analogen Anwendung von Art. 128 Abs. 4 Satz 3 UMV, liege zudem nicht vor. Bei nationalen deutschen Marken müsse es auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zwischen der Klagemarke 1. und den beim EUIPO registrierten Klagemarken 2. und 3. ein gewisser Zusammenhang bestehe, bei einer ausschließlichen Anwendung der Regelung des § 148 ZPO verbleiben. Die nationalen Markensysteme und das Unionsmarkensystem seien als voneinander unabhängige Systeme ausgestaltet, die einander widersprechende Entscheidungen – bspw. auch hinsichtlich des Vorliegens von Schutzhindernissen – grundsätzlich zuließen. Angesichts des Umstands, dass dem Beschwerdegericht eine eigene Ermessensentscheidung aus Rechtsgründen versagt sei, sei die Aussetzungsentscheidung des LG unabhängig von der Frage nach dem Vorliegen einer Vorgreiflichkeit i.S.d. § 148 ZPO aufzuheben.

Hinsichtlich der Verfahrensaussetzung den Hauptwiderklageantrag betreffend, habe das LG Frankfurt a. M. zudem verkannt, dass es bereits an einer Vorgreiflichkeit des beim DPMA anhängigen Löschungsverfahren fehle. So bestehe der lauterkeitsrechtliche Anspruch auf Löschung einer Marke parallel zu den Bestimmungen des MarkenG und werde insbesondere nicht durch die gegen eine bösgläubige Markenanmeldung eröffneten Verfahren vor dem DPMA verdrängt. Das habe zur Folge, dass die Verletzungsgerichte jedenfalls hinsichtlich der lauterkeitsrechtlichen Ansprüche auf Löschung einer Marke an die Entscheidungen des DPMA in einem markenrechtlichen Verfahren nicht gebunden seien. Ein lediglich faktischer Einfluss des im markenrechtlichen Verfahren relevanten Sachverhalts auch auf die im Verletzungsverfahren anzustellenden lauterkeitsrechtlichen Erwägungen, genüge zudem nicht für die Feststellung einer Vorgreiflichkeit i.S.d. § 148 ZPO.


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